„Football Leaks“ veröffentlicht geheime Dokumente aus der Fußball-Welt. Durch die Enthüllungen wurde Twente Enschede gesperrt und Gareth Bales Vertrag publik. Erstmals spricht die Gruppe ausführlich über ihre Seite.
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„Football Leaks“ veröffentlicht seit November geheime Dokumente und Verträge der Fußballwelt. Aufgrund ihrer Enthüllungen wurde der niederländische Verein Twente Enschede wegen Verstößen gegen die Fifa-Richtlinien für drei Jahre für den Europapokal gesperrt. Der Investor Doyen Sports Group war bei Enschede eingestiegen und hatte sich im Gegenzug die Transferrechte mehrerer Profis gesichert.
Dokumente auf „Football Leaks“ bewiesen, dass Twente bei jedem Angebot für einen Spieler an Doyen zahlen musste – ob dieser Spieler wirklich verkauft wurde oder nicht. Die Seite veröffentlichte auch andere Beteiligungen von Doyen Sports Group, einer Firma mit Sitz in Malta, an Transfers und Vereinen im portugiesischen und spanischen Fußball. Doyen Sports ist eine der größten Investorengruppe im Fußball. Sie hält Transfer‑, Sponsor- sowie Bildrechte an hochrangigen Spielern und Trainern. Dazu gehören Diego Simeone, Neymar, Xavi, Marcos Alberto Rojo, Alvaro Morata,.
Vor zwei Wochen machte „Football Leaks“ erneut weltweit Schlagzeilen: Dokumente auf der Seite zeigten, dass der Transfer von Gareth Bale von Tottenham zu Madrid der teuerste der Geschichte war. In der vergangenen Woche wurde eine Vereinbarung zwischen Arsenal und Madrid im Zuge der Verpflichtung von Mesut Özil veröffentlicht.
Bislang hielten sich die Verantwortlichen von „Football Leaks“ im Hintergrund. 11FREUNDE gab die Gruppe nun erstmals in einem langen Interview Einblicke über ihre Seite. Das Interview wurde per Mail geführt.
Wer steckt hinter „Football Leaks“?
Wir ziehen es vor, dabei nicht ins Detail zu gehen. Unser Projekt stellt gerade alles auf den Kopf, Sie können sich daher denken, dass wir einige mächtige Feinde im Geschäft haben. Und für diese Leute ist Transparenz ein Problem.
Stammen Sie aus Portugal?
Ja, das ist richtig.
Seit wann besteht Ihre Gruppe?
Wir sind im September des vergangenen Jahres gestartet. Damals war unser großes Ziel, all die Lügen und Kontroversen der Vereine in Portugal offen zu legen. Die Transferphase des letzten Sommers war die intensivste und rätselhafteste in der Geschichte, es gab aufsehenerregende Transfers wie jenen von Jorge Jesus von Benfica zu Sporting, und viele unbeantwortete Fragen, vor allem bei Sporting Lissabon. Wir wollten, dass die Menschen verstehen, was da vor sich ging. Mithilfe unserer Quellen können wir nun aber sogar noch weiter gehen, über Portugal hinaus.
Welche Ziele haben Sie?
Alles, was wir wollen, ist Transparenz. Einige Vereine haben einfach keinen Respekt gegenüber den Fans, sie verheimlichen zu viel. Alles ist tabuisiert: Gehälter, Verträge, Klauseln, Vermittler. Die NBA ist da ein gutes Vorbild für den Fußball. Im Basketball werden die Gehälter der Spieler und Trainer veröffentlicht. Das braucht der Fußball auch.
Normalerweise sind Vereinbarungen und Verträge zwischen zwei Parteien nicht für die Öffentlichkeit bestimmt.
Wenn jeder so denken würde, gäbe es kein Wikileaks, Luxleaks oder Offshore-Leaks, alle würden in einer Lüge leben. Der Fußball verliert seine Glaubwürdigkeit, der Mangel an Transparenz und die Geheimhaltung von Gagen sind einfach respektlos gegenüber allen Fans. Jemand musste etwas tun. Durch unsere Veröffentlichungen fangen die Leute auf der ganzen Welt an, sich damit zu beschäftigen.
