Fußball ohne Fans ist immer noch – Fußball? Die Geisterspiele in der Bundesliga haben eindrucksvoll gezeigt, dass es nicht so ist. Ein persönlicher Saisonrückblick.
Neulich bin ich gefragt worden, ob ich im Frühjahr, als das ganze Land stillstand und kein Ball mehr rollte, den Fußball eigentlich vermisst hätte. Um ehrlich zu sein: Nein, habe ich nicht. Aber ich vermisse den Fußball, seitdem in der Bundesliga wieder gespielt wird. Ich vermisse das, was das Erlebnis Fußball ausmacht. Nicht das Spiel an sich, sondern das Gesamtkunstwerk Fußball sozusagen.
„Niemand wird Fußballfan wegen des Fußballs“, heißt es in 11FREUNDE #224. „Man wird Fußballfan wegen der Fans.“ Man könnte auch sagen: Man wird Fußballfan wegen des Fanseins. Und man geht ins Stadion, weil man nur dort die Gemeinschaft der Fans wirklich spürt; weil man dort das Gefühl hat, Teil von etwas Größerem zu sein.
Letztlich ist es vielleicht dieses Gefühl, das uns den Fußball als Geschäft überhaupt noch ertragen lässt – und das die vergangenen Wochen vielen Fans so unerträglich gemacht hat, weil es nur noch ums Geschäft ging.
„Jemand, der sagt, Geisterspiele kommen nicht infrage, der muss sich keine Gedanken mehr machen, ob wir künftig mit 18 oder 20 Profiklubs spielen. Dann wird es keine 20 Profiklubs mehr geben“, hat Christian Seifert, der Geschäftsführer der Deutschen Fußball-Liga (DFL), ganz zu Beginn der Coronavirus-Pandemie gesagt. „Es geht ums Überleben.“
Aus Sicht der DFL waren die 82 Geisterspiele der Bundesliga daher ein voller Erfolg. Sie haben das Geschäftsmodell Bundesliga gerettet und vermutlich einige Klubs vor der Insolvenz bewahrt.
Auch gemessen an den düsteren Prophezeiungen vor dem Re-Start ist alles erstaunlich glatt verlaufen: Das Hygienekonzept scheint funktioniert zu haben, es gab, soweit bekannt, keine neuen Infektionen unter den Spielern. Auch die unkontrollierbaren Zusammenrottungen der Ultras vor den Stadien, die viele Hardliner aus Polizei und Politik sich fast schon herbeigesehnt zu haben schienen, hat es nicht gegeben.
Und doch bleibt am Ende der ersten Geisterspielzeit ein schales Gefühl.
In den vergangenen Jahren ist oft über den Profifußball geklagt worden, über die zunehmende Abkopplung dieser hochbezahlten Branche von der Lebenswirklichkeit der normalen Menschen. Nie aber war der Fußball so abgekoppelt wie in den vergangenen Wochen, als viel von einer neuen Demut in der Branche die Rede war. Und selten hat er in seiner Wirkung in die Gesellschaft hinein so kraftlos gewirkt.
Wenn Spieltag ist, spürst du das in normalen Zeiten schon weit vor dem Anpfiff. Der Fußball strahlt auf die ganze Stadt ab. Die Leute reden über das Spiel, sie tragen Trikots und Schals, treffen sich vor dem Weg ins Stadion auf ein erstes Bier in der Kneipe an der Ecke, hoffen oder bangen.