Der beste deutsche Torjäger aller Zeiten wird 75. Wie wurde aus „kleines, dickes Müller“ eigentlich der „Bomber der Nation“? Ein Blick zurück, auf den Anfang einer sagenhaften Karriere.
Kaum vorstellbar, dass ein Mann mit seiner Trefferquote erst so spät zu einem größeren Verein wechselte, die frühen sechziger Jahre machten es möglich. 1964 kamen die Marktführer aus dem Süden dann doch noch auf den Trichter. 1860 München, frisch gebackener Pokalsieger und Bundesliga-Spitzenmannschaft wollte Müller abwerben, den zog es allerdings zum 1. FC Nürnberg („Es war schon immer mein Traum, für den Club zu spielen!“). Warum es letztlich der Regionalligist FC Bayern wurde? Eine Frage der Schnelligkeit und den Glücks, der FCB machte einfach das erste Angebot. Vielleicht die beste Entscheidung der an namhaften Transfers nicht armen Klub-Geschichte.
Die Geburt von „Mr. Europacup“
Aus dem „Harten“ wurde „kleines, dickes Müller“ – Bayern-Trainer Tschik Cajkovski nannte seinen leicht untersetzt wirkenden Neuen so und schuf einen putzigen Beinamen für die Ewigkeit. Untersetzt, aber nicht unterschätzt. Jedenfalls nicht lange. In seiner ersten Saison erzielte der kleine Dicke 33 Tore in 26 Regionalligaspielen (damals die zweithöchste Spielklasse), legte noch sechs Tore in der Aufstiegsrunde drauf und führte den FC Bayern in die Bundesliga. Die Münchener hatten sich ein Stürmer mit nahezu unglaublicher Trefferquote geschossen.
Nach dem Pokalsieg 1966 durfte Müller auch international zeigen, was er so auf dem Kasten hatte. Natürlich waren es seine Tore, die den Bayern 1967 den ersten großen Titel einbrachten – auch wenn es das goldene Tor von Sturmpartner Franz „Bulle“ Roth war, dass im Europapokal-Finale gegen Glasgow Rangers die Entscheidung brachte. Die „Bild“-Zeitung („Bayern-As Gerd Müller hat einen neuen Namen“) formte aus „Kleines, dickes Müller“ alias „der Harte“ trotzdem „Mr. Europacup“. Der hatte da gerade seine erste Duftmarke als Nationalspieler hinterlassen und beim 6:0‑Sieg gegen Albanien vier Treffer erzielt. In seinem zweiten Auftritt für den DFB. Im selben Jahr wurde „Mr. Europacup“ zu Deutschlands Fußballer des Jahres gekürt.
„Am liebsten spielt er Skat“
Spätestens 1969, als Müller mit 30 Toren seine Bayern zu ihrer ersten Bundesliga-Meisterschaft schoss und sich selbst die zweite von insgesamt sieben Torjägerkanonen sicherte, war der stille Mann aus Nördlingen ein Star. Wider Willen, denn gegen Müller wirkte selbst Volksheld Uwe Seeler wie eine effekthaschende Rampensau. Was er denn am liebsten esse, fragten die Journalisten. „Kartoffelsalat“, antwortete nicht Müller, sondern seine Frau Uschi („Für mich ist er ein richtiger Supermann“). Welche Hobbys er pflege, wollte die Presse wissen. „Am liebsten ist er zu Hause und spielt mit mir Skat“, antwortete wieder Uschi. Müller schaute sich gerne Wildwest-Streifen an, trainierte noch 1967 nebenbei den Münchener C‑Klasse-Verein Schwarz-Blau, weigerte sich zunächst standhaft, überhaupt den Führerschein zu machen („Ich bin lieber Beifahrer“), und wenn er denn mal seine Mutter besuchen wollte, ließ er sich einfach von einem befreundeten Nördlinger Gemüsehändler auf dessen Heim-Tour mitnehmen. „Die flüsternde Kanone“ (die „Welt“) war von Star-Allüren so weit entfernt wie München vom Mars.