Ihr Hauptthema scheint die Beteiligung von Investoren an Transferrechten zu sein, also das Third-Party Ownership. Warum?
Unserer Meinung nach ist zu wenig über diese Investmentfonds bekannt. Ihre Existenz im Fußball wirft große Fragen auf, etwa jene nach möglichen Interessenskonflikten und Spielmanipulationen. Natürlich besteht auch das Risiko der Geldwäsche oder anderer krimineller Machenschaften. Diese Fonds haben nur finanzielle Absichten, das führt zu einer schiefen Vertragslage zwischen Vereinen und Spielern.
Haben Sie Beweise für Geldwäsche im Fußball?
Wir wollen niemanden ohne genügend Beweise beschuldigen, doch – nur als Beispiel – scheint die Struktur von Doyen Sports Group sehr anfällig für Geldwäsche.
Sie wurden erstmals bekannt, als Sie die Verträge zwischen der Doyen Sports Group und Twente Enschede aufdeckten. Doyen wurde Investor bei dem Verein und sicherte sich dafür Transferrechte der Spieler. Ist der Vorgang in Enschede ein typischer Fall für einen Regelbruch?
Ja. Er zeigt den unheilvollen Zusammenhang des Third-Party-Ownership in der Vereinspolitik mit kriminellem Management und einem unverantwortlichen Präsidenten. Was Doyen macht, ist kriminell und schädlich für die Vereine. Nicht nur bei Twente, sondern auch bei anderen Klubs. Sie benutzen finanziell angeschlagene Vereine und stülpen ihnen unfaire Bedingungen über. Deshalb nennen wir sie Kredithaie. Außerdem verstößt das Vorgehen wohl gegen Fifa-Regeln. Viele dieser Vereine werden Probleme bekommen und wahrscheinlich bestraft werden.
Ein Dokument besagt, dass Twente bei einem abgelehnten Angebot 50 Prozent an den Fonds zahlen musste. Doch wie hätte Doyen davon wissen sollen?
Weil sie für gewöhnlich diejenigen sind, die Angebote heraus suchen. Der Verein hat dann keine andere Wahl, als die Spieler dafür zu verkaufen. Doyens Verträge beinhalten in der Regel sehr aggressive Klauseln.
Demnach könnte der Investor den Verein dazu drängen, die Spieler so schnell wie möglich zu verkaufen.
Richtig, das ist gängige Praxis und geschieht hinter den Kulissen. Die Investoren platzieren die Spieler in bestimmten Vereinen mit dem Versprechen, sie ein oder zwei Jahre später weiter zu verkaufen. Das rentiert sich für den Investmentfonds und deren befreundete Berater.
Die Vereinbarungen mit Investoren sind fast schon gängige Praxis im internationalen Fußball. Wie passt das zum Verbot der Fifa?
In Europa geschehen diese Deals hinter den Kulissen, getarnt als „Scouting-Vereinbarungen“ oder „Vermittler-Vereinbarungen“. Da ist so viel Geld im Umlauf, dass nicht einmal die Fifa eine leise Idee davon hat. Der Einfluss von Beratern wächst, die Beteiligungen von Offshore-Gesellschaften nehmen zu – das kann problematisch werden.
Können Sie sagen, wie viel Geld Doyen durch Transferrechte in den vergangenen fünf Jahren verdient hat?
Ihren internen Dokumenten zufolge sind es mehr als 70 Millionen Euro.
Warum veröffentlichen Sie Ihre Informationen ungefiltert auf einem Blog. Sie hätten diese auch an Medien geben können.
Die portugiesischen Medien verschweigen häufig belastende Informationen über den Fußballverband oder bestimmte Vereine. Die Lobby ist zu groß, und selbst der Verband und die Klubs sind mitschuldig an Verträgen rund um das Third-Party-Ownership. Die Website war für uns einfach die beste Lösung. Eine Menge Leute sind so darauf gestoßen und die sozialen Netzwerke haben den Rest erledigt.
