Heute wird John O’Shea 40 Jahre alt. Ein eher durchschnittlicher Fußballer, der die Menschen dennoch zum Staunen brachte. Und manchmal auch sich selbst.
Seine größte Stärke war seine Flexibilität. John O’Shea konnte fast auf jeder Position spielen: Rechtsverteidiger, Linksverteidiger, Innenverteidiger, defensives Mittelfeld, Zielspieler im Sturm. Wenn es nötig war, schickte Sir Alex Ferguson ihn sogar ins Tor. John O’Shea war so vielfältig einsetzbar, man könnte ihn im besten Sinne als fußballerische Kartoffel bezeichnen. „Er ist so gebaut, dass er überall spielen kann“, sagte sein ehemaliger Nationalmannschaftskollege Matt Holland mal über ihn. Er hatte eben keine herausragende Fähigkeit, die ihn für eine Position spezialisiert hätte. Ein schnellerer O’Shea wäre vielleicht Außenverteidiger geworden. Ein stärkerer Innenverteidiger. Ein ballsicherer Mittelfeldspieler. Aber wäre er dann auch gut genug für Sir Alex Ferguson und Manchester United geworden? Schwierig zu sagen, aber so gesehen hat er sein begrenztes fußballerisches Talent zum Vorteil gemacht: Durch seine Vielseitigkeit stand er Alex Ferguson immer genau dort zur Verfügung, wo er ihn gerade brauchte.
Dass sich John O’Shea jedoch so lange bei einer der besten Mannschaften Europas halten konnte, zeigt aber eben auch die Qualitäten seines Trainers. Dem Schotten, der die Mannschaft von 1986 bis 2013 von Meisterschaft zu Meisterschaft führte, gelang es, durchschnittliche Spieler wie John O’Shea in sein Starensemble einzugliedern und die Mannschaft damit noch besser zu machen. Das ist eine beeindruckende Errungenschaft, auch neben den ganzen Titeln.
Doch nicht nur Fans und Experten waren die überschaubaren fußballerischen Qualitäten von John O’Shea klar. Auch er selbst wusste, dass er kein Cristiano Ronaldo oder Zinedine Zidane war. Als er 2005 im Spiel gegen Arsenal den Ball gekonnt über Manuel Almunia ins Tor lupfte, blickte er anschließend genau so überrascht drein wie alle andere im Highbury-Stadion.
Es war nicht das einzige Glanzlicht in der Karriere von John O’Shea. 2007 etwa schoss er in der Nachspielzeit gegen den Erzrivalen FC Liverpool den Siegtreffer. Oder 2014: Da erzielte er in seinem 100. Länderspiel für Irland gegen Deutschland in der Nachspielzeit den Ausgleich. Doch es bleibt bei dieser Handvoll großer Momente. Denn die meisten seiner Aktionen waren unspektakulär und unauffällig. So wie er eben selbst jahrelang gespielt hatte.
Trotzdem wird John O’Shea von vielen Fans gefeiert. Weil sie sich mit ihm identifizieren können. Während sich Lionel Messi, Cristiano Ronaldo und Zlatan Ibrahimovic längst auf einem gefühlt unmenschlichen Niveau bewegen, kommt O’Shea wie ein ganz gewöhnlicher Mensch daher, der eben Fußballprofi wurde statt Koch oder Maurer oder Handwerker. Weshalb ihm vor der EM 2016 ein Duo irischer Musiker ein eigenes Lied widmete: „Dare to Zlatan? Not today. Now you gotta dare to John O’Shea.“ Wage es, Zlatan zu sein? Heute nicht. Wage es, John O’Shea zu sein!