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Seite 2: Endlich wieder Stadionfeeling

Kurz bevor die Partie end­lich ange­pfiffen wird, machen wir noch schnell von der freien Platz­wahl Gebrauch und ziehen hinter die Trai­ner­bänke auf die Haupt­tri­büne um. Auch hier kann der Abstand ent­spannt ein­ge­halten werden, genü­gend Platz ist vor­handen. Vom Anpfiff weg ent­wi­ckelt sich dann kein hoch­klas­siges, aber ein über­ra­schend kurz­wei­liges Spiel mit einigen Ball­sta­fetten, die so nicht unbe­dingt in der vierten Liga zu erwarten waren. Vor allem der Auf­steiger über­zeugt mit seiner Kom­bi­na­ti­ons­si­cher­heit. Auf den Rängen halten sich bis auf ein paar Chemie-Fans zunächst alle kon­se­quent an das Sing­verbot, sodass ich den Anwei­sungen der beiden Trai­nern lau­schen kann: Hey, ganz ruhig, lass dich nicht pro­vo­zieren.“

Was ist los Borussia?“

Mitte der ersten Halb­zeit, das Spiel plät­schert gerade so vor sich hin, gibt es dann doch end­lich mal die spon­tanen Emo­tionen von den Rängen: Willst du uns ver­ar­schen?“, wird in aggres­siver Ton­lage in Rich­tung Schieds­richter gebrüllt, als der Unpar­tei­ische das Spiel für eine Trink­pause unter­bricht. Wäh­rend­dessen nutzt der Sta­di­on­spre­cher die Zeit und lobt die Ball­jungen für ihren Ein­satz. Sobald ein Ball ins Aus geht, wird er sofort wei­ter­ge­reicht. Ver­ant­wor­tungs­voll rei­nigt ihn der ein­zige Junge mit Des­in­fek­ti­ons­spray.

Kurz nach der Erfri­schungs­pause geht das Team aus Leipzig in Füh­rung. Spit­zen­reiter, Spit­zen­reiter“, tönt es direkt aus der grün-weißen Kurve. Ver­mut­lich um noch mehr Höhen­luft zu schnup­pern, erklimmen drei eupho­ri­sierte Chemie-Fans dabei die Sta­di­on­zäune. Als neu­traler Zuschauer schmunzle ich über den Kon­trast, die gegen­sätz­li­chen Emo­tionen, die Ent­täu­schung, die ich auf der anderen Seite erblicke. Sinn­bild­lich dafür schreit ein Mit­fünf­ziger mit Fahne, Bier und hoch­rotem Kopf in Rich­tung Spiel­feld: Was ist los Borussia?“ Augen­schein­lich nicht wirk­lich viel, Chemie erhöht kurze Zeit später auf 2:0. An einer Art Schieds­richter-Tisch bietet ein netter Opa nach dem Tor einen Ser­vice an, den ich so aus der Bun­des­liga nicht kenne: Er hält die Rücken­nummer des Tor­schützen hoch. Nummer neun, ist notiert, die Scou­ting-Abtei­lung dankt!

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privat

Rück­sichts­voller Umgang in der Halb­zeit­pause

Für ein neues Bier in der Halb­zeit ist zwar etwas mehr Geduld gefragt. Die haben aber fast alle, sodass hek­ti­sches Gewusel aus­bleibt. Ins­ge­samt ist der Umgang ent­spannt und rück­sichts­voll, gera­dezu ent­schleu­nigt. TeBe beginnt den zweiten Durch­gang dagegen so stür­misch und moti­viert, dass bereits nach ein paar Spiel­mi­nuten der Anschluss­treffer gelingt.

Auf den Rängen ent­wi­ckelt sich nun so etwas wie ein Gesangs­duell. Einige TeBe-Fans wagen sich aus der Reserve und wider­setzen sich den Hygiene-Anwei­sungen: Come on TeBe, oh come on, oh come on.“ Sank­tio­niert werden sie dafür weder vom Sta­di­on­spre­cher noch von den anwe­senden Ord­nern. Die ein­zige Reak­tion kommt von­seiten der Leip­ziger Anhän­ger­schaft. Mitt­ler­weile noch mehr zer­split­tert und weniger eng bei­ein­ander ste­hend ant­wortet sie mit einem lang­ge­zo­genen Schäääämiee“-Wechselgesang.

(Fast) alles wie immer

Trotz der nun immer mehr auf­kom­menden Sta­di­onat­mo­sphäre sind nicht alle TeBe-Fans mit der Aus­tra­gung des Spiels ein­ver­standen. Auf einem Banner fragen sie: Trotz Corona rollt der Ball, NOFV (Nord­ost­deut­scher Fuß­ball­ver­band, Anm. d. Red.) habt ihr nen Knall?“ Einmal rollt der Ball dann sogar noch ins Tor, zum 3:1 für Chemie. Wäh­rend mit Abpfiff der all­seits beliebte Gas­sen­hauer Spit­zen­reiter, Spit­zen­reiter, hey hey“ hinter dem Tor der Leip­ziger ertönt, bleibt Tennis Borussia nur die Aner­ken­nung von den Rängen. Nach einer guten Leis­tung warten ein paar Fans hinter den Trai­ner­bänken um noch ein paar warme Worte an die ent­täuschten Spieler zu richten. Einer der War­tenden trägt dabei ein T‑Shirt mit der Auf­schrift: Live fast, no favours, no assistants, no rich par­ents, no investor.“

Mir fällt auf dem Weg nach Hause dagegen auf, wie sehr mein Aus­flug doch meinen bis­he­rigen Regio­nal­liga-Sta­di­on­erfah­rungen ähnelt. Außer bei Union ver­zichte ich näm­lich frei­willig auf Anfeue­rungs­rufe und das Bei­ein­ander wie die Sar­dinen in der Büchse. Somit war das Ein­halten des Sicher­heits­ab­stands für mich kein Pro­blem. Einzig das Mas­ken­tragen erin­nerte zwi­schen­zeit­lich immer mal wieder an das Virus. Ansonsten hatte mein Sta­di­on­be­such alles, was ich ver­misst habe. Die Emo­tionen auf den Rängen, das Beob­achten der anderen Zuschauer. Das Zusam­men­kommen von ganz unter­schied­li­chen Cha­rak­teren, das Fach­sim­peln, die ver­ein­zelten Gesänge. Die Lauf­wege der Spieler abseits des Balls, ein paar krea­tive Banner oder ein­fach nur die Brat­wurst und das Bier. Das alles hat gefehlt. Ich werde wie­der­kommen.