Björn Gulden spielte in den Achtzigern für den 1. FC Nürnberg – und ist mittlerweile wieder in Franken zu Hause. Der CEO von Puma über Spezialschuhe für Neymar und seine ungewöhnliche Karriere.
In unserer Märzausgabe riefen wir unter dem Slogan „Ihr könnt auf uns zählen“ zu Solidarität mit der LGBTQ-Community im Fußball auf. Über 800 aktive Spieler und Spielerinnen schlossen sich der Aktion an. Auch der Sportartikelhersteller Puma war dabei. Mit Unternehmenschef Björn Gulden, selbst ehemaliger Profifußballer, haben wir über die Aktion und den Umgang mit Homosexualität im Männerfußball gesprochen.
Björn Gulden, Sie waren Profifußballer, in der Saison 1984/1985 haben Sie beim 1. FC Nürnberg gespielt. Wurde damals unter Kollegen in der Kabine über die sexuelle Identität und Orientierung gesprochen?
Damals? Nein, überhaupt nicht. Damals hat das Thema der Herkunft eine große Rolle gespielt, in meinem Fall das Verhältnis zwischen ausländischen Spielern und deutschen. Was vor allem daran lag, dass es nur begrenzte Kaderplätze für Ausländer gab, maximal drei. Mein Freund Jörn Andersen hat irgendwann ja sogar die deutsche Staatsbürgerschaft angenommen, damit er keinen der Plätze wegnimmt. Darüber haben wir in der Kabine geredet. Über Themen wie beispielsweise Homosexualität aber nicht. Zumindest nicht so, dass ich mich daran erinnern könnte. Doch das Thema Herkunft ist ein gutes Beispiel.
Für was?
Dafür, wie sich der Umgang mit vermeintlich heiklen Themen ändert. Und wie sich auch der Umgang in Mannschaften mit der sexuellen Orientierung von Menschen ändern wird. Meine Söhne, die mittlerweile 20 Jahre alt sind und in der Jugend vom VfL Bochum gespielt haben, sind in komplett multikulturellen Mannschaften groß geworden. Für die war es, nur eine Generation später, völlig normal, dass deutsche Kinder, skandinavische Kinder wie sie selbst, türkische Kinder, russische Kinder, afrikanische Kinder – dass die alle zusammengespielt haben. Religion, Hautfarbe, Herkunft, all das war für die gar kein Thema mehr. Und so wird es, da bin ich mir sicher, auch bald mit der sexuellen Identität und Orientierung sein. Unsere Aufgabe, auch als Unternehmen, ist es, dafür die Voraussetzungen zu schaffen. Ohne Druck aufzubauen.
Wie ist es denn in Ihrem Unternehmen?
Diversität ist für uns sehr wichtig. Allerdings ist das Thema bei uns nicht neu, im Gegenteil, es ist fast schon Schnee von gestern, im besten Sinne. Unsere Belegschaft ist sehr divers und international, jeder und jede bei uns soll so leben, wie er oder sie das will. Die Menschen sollen sich so, wie sie sind, im Unternehmen wohl fühlen. Und ich würde behaupten, dass es bei uns auch der Fall ist. Da sind wir vermutlich weiter als der Fußball.
Wieso hinkt der Fußball, zumindest im Männerbereich, so hinterher?
Ich weiß es nicht, ganz ehrlich. Ich bin mir allerdings sicher, dass das Thema auch im Fußball schon bald deutlich entspannter behandelt werden wird. Anders ausgedrückt: Es wird schon bald auch im Fußball ganz egal sein, wer du bist, woher du kommst oder wen du liebst.
„Ich war einer der vielen Fehleinkäufe vom Club!“
Lassen Sie uns kurz über den Fußballer Björn Gulden sprechen.
Wenn Sie das wollen… Fest steht: Ich war einer der vielen Fehleinkäufe vom Club!
Sie lachen.
Sagen wir mal so: Ich war in Deutschland nicht sonderlich erfolgreich.
Wie sind Sie überhaupt in Nürnberg gelandet?
Ich habe in der Jugend sowohl Fußball als auch Handball gespielt, beides in der norwegischen Nationalmannschaft, genau wie mein Vater. Sport war mein Leben. Irgendwann spielten wir mit der Olympiaauswahl gegen Jugoslawien, da muss mich wohl jemand beobachtet haben. Danach hatte ich jedenfalls diverse Einladungen von deutschen Vereinen. Mein erstes Probetraining war in Nürnberg. Genau zu der Zeit gab es die Spielerrevolte gegen Trainer Heinz Höher – wo am Ende nicht der Trainer entlassen wurde, sondern mehrere Spieler. Nürnberg hatte also Bedarf. Und ich bin geblieben. Für mich als 18-Jährigen, der nie daran gedacht hatte, mit Fußball sein Geld zu verdienen, war das natürlich traumhaft. Besser ging es nicht.
Wenn die Statistik stimmt, kamen Sie allerdings nur auf vier Spiele für den Verein.
Ich habe ein paar Spiele gemacht, mich dann aber sehr schwer am Kreuzband verletzt. Und dann, als ich mich wieder zurückgearbeitet hatte, direkt nochmal. Danach war ich offiziell Sportinvalide und bin zurück nach Norwegen gegangen. Dort habe ich angefangen zu studieren und mit vielen, vielen Kortisonspritzen noch zwei Saisons in der ersten Liga gespielt. Ich bin sogar Meister geworden. Aber mit 23 Jahren war mein Knie dafür komplett kaputt. Heute habe ich ein künstliches Gelenk. Aber damals war ich total sportverrückt und wollte diesen Traum, Fußballer zu sein, irgendwie leben, so lange es ging.
