Teil 2 unseres großen Interviews mit Mario Götze. Der WM-Held von 2014 über die Unwägbarkeiten des ersten Corona-Sommers, seinen Ärger mit Spielerberatern und den vorzeitigen Rücktritt von Bundestrainer Joachim Löw.
Sie sind viel in sozialen Netzwerken unterwegs. Wie gehen Sie mit Hasskommentaren um?
Die tue ich mir nicht mehr an. Ich poste Themen, die ich für interessant halte, und wenn es jemanden Spaß macht, freut es mich. Wenn nicht, auch kein Problem. Aber natürlich frage ich mich, wie es möglich sein kann, dass im Netz jeder, der Lust dazu hat, extremste Beleidigungen aussprechen darf. Was sind das für Leute, die für sowas Zeit haben?
Wie sieht Ihr Plan für die verbleibende Profizeit aus?
Den gibt es nicht. Früher habe ich ständig Pläne gemacht, in dem Glauben, dass ich sie umsetze. Heute will ich mehr im Moment sein, wenn es passiert, weil sich im Fußball vieles nicht planen lässt.
Was kann nach dem Karriereende kommen?
Ich will noch möglichst lange, im Idealfall sieben, acht Jahre, den Fußball genießen, und noch einen Schritt als Athlet machen. Aber ich gebe zu, die Start-Up-Geschichte gefällt mir, weil diese Firmen im High-Performance-Bereich arbeiten, wo im Team ständig abgeliefert werden muss. Da gibt es viele Parallelen zum Fußball.
Warum dreht sich bei Ihnen immer alles darum, das Maximum abzurufen?
So bin ich konditioniert. Auf dem Level, auf dem ich spiele, fällt es sehr schwer, sich Alternativ-Leidenschaften zu suchen. Es sind ja nicht nur zwei Trainingseinheiten am Tag und ein Spiel am Wochenende. Wenn ich diesen Job 15 Jahre machen will, bin ich ständig damit beschäftigt, so zu leben, dass es meinem Körper bestmöglich zugute kommt.
„Sport zu treiben und dafür bezahlt zu werden – ein Traum“
Ist man da nicht latent in Gefahr zu verblöden?
Natürlich. Deswegen habe ich mich schon vor längerer Zeit von der Playstation verabschiedet. (Lacht.) Aber jeder Job hat festgelegte Abläufe, es kommt immer drauf an, was man draus macht.
Selbst über Ihr Post-Profileben denken Sie in Leistungskategorien. Haben Sie nie die leise Sehnsucht, sich einfach ins Wohnmobil zu setzen und auf Weltreise zu gehen?
Das bin ich nicht – zumindest jetzt noch nicht. Ich muss mich in diesem Umfeld des positiven Drucks bewegen. Wer weiß, was in acht Jahren ist? Kann auch sein, dass ich dann erst mal Abstand brauche. Aber wenn ich jetzt sage, dass ich im Wohnmobil auf Weltreise gehe, verankere ich diesen Gedanken in meinem Kopf und besetze damit den Raum für andere Ideen. Das will ich nicht, dafür ist das Leben zu facettenreich.
Ist Ihr Körper der Belastung des Profigeschäfts noch sieben, acht Jahre gewachsen?
Zugegeben, ganz von selbst wie als 18-Jähriger läuft es nicht mehr, ich muss schon Routinen entwickeln und mich pflegen. Sollte aber ja eigentlich jeder tun.
Hatten Sie nie das Gefühl, irgendetwas in Ihrem Leben zu verpassen?
Nein, ich empfinde den Lebensstil, Sport zu treiben und dafür bezahlt zu werden, nach wie vor als Traum. Insbesondere wenn es wieder vor vollen Rängen stattfindet.
„Ich habe nicht realisiert, dass es nie mehr so sein wird“
Mario Götze, wenn Sie eine Zeitmaschine hätten, welchen Moment Ihrer Laufbahn würden Sie gern noch einmal erleben?
Die erste Meisterschaft mit dem BVB und die Weltmeisterschaft 2014.
Warum?
Das Gefühl, das diese Zeit begleitet hat, würde ich gern noch einmal intensiv einatmen. Auch weil ich damals nicht realisiert habe, dass es so nie mehr sein wird.
Was würden Sie aus diesen Momenten rausziehen wollen?
Die Emotionen und das Zusammensein mit den Menschen, die dabei eine Rolle gespielt haben. Ich würde versuchen, das Gefühl so mitzunehmen, dass es mich immer begleitet.
Den ersten Teil des großen Interviews mit Mario Götze lest Ihr hier.
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