Sie haben mit Ihren Veröffentlichungen unter anderem gegen das Bankgeheimnis verstoßen. Wie rechtfertigen Sie das?
In den vergangenen vier Jahren war Doyen umgeben von Rätseln, sie haben nie mit der Presse gesprochen und nicht das geringste Anzeichen von Transparenz vermittelt. Niemand wusste von den Third-Party-Ownership-Geschäften, den geheimen Klauseln oder den echten Geldgebern. Jeder sieht, dass Doyen eine Offshore-Struktur aufweist und Treuhänder nutzt, um den eigentlich profitierenden Besitzer zu verschleiern. Die Veröffentlichung der Bankmitteilungen dient nur dazu, der Fifa bei ihren Compliance-Aktivitäten und den Finanzbehörden von Malta bei ihren Ermittlungen gegen Doyen zu helfen.
Warum leiten Sie diese Infos dann nicht direkt an die Fifa, sondern betreiben eine Plattform?
Jeder weiß, dass die Fifa gerade mit ihrem eigenen Skandal beschäftigt war. Wir waren uns nicht sicher, ob es wirklich einen Unterschied gemacht hätte, ihnen die Dokumente zuzusenden. Unsere Plattform war die beste Lösung, aber wenn die Fifa uns fragt, würden wir sicher direkt mit ihr zusammenarbeiten.
Ihnen wurde vorgeworfen, Dokumente „gehackt“ zu haben. Stimmt das?
Die Vorwürfe stammen von der Doyen Sports Group. Das sind die gleichen Leute, die den niederländischen Verband belogen und betrogen haben. Dieselben Leute, die erklärten, das geheime TPO-Dokument sei falsch. Das sagt doch alles über Doyen Sports und das Vorgehen der Gruppe.
Noch einmal: Haben Sie Informationen oder Dokumente „gehackt“?
Ganz sicher nicht. Und wir können Ihnen auch ein Beispiel geben. Doyen Sports hat uns beschuldigt, einen Cyberangriff verübt haben. Sie teilten mit, dass sie die Polizei am 4. Oktober darüber informiert hätten. Unsere letzten Veröffentlichungen über Doyen datieren aber vom November und Dezember. Wie sollte das ein Cyberangriff gewesen sein?
Die Fußballwelt rätselt, woher Sie Ihre Informationen und Dokumente bekommen. Sportings Präsident hat Ihnen vorgeworfen, im Sinne des Erzrivalen Benfica zu handeln und vorsätzlich seinem Klub zu schaden. Was können Sie dazu sagen?
Wir haben keine Agenda, wir kämpfen lediglich für das Wohl des Sports. Wir können das nicht alleine schaffen. Zum Glück hat uns der Bale-Leak eine breitere Leserschaft beschert. Nun können viel mehr Leute die umstrittenen Dokumente lesen.
Sie haben also keine Verbindungen zu Vereinen?
Nein, wir sind absolut unabhängig.
Im Bale-Leak haben Sie eine Vereinbarung von Real und Tottenham veröffentlicht. Aus ihr geht hervor, dass Bale der teuerste Spieler der Geschichte ist. Weltweit wurde darüber berichtet. Wie hat das Ihre Arbeit verändert?
Unsere Mailbox ist sehr voll im Moment, wir bekamen hunderte Mails, das ist ein gutes Zeichen. Nun haben wir auf der ganzen Welt Eindruck hinterlassen. Wir hoffen, dass das der Beginn einer neuen Ära für die Transparenz im Fußball ist.
Ebenso aufsehenerregend war der geleakte Vertrag zwischen Arsenal und Real in Bezug auf Mesut Özil. Worin bestand der Sinn der Veröffentlichung bei Bale und auch bei Özil? Hier ging es schließlich nicht um Investoren.
Nein, aber wir veröffentlichen nun einmal nicht nur Verträge mit Bezug auf Investoren. Wir wollen ebenso Handgelder und geheime Klauseln aufdecken.