Dabei ließ sich damals in Norwegen mit Fußball wahrscheinlich nicht sonderlich viel Geld verdienen, oder?
Es ging mir auch nicht ums Geld. Sondern um den Sport. Das ist eh ein Thema, bei dem den Fußballern heutzutage meiner Meinung nach oft Unrecht getan wird. Denen geht es auch nicht um die Kohle. Um ein Bundesligaspieler zu werden, muss man in seinem Leben etwa 12.000 Stunden trainieren. Du kannst nicht 12.000 Stunden einen Sport ausüben, wenn du ihn nicht liebst. Egal, wie arrogant oder abgehoben der ein oder andere Spieler später wird – den Fußball geliebt haben sie alle. Die brennen für den Sport.
Was für ein Spielertyp waren Sie denn?
In Norwegen war ich schnell und dynamisch. In Deutschland war ich Durchschnitt.
Wie sind Sie nach Ihrer Karriere im Management gelandet? Und wie sind Sie da so erfolgreich geworden? Nicht viele Profis werden CEO eines großen internationalen Unternehmens.
Ich war schon früher ein Typ, der gerne Verantwortung übernommen hat. Ich war zum Beispiel immer Kapitän in den Jugendnationalmannschaften und auch in meinen norwegischen Klubs. Nach meiner Karriere musste ich mir dann überlegen, wo die Reise hingehen soll. Fest stand: Ich wollte irgendwie im Sportbereich bleiben. Also bin ich nach meinem Studium zu Adidas gegangen. Und hab das, was man als Manager braucht, von der Pike auf gelernt. Der Job war damals, Ende der Achtziger, noch etwas abenteuerlicher als heute. In China zum Beispiel gab es noch gar keine Hotels, da haben wir, wenn wir zu Besuch waren, vier Wochen in den Fabriken geschlafen. Das war schon sehr spannend. Dass ich irgendwann im Management landen würde, war nicht das erklärte Ziel. Ich wollte nur nah am Sport bleiben. Später, als ich für ein paar Jahre ein Schmuckunternehmen geleitet habe, habe ich zum Beispiel sehr schnell gemerkt, dass mir für die Branche die emotionale Verbindung fehlt.
Bei Puma sind Sie nun wieder nah dran. Auch an den größten Stars der Branche. Es gibt ein Foto von Ihnen, auf dem Sie Maradona umarmen!
Das war vor sechs Jahren, da war er hier bei uns in Herzogenaurach zu Besuch. Er war für mich früher der Allergrößte. Der war ein Künstler. Vom Talent her, von dem, was er mit dem Ball machen konnte, war er auf einer eigenen Stufe. Und sogar als älterer Mann, als er uns besucht hat und kaum noch laufen konnte, da hat er sich irgendwann einen Ball geschnappt und ihn von der einen Schulter zur anderen jongliert. Immer hin und her. Was er hatte, kannst du nicht lernen. Auch nicht mit 12.000 Übungsstunden. Maradona hatte es im Blut.
Maradona war der vielleicht größte Star, der je für Puma geworben hat. Was müssen Sportler heutzutage mitbringen, um für das Unternehmen interessant zu sein?
Sie müssen relevant sein. Weil sie besondere Leistung bringen, weil sie besondere Charaktere sind, weil sie vielleicht auch regional besonders populär sind. Unser größter Athlet, was seinen Einfluss angeht, ist aktuell wahrscheinlich der Cricketspieler Virat Kohli. Ganz einfach, weil Cricket in Indien die wichtigste Sportart und er in diesem Sport unglaublich dominant ist. Seine Relevanz in Indien ist unfassbar. Im Fußball ist für uns dagegen auch wichtig, dass der Spieler Meinungen und Emotionen hervorruft. Zum Beispiel Neymar. Der polarisiert. Entweder du liebst ihn oder du hasst ihn.
Apropos Neymar: Stehen Sie mit Stars wie ihm im direkten Austausch?
Ich habe seine Handynummer, falls Sie das meinen. (Lacht.) Und wir haben auch über WhatsApp öfter Kontakt, ja. Ich versuche, nicht zu oft anzurufen, weil das nervt. Aber wenn er ein besonderes Tor schießt oder sich verletzt, dann schicke ich ihm eine Nachricht. Ein paar Sätze können da ja durchaus helfen.
Wenn Sie mit den Athleten so eng im Austausch sind, haben Sie ja zum Abschluss des Gesprächs sicher nichts gegen einen kleinen Wissenstest.
Nur zu.
Welche Schuhgröße hat Neymar?
Komplizierte Frage. Er trägt eigentlich eine 41, aber er hatte eine schwere Fußverletzung. Sein rechter Schuh ist jetzt eine Spezialanfertigung, da sind ein paar Dinge eingebaut, damit er sich nicht wieder an der Stelle verletzt.
Und Marco Reus?
42.
Richtig. Und Antoine Griezmann?
42.
Im Internet steht 44,5.
Kann eigentlich nicht sein. Aber es ist ja auch so: Fußballer tragen Fußballschuhen mindestens eine Größe kleiner als ihre Straßenschuhe, damit sie möglichst eng am Fuß liegen. Früher haben wir die Schuhe sogar extra nass gemacht, damit das Leder sich wie eine Haut um den Fuß gelegt hat. Und bei Griezmann bin ich mir sehr sicher: Der trägt auf dem Platz keine 44,5!
Anmerkung: Nach Abschluss des Interviews hat die Redaktion die Schuhgröße von Antoine Griezmann überprüft. Björn Gulden hatte Recht.