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Man kann Pierre-Michel Lasogga nicht vor­werfen, dass er in den sozialen Medien ein über­zo­genes Selbst­mar­ke­ting betreibt. Seit seinem Wechsel nach Katar im Sommer ist er eher spär­lich auf Insta­gram unter­wegs. Aber eins fällt auf, wenn man sich seine Posts anschaut. Im Hin­ter­grund sind vor allem leere Sitz­schalen zu sehen.

Lasogga, 27 Jahre alt, soll ganz gut ver­dienen bei Al-Arabi, seinem neuen Klub am Per­si­schen Golf, aber das bezahlt er unter anderem mit einem rapiden Bedeu­tungs­ver­lust. Lasogga hat auch andere Zeiten erlebt. Er war sogar noch eine große Nummer, als er noch beim HSV spielte und quasi per defi­ni­tionem schon gar keine große Nummer mehr sein konnte. Das liegt daran, dass Lasogga das letzte lebende Exem­plar unter 30 aus der Spe­zies Straf­raum­stürmer mit deut­schem Pass ist.

Pierre-Michel Lasogga hätte am Diens­tag­abend, im EM-Qua­li­fi­ka­ti­ons­spiel gegen Nord­ir­land, bestimmt für die deut­sche Fuß­ball-Natio­nal­mann­schaft getroffen, wenn er sich nach knapp einer Stunde in jener Posi­tion befunden hätte, die statt­dessen Serge Gnabry ein­nahm. Von der linken Seite kam eine Flanke an den nord­iri­schen Fünf­me­ter­raum, Gnabry stand völlig frei, er begab sich in die Luft, erwischte den Ball mit der Stirn und setzte ihn am Pfosten vorbei.

Um die Tor­ge­fahr muss sich nie­mand sorgen

Lasogga wird im kom­menden Sommer trotzdem nicht bei der EM für die deut­sche Natio­nal­mann­schaft auf­laufen. Und sehr wahr­schein­lich auch keiner seiner Art­ge­nossen. Man­gels geeig­neter Kan­di­daten wird die Natio­nal­mann­schaft erst­mals ohne eine echte Nummer neun zu einem großen Tur­nier fahren. Dafür steht Serge Gnabry ganz sicher im Auf­gebot von Bun­des­trainer Joa­chim Löw. Um die Tor­ge­fahr der Natio­nal­mann­schaft muss man sich also erst einmal keine Sorgen machen.

Drei­zehn Län­der­spiele hat der 24 Jahre alte Münchner bisher bestritten, am Dienstag, beim 6:1 gegen Nord­ir­land gelangen ihm seine Tore elf, zwölf und drei­zehn für die Natio­nal­mann­schaft. Besser war in den ver­gan­genen 50 Jahren ledig­lich ein gewisser Gerd Müller, der Groß­vater aller deut­schen Straf­raum­stürmer, der für seine ersten drei­zehn Tore sogar nur zwölf Län­der­spiele benö­tigte. Aber allein im Län­der­spiel­jahr 2019 traf Gnabry bei acht Ein­sätzen neun Mal. Von Serge halte ich sehr, sehr viel, und das nicht erst seit heute“, sagte Toni Kroos nach dem Sieg gegen Nord­ir­land. Er ist ein toller Spieler mit einem tollen Cha­rakter. Des­wegen bin ich mir sicher, dass er eine Rie­sen­kar­riere hin­legen wird.“

Gnabry ver­kör­pert den Zustand der Natio­nal­mann­schaft im Herbst 2019 wie kein Zweiter. Er steht einer­seits für die struk­tu­rellen Defi­zite, mit denen der Bun­des­trainer leben muss, ande­rer­seits für eine über­ra­gende Fülle an Talent. In welche Rich­tung es geht, das wird bei der EM in sieben Monaten die span­nende Frage sein. Das weiß ich auch nicht“, sagte Kroos, einer der letzten ver­blie­benen Rou­ti­niers der Natio­nal­mann­schaft. Das werden wir sehen, wenn die Gegner kommen, die es zu schlagen gilt, um etwas zu errei­chen. Das waren defi­nitiv nicht die beiden jetzt aus dem November.“

Gegen die beiden aus dem November – Weiß­russ­land und Nord­ir­land – erzielten die Deut­schen immerhin zehn Tore, wes­wegen die Stim­mung rund um die Natio­nal­mann­schaft nun wieder opti­mis­tisch bis eupho­risch ist. So langsam kommen wir in Fahrt“, sagte Mit­tel­feld­spieler Leon Goretzka, der zwei Tore zum Sieg gegen die Nord­iren bei­gesteuert hatte. Wir wollten Deutsch­land ein biss­chen wach­rüt­teln, dass wir da sind.“

Eifer und Elan über­spielen die Defi­zite

Die junge Mann­schaft hat durchaus etwas Mit­rei­ßendes. Mit ihrem Eifer und ihrem jugend­li­chen Elan ist sie in der Lage, ihre Defi­zite zum Bei­spiel in der Abwehr, auf den Außen­ver­tei­di­ger­po­si­tionen oder im Sturm zu über­spielen. Bestes Bei­spiel ist Serge Gnabry, der eben kein gebo­rener Straf­raum­stürmer ist, der aber immer besser in diese Rolle hin­ein­wächst. Im Abschluss ist er tech­nisch wirk­lich über­ra­gend gut“, sagte Löw.

Den Aus­gleich zum 1:1 hätte ver­mut­lich selbst Gerd Müller kaum besser hin­be­kommen. Gnabry nahm ein Zuspiel mit links so an, dass der Ball noch einmal auf­tippte, um ihn dann mit rechts, aus der Dre­hung und volley in den Winkel zu jagen. Das sind bewusste Tore“, erklärte der Bun­des­trainer. Er legt sich die Bälle richtig zurecht.“ Gna­brys zweiter Treffer ver­lief nach dem glei­chen Prinzip: Annahme mit links, den Ball auf­springen lassen, Abschluss mit rechts – und alles in einer flie­ßenden Bewe­gung. Groß­ar­tige Qua­li­täten“ beschei­nigte Löw dem Offen­siv­spieler des FC Bayern.

Er stellt ver­schie­dene Ebenen her“

Und trotzdem wird es ver­mut­lich auch in den nächsten Monaten wieder Momente geben, in denen bei der Natio­nal­mann­schaft das Fehlen echter Stoß­stürmer und die man­gelnde Prä­senz im geg­ne­ri­schen Straf­raum beklagt werden wird. Die Frage aber ist, ob die Qua­li­täten, die ein Typ wie Gnabry mit­bringt, nicht deut­lich wert­voller sind. Ich habe immer schon gesagt, dass er für die Mann­schaft extrem wichtig ist“, erklärte Löw. Gnabry sei Anspiel­sta­tion, ver­ar­beite die Bälle super, lasse sich aber auch mal fallen, um Platz zu schaffen für andere und stoße dann selbst wieder in die Spitze. Er stellt ver­schie­dene Ebenen her“, sagte der Bun­des­trainer. Das macht ihn so wert­voll für uns.“

Dass Serge Gnabry Pierre-Michel Lasogga im Kopf­ball­spiel unter­legen ist, lässt sich unter sol­chen Umständen gerade noch ver­kraften.