Der beste deutsche Torjäger aller Zeiten wird 75. Wie wurde aus „kleines, dickes Müller“ eigentlich der „Bomber der Nation“? Ein Blick zurück, auf den Anfang einer sagenhaften Karriere.
Es wird keine Party geben für Gerd Müller. Keine Schlange voller Fußball-Helden vorm Spanferkel-Buffet. Keine Blaskapelle in voller Tracht. Keine rührseligen Bühnenauftritte von geladenen Stars und Sternchen. Keine launigen Erinnerungen von ehemaligen Weggefährten. Das liegt nicht nur an Corona. Denn Gerd Müller ist schwer demenzkrank. Der vielleicht beste Torjäger aller Zeiten ist ein Pflegefall. Das ist in der Tat kein Grund zum Feiern.
Der Gerhard aus Nördlingen
Besungen wird er dieser Tage natürlich dennoch. Wegbegleiter und Journalisten erinnern sich an sein Tor im WM-Finale 1974, an seine gigantischen Oberschenkel, an seine 365 Tore in 427 Bundesliga-Spielen für den FC Bayern. An seine Flucht aus München 1979, die Einsamkeit und den Alkohol in den USA, die Rückkehr nach Deutschland, die Rolle als immer etwas simpel gestrickter Held der deutschen Fußball-Geschichte. An den „Bomber der Nation“.
Vieles ist schon erzählt worden, manches gar zu häufig. Vielleicht hilft ein Blick zurück auf die Anfänge dieser grandiosen Karriere, um den Mythos Müller noch ein wenig mehr verstehen zu können. Ein Rückblick auf die Jahre vor 1970, als Müller bei seiner ersten Weltmeisterschaft zehn Tore schoss und Weltmeister Pelé anschließend kundtat: „Mit diesem Mann würde ich zu gerne mal in einer Mannschaft spielen.“ Da war Gerhard Müller aus dem kleinen Nördlingen zum „Bomber“ mutiert.
180 Tore in einer Saison?
Prädestiniert für Spitznamen war Müller offenbar schon zu Beginn seiner Karriere. Der „Harte“ riefen sie den Teenager vom TSV 1861 Nördlingen, der dort in seiner letzten Jugend-Saison 1962/63 so viele Tore schoss, dass es keine sichere Quelle gibt, wie viele es denn wirklich waren. 180 sagt Wikipedia, „über hundert“ ein Artikel der Münchener „Abendzeitung“ vom April 1967. Müller dürfte das egal gewesen sein, schon die Berichte von damals zeichnen einen ebenso talentierten wie stoischen Vollstrecker nach, der in seiner letzten Spielzeit für den Heimatverein 44 Tore schoss und seinen Klub damit in die Landesliga.