Sind die Fifa, einzelne Verbände oder Vereine, die in den Unterlagen auftauchen, schon an Sie herangetreten? Wurden Sie gar bedrängt, die Veröffentlichungen zu unterlassen?
Im Gegenteil. Die Fifa schätzt diese Veröffentlichungen. Wir sind sehr froh, dass Mark Goddard, der Geschäftsführer der Fifa Transfer Matching System GmbH, unsere Seite verfolgt und die Infos für seine Compliance-Arbeit verwendet. Wir haben nur Probleme mit Sporting Lissabon und Doyen Sports. Es scheint, als wäre Transparenz für sie sehr problematisch…
Beide kündigten an, Sie verklagen zu wollen. Sind Polizei oder Justiz bereits auf Sie zu gekommen?
Wir trauen den portugiesischen Behörden nicht. Tatsächlich laufen in Portugal die Dinge etwas dreckig, wenn viel Geld im Spiel ist. Doyens Einfluss ist ziemlich groß und wir wissen, dass der Verlauf der Ermittlungen bereits kompromittiert worden ist.
Woher wissen Sie das?
Unsere Quellen haben es uns bewiesen, und wir wissen von geheimen Treffen zwischen der portugiesischen Polizei und dieser Agentur in Lissabon. Rogério Bravo, der Chefermittler der Polizei, ist ein guter Freund von Nélio Lucas, dem Vorsitzenden von Doyen. Lucas hat das Büro des Generalstaatsanwalts unter Druck gesetzt, um an alle Informationen der Ermittlungen heranzukommen. Doyen nutzt also die Polizeiermittlung, aber beauftragte auch Marclay Associates, einen geheimen Nachrichtendienst, um den dreckigen Job zu machen.
Das heißt?
Es heißt, dass sie überall suchen, um uns zu stoppen. Die großen Bosse in der Türkei und Kasachstan sind sehr sauer auf uns, sie wollen uns so schnell wie möglich zum Schweigen bringen. Wir sind gerade großen Risiken ausgesetzt.
Jetzt wird es kompliziert. Warum Türkei und Kasachstan? Wen meinen Sie?
Die Chefs der Doyen Gruppe: Die Arif Familie, eine der reichsten in der Türkei, sie unterhält Verbindungen zu Donald Trump und der türkischen Regierung. Laut mehrerer Berichte wurde Tevfik Arif 2010 auf einer Yacht verhaftet, als die Polizei wegen eines Prostitutionsrings ermittelte.
Der „Daily Mirror“ berichtete, Sie hätten Nelio Lucas, Doyens Vorsitzenden, per Mail erpresst. Für das Zurückhalten von Dokumenten hätten Sie Geld gefordert.
Wir haben Nelio Lucas nie kontaktiert. Und halten Sie es nicht für merkwürdig, dass nur Doyen sagt, Sie seien erpresst worden? Diese Anschuldigungen wurden genau zwei Mal öffentlich: einmal nach den Twente- und nun nach den Bale-Leaks. Das ist kein Zufall. Es sieht nach einem verzweifelten Versuch aus, Football Leaks zu diskreditieren.
Im Bericht ist die Rede davon, dass Sie den Namen Artem Louzov in der Mail verwendet hätten.
Das haben wir nicht. Aber den Namen kennen wir. Wir haben selbst im Dezember sehr kuriose Mails von einem Artem Louzov erhalten. Er schrieb wortwörtlich: „Ihr seid gut. Ich will eure Informationen über den Sport kaufen. Wie viel wollt ihr? Ich kann euch um die 650.000 Euro anbieten“. Natürlich lehnten wir ab.
Haben Sie jemals Dokumente gelöscht?
Natürlich nicht, wir besitzen immer noch mehr als 500 Gigabyte an Dokumenten. Wir haben noch tausende Dokumente. Und wir prüfen weiter all die Informationen.
Also werden Sie weiter Dokumente veröffentlichen?
Ja. Sie können mit weiteren Enthüllungen über Transfers und Investmentfonds rechnen.