Am Wochenende spielte Maximilian Mittelstädt nach einem heftigen Zusammenprall zunächst weiter – später gab Hertha BSC die Diagnose Gehirnerschütterung bekannt. Wie die FIFA solche Szenen bei der kommenden WM verhindern will.
Am Donnerstag erklärte Andrew Massey, medizinischer Direktor der FIFA, dass bei allen FIFA-Wettbewerben sowohl Videoaufnahmen für die Teamärzte als auch externe sogenannte „concussion spotter“, also „Gehirnerschütterungs-Beobachter“, eingesetzt werden sollen. Diese sollen auf den Rängen Platz nehmen, um so einen besseren Überblick zu haben und Hinweise auf eine etwaige Kopfverletzung leichter erkennen zu können. Denn wie Massey in einem Gespräch auf dem FIFA-eigenen YouTube-Kanal sagte: „In Spielen verpasst man die oft, auch wenn du in der ersten Reihe sitzt. Leute laufen vor dir, du hast den Trainer, den Schiedsrichter-Assistenten, Spieler, die sich warm machen. Es ist leicht zu übersehen.“ Die Beobachter sollen dabei nicht nur das Spiel selbst mit etwas mehr Abstand verfolgen, sie sollen auch die Videoaufnahmen genauer untersuchen und dabei Signale für eine mögliche Kopfverletzung im Blick behalten. Laut Massey würde diese Prozedur „die Sache ein ganzes Stück sicherer machen“.
Massey ist seit März 2020 medizinischer Direktor bei der FIFA, war zuvor sieben Jahre Mannschaftsarzt bei Liverpool und hat sich den Umgang mit Kopfverletzungen zur Aufgabe gemacht. Er kennt den Druck, den Mannschaftsärzte bei der Abwägung einer Auswechslung erleben. Weiterspielen lassen auf die Gefahr einer ernsthaften Verletzung hin? Oder lieber vom Feld nehmen und dabei riskieren, das Spiel zu verlieren? Im Mai 2019 ließ er Mo Salah wegen einer möglichen Gehirnerschütterung nicht weiterspielen – Salah verpasste das Halbfinal-Rückspiel in der Champions League gegen Barcelona. Während der Behandlung auf dem Feld seien Massey die möglichen Folgen eines Salah-Ausfalls für Liverpool durch den Kopf gegangen. Obwohl die Entscheidung eigentlich eindeutig gewesen sei.
In seiner jetzigen Funktion bei der FIFA will er den Umgang mit Gehirnerschütterungen und Kopfverletzungen im Allgemeinen ändern. Er gründete eine unabhängige Beratungsgruppe, ist Mitglied der FA-Research-Task-Force und will den Umgang mit Kopfverletzungen auch über die Sprache verändern. „Wenn wir den Begriff von ‚Gehirnerschütterung’ zu ‚Hirnverletzung‘ ändern, horchen die Leute direkt auf und denken: ‚Oh, das ist deutlich ernster!‘“.
Schon bei der Klub-WM im Februar hatte es – ähnlich wie in der Premier League – die Möglichkeit zusätzlicher Wechsel gegeben. Mit der Einführung der „concussion spotter“ bei ihren Wettbewerben geht die FIFA jetzt einen Schritt weiter und setzt damit um, was in anderen Sportarten längst gang und gäbe ist. In der NFL beispielsweise gibt es seit 2012 die ATC-Spotter, in der englischen Rugbyliga seit 2018 die Hawk-Eye-Spotter. Und in der Bundesliga? Dort lehnte die DFL im Februar zusätzliche Wechsel bei Kopfverletzungen, wie die Premier League sie testet, ab.