Fußball ohne Fans ist immer noch – Fußball? Die Geisterspiele in der Bundesliga haben eindrucksvoll gezeigt, dass es nicht so ist. Ein persönlicher Saisonrückblick.
Und jetzt? Nichts. Du siehst, hörst und spürst den Fußball nicht mehr, auch nicht seine – trotz aller Zumutungen – immer noch verbindende Kraft. Die Straßen zum Stadion, sonst hoffnungslos verstopft: leer wie eine Mondlandschaft. Wer ins Stadion darf, fühlt sich wie ein Außerirdischer.
Drei Geisterspiele habe ich in den vergangenen Wochen im Stadion gesehen. Dreimal habe ich auf dem „Fragebogen für Einlasskontrolle im Rahmen der Durchführung des Sonderspielbetriebs der Bundesliga und 2. Bundesliga“ angekreuzt, dass „kein aktueller positiver Nachweis des Coronavirus SARS-CoV‑2“ vorliegt. Dreimal habe ich mir am Eingang zum Stadion die Hände desinfiziert und anschließend Fieber messen lassen. Die neue Normalität.
Beim ersten Mal, beim Derby zwischen Hertha BSC und Union im Olympiastadion, habe ich mich noch unglaublich privilegiert gefühlt. Einer von knapp dreihundert in der riesigen Schüssel. Aber, ganz ehrlich: Geisterspiele im Stadion sind noch besch…eidener als Geistespiele am Fernseher.
Das Bild, der Ton, nichts stimmt. Die Zuschauer sind eben nicht nur Kulisse, die dazu da sind, den „stimmungsvollen Rahmen“ zu liefern, sie sind ein konstitutiver Teil des Ganzen.
Auf den Rängen der leeren Stadien waren in den vergangenen Wochen diverse Transparente der aktiven Fans zu sehen, die sich am Profitstreben des Profifußballs abgearbeitet haben. Im Borussia-Park von Mönchengladbach zum Beispiel, direkt hinter dem Tor, dort wo sonst die Ultras stehen, hing bei jedem Geisterspiel ein Banner mit der Aufschrift „Fußball ohne Fans ist nichts“.
Über diese Aussage ist kontrovers diskutiert worden. Ist Fußball ohne Fans nicht immer noch – Fußball? Ein Spiel elf gegen elf, zwei Mannschaften, ein Ball, zwei Tore? So wie früher auf der Straße? Oder am Sonntag um elf in der Kreisliga?
Ein solcher Einwand verkennt den generellen Unterschied zwischen Fußball und Profifußball. Als wenn es im Profifußball um die kindliche Freude der 22 Spieler am Fußball als Spiel ginge. Nein, es geht um die Existenz eines Geschäftszweigs, der nach Jahren immer neuer Rekorde urplötzlich mit einer nie zuvor dagewesenen Krisensituation zurechtkommen musste. Das ist nicht ehrenrührig. Aber so ehrlich sollte man schon sein.
Für Fußballfans ist es nicht ungewöhnlich, dass sie „wir“ sagen, wenn sie von ihrem Verein sprechen. „Wir?“, fragen die Schlaumeier dann. „Hast du etwa auch mitgespielt?“ Seit Corona wissen wir: Ja, früher haben wir das getan. Früher durften wir noch mitspielen.
Dieser Text erscheint im Rahmen unserer Kooperation mit dem Tagesspiegel.