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QUADRAT 11 fuer Hochformate

Die große Repor­tage über den WM-Held von 2014 gibt es in der aktu­ellen Aus­gabe #234, erhält­lich hier im Shop und überall, wo es Zeit­schriften gibt.

Mario Götze, Sie haben wie­der­holt bekräf­tigt, dass die Zeit beim FC Bayern zwar nicht durch­ge­hend glück­lich ver­laufen ist, Sie aber von der Arbeit mit Pep Guar­diola bis heute zehren. Können Sie erklären, wie Guar­diola einem Hoch­be­gabten wie Ihnen völlig neue Seiten am Fuß­ball ver­mit­telt?
Er hat mein Spiel­ver­ständnis in neue Dimen­sionen über­führt. Vorher war für mich Fuß­ball am Ende noch ein Spiel von elf gegen elf. Pep hat mir bei­gebracht, wie man Räume neu ein­teilt und Über­zahl durch das Wech­seln von Sys­temen schafft. Und diese Ideen so run­ter­zu­bre­chen, dass jeder im Team sie ver­steht und umsetzt, war ein­zig­artig. Er hat mir gezeigt, dass Fuß­ball elf gegen elf bleibt, sich der Lauf eines Spiels aber ständig ver­än­dern kann – und das bis ins Detail.

Sie haben auch gesagt, dass Guar­diola so in seinen Denkras­tern steckte, dass bei ihm die mensch­liche Kom­po­nente etwas auf der Strecke blieb. Was fehlte Ihnen: Lob?
Heute sehe ich das dif­fe­ren­zierter. Vor Pep hatte ich Jürgen (Klopp, d. Red.) als Trainer, der für mich eine Vater­figur war, weil er mir in allen Fragen geholfen hat, nachdem ich mit 17 zu ihm kam. Bei Pep war das ganz anders, was völlig ver­ständ­lich ist, wenn ein Trainer so viele Profis und Ideen hat, drei Mal in der Woche ein Spiel hat, und ständig Ent­schei­dungen treffen muss. Da ist eine gewisse Distanz zum Team viel­leicht sogar gut.

Haben Sie sich als Youngster in der Zweck­ge­mein­schaft des Rekord­meis­ters manchmal über­for­dert gefühlt?
Die Medien, Pep, die Leis­tungs­be­reit­schaft im Kader – das war schon ein extremer Mix. Bei Bayern gab es damals eine unglaub­lich hohe Per­for­mance­kultur. Da konnte ich kein Trai­ning mit Halbgas angehen, ich musste bei allem voll da sein. Aber es war auch sehr moti­vie­rend, mit Anfang zwanzig zu erleben, wie Rou­ti­niers wie Arjen (Robben) und Franck (Ribéry) in jeder Situa­tion pushten. Diese Ein­stel­lung hat mich dahin gebracht, noch mehr aus mir her­aus­holen zu wollen.

Die Unsi­cher­heit im letzten Sommer, war eine ganz neue Erfah­rung”

Hadern Sie den­noch mit der Ent­schei­dung, damals nach Mün­chen gewech­selt zu sein?
Im Nach­gang ist es immer leichter, Dinge zu ana­ly­sieren. Sicher kann man dis­ku­tieren, ob es besser gewesen wäre, 2013 ein Jahr länger in Dort­mund zu bleiben und dann zu wech­seln. Wenn nicht nach Mün­chen, dann viel­leicht sogar nach Bar­ce­lona, die mir im selben Jahr ein Angebot machten. Ande­rer­seits war es groß­artig, unter Pep in dem frisch­ge­ba­ckenen Triple-Team dabei zu sein. Ich bestreite nicht, dass es ein paar Hader-Punkte“ in meiner Lauf­bahn gibt, aber genau diese Erfah­rungen haben mich zu der Person und dem Ath­leten gemacht, der ich bin. Ich möchte nichts missen.

