Mats Hummels ist der Elder Statesman beim BVB. Mit klaren Ansichten zu den Gründen für Borussias Mentalitätsproblem, Gangsta-Rap in der Kabine und zur AfD.
Sie haben über Lucien Favre gesagt: „Ich bin von seinen Ideen angetan.“ Von welchen?
Von sehr vielen, denn er legt ganz viel Wert auf Details. Wir sollen nicht nur anspielbar sein, sondern auf eine Weise, dass wir auch Gegner überspielen. Es ist eine Wissenschaft für sich, in welchen Räumen man sich auf dem Platz anbietet oder in welchem Winkel man den Gegner anläuft.
Favre wurde bei seinen bisherigen Klubs immer geliebt, warum tut sich das Dortmunder Publikum mit ihm so schwer?
Ich hatte auch in den Jahren, in denen ich nicht in Dortmund war, das Gefühl, dass vielen Leuten Kloppo immer noch fehlt. Er ist halt eine absolute Ausnahmeerscheinung, er und Pep Guardiola sind für mich die besten Trainer der letzten zehn Jahre. Pep ist taktisch genial, daran gibt es nicht den Hauch eines Zweifels. Und Kloppo kann wie kein anderer die Menschen für eine Sache begeistern, ob Spieler oder Fans. Er war sieben Jahre hier, und die Leute erwarten immer noch, dass man bei der Pressekonferenz fünf Mal herzhaft lacht. Jeder hätte gerne einen Trainer, der nicht nur erfolgreich ist, sondern einem auch noch das Gefühl gibt, dass man abends mit ihm in der Kneipe sitzen könnte, fünf Bier trinkt und eine geile Geschichte nach der nächsten erzählt bekommt. Die Leute vergleichen seine Nachfolger immer noch mit Kloppo, so wie ich immer noch manchmal Euro in D‑Mark umrechne. Die Zeit mit ihm war unendlich schön, aber das muss irgendwann mal vorbei sein.
Sie wissen auch, wie man das schafft?
Ja, indem wir was gewinnen.
Die Deutsche Meisterschaft ist noch möglich.
Es ist etwas überraschend, mit der Punktzahl noch im Rennen zu sein, aber alle Mannschaften vorne hatten ihre Schwächephasen. Wir sind noch voll drin.
Ihr Wechsel von Dortmund zu den Bayern vor vier Jahren hat viele Fans unheimlich enttäuscht, wie sind Sie Ihre Rückkehr nach Dortmund angegangen?
Leistung ist für mich das entscheidende Stichwort. Die Leute sollen sehen, dass ich auf dem Platz alles gebe und dass ich alles dafür tue, dass die Mannschaft erfolgreich ist. Ich glaube, dass das relativ schnell viele überzeugt hat, aber bestimmt nicht alle.
Das klingt jetzt ziemlich rational. War es andererseits auch emotional, wieder zu Borussia Dortmund zurückzukommen?
Sehr, ich hatte Bock auf diese Atmosphäre hier im Stadion. Wir hatten in dieser Saison auch schon wieder einige Spiele, die ich unendlich genossen haben, etwa gegen Inter, gegen Barcelona, Paris oder auch Gladbach in der Bundesliga. Ich bin auch für solche Momente zurückgekommen, dass ich nach einem Spiel nach Hause gehe und einfach nur euphorisch bin.
Sie mögen keine Vergleiche zwischen Ihren bisherigen Klubs, aber produziert die Fixiertheit der Bayern auf Titel nicht auch weniger Euphorie?
Vor allem produziert es weniger Euphorie, wenn man so oft gewinnt. Wenn wir mit Borussia Dortmund jetzt sieben Mal Meister werden sollten, wird die siebte Meisterfeier auch hier nicht so rauschend wie die erste. Aus sportlicher Sicht ist es sehr spannend, ständig den Druck zu haben, dass Platz zwei nicht akzeptabel ist. Ich finde ihn gut, und er hat auch dazu geführt, dass wir mit Bayern Meister geworden sind, obwohl wir vergangene Saison neun Punkte Rückstand hatten. Da hat zu keinem Zeitpunkt jemand gesagt: Diese Saison wird’s halt nichts.
Sie sind seit 13 Jahren Profi, was würden Sie im Fußball gern verändern?
Ich würde erst mal gerne loswerden, dass sich gerade etwas zum Positiven verändert, ich finde den neuen Umgang mit den Schiedsrichtern nämlich sehr gut. Dass also bestimmte Spieler nicht mehr ständig aggressiv angelaufen kommen dürfen oder zu sechst den Schiedsrichter umlagern und bequatschen. Ich hoffe auch, dass es gang und gäbe wird, dass die Bälle nicht mehr weggeschlagen werden. Wenn ich Handball anschaue, liebe ich es: Pfiff, der Ball wird hingelegt und alle sprinten nach hinten. Wenn das im Fußball ein halbes Jahr durchgezogen würde, wäre es da auch so.
Aber alle Trainer sagen ihren Spielern, sie sollen beim Freistoß den Ball blockieren.
Ja, natürlich. Bei ganz vielen Spielern sorgt ein Pfiff dafür, dass sie erst einmal abschalten. Man sieht dann fünf Spieler, die sich umdrehen und durchatmen. Die würden immer konzentriert bleiben müssen, und wer das nicht kann, der kann eben nicht auf dem Niveau Fußball spielen. Im Fußball ist noch