Der schlimmste Moment Ihrer Lauf­bahn?
(Über­legt.) In jeder Kar­riere gibt es Rück­schläge, das gehört zum Pro­fi­leben dazu. Aber den schlimmsten Moment, den gibt es nicht. Ich gebe aber zu, die Unsi­cher­heit in diesem Sommer, war eine ganz neue Erfah­rung. Gar nicht zu wissen, was pas­siert und wie es wei­ter­geht, das kannte ich nicht. Eigent­lich wollte ich schon im Winter 2019/20 aus Dort­mund weg, habe mich dann aber anders ent­schieden. Anfangs gab es ver­schie­dene Optionen, ich wollte mir aber bewusst Zeit bei der Ent­schei­dung für den neuen Klub lassen. Dann kam Corona und plötz­lich wurde die Zeit immer knapper. Das war hart.

Wären Sie in die Nie­der­lande gewech­selt, wenn es Corona nicht gegeben hätte?
Nie­mand kann beur­teilen, wie die Welt ohne das Virus aus­sehen würde. Corona hat das Busi­ness und auch die Vor­aus­set­zungen für die Spieler ver­än­dert. Anfangs haben sich bei uns nur die Rou­tinen ver­än­dert, erst auf den zweiten Blick wurde mir klar, dass die Ver­eine rie­sige Pro­bleme haben.

Im ver­gan­genen Jahr wech­selten Sie gleich drei Mal den Berater. Nach Reza Fazeli, der unter anderem für Emre Can arbeitet, wech­selten Sie zu Fali Rama­dani, der Leroy Sané zum FC Bayern trans­fe­rierte, nun küm­mert sich die Agentur Pro­jekt B, die auch Jürgen Klopp berät, um Ihre sport­li­chen Belange. Hatten diese Rochaden auch mit der schwie­rigen Lage zu tun?
Als Athlet habe ich viel mit dem Sport um die Ohren und weiß nicht, was gerade auf dem Trans­fer­markt oder in den ein­zelnen Ver­einen in Ita­lien, Spa­nien oder Eng­land abgeht. Da brauche ich ein Team, das mit seinem Netz­werk die Sache über­blickt und das große Ganze indi­vi­duell für mich abwi­ckeln kann. Dass man da nicht immer auf Anhieb den pas­senden Partner findet, ist doch klar.

Mir wurde von Gesprä­chen berichtet, die nie statt­ge­funden hatten”

Was ist falsch gelaufen?
Berater sollten auch im Sinne der Spie­lers arbeiten und auf dessen Bedürf­nisse ein­gehen. Und wenn sich Erwar­tungen nicht erfüllen und sich zudem her­aus­stellt, dass bestimmte Ver­spre­chen nicht ein­ge­halten wurden, muss ich mich umori­en­tieren. Das Fuß­ball­ge­schäft ist da sehr dyna­misch.

Was heißt das kon­kret?
Es man­gelte an Trans­pa­renz. In einigen Fällen wurde mir von Gesprä­chen berichtet, die, wie ich über Ecken mit­bekam, nie statt­ge­funden hatten.

Haben Sie im Sommer, als Sie keine Per­spek­tive hatten, mal hin­ter­fragt, ob das über­haupt noch der rich­tige Job für Sie ist?
Nein! Nie! Ich habe in der jün­geren Ver­gan­gen­heit nur eine ganz andere Facette dieses Geschäfts ken­nen­ge­lernt und mich in einem Umfeld befunden, das nicht mehr zu mir passte. An dem Spiel an sich und meiner Lei­den­schaft dafür, ändert das nichts.

Ihr alter Kumpel André Schürrle konnte das am Ende nicht mehr so sehen. Als er im Juli 2020 seinen Rück­tritt vom Pro­fi­ge­schäft mit 29 Jahren ver­kün­dete, schien er regel­recht von einer Last befreit.
Ich habe Schüs“ kom­plette Kar­riere mit­be­kommen und auch die Ent­wick­lung in diese Rich­tung. Aber er hat sehr viel erreicht und bei vielen großen Klubs gespielt. Nach elf Jahren war er an dem Punkt ange­kommen, diesen Schritt zu machen. Und davor habe ich großen Respekt, denn er weiß, welche Kon­se­quenzen das für ihn hat. Ande­rer­seits: Michael Jordon ist als bester Bas­ket­baller der Welt auch mal ein Jahr in die Base­ball­liga gewech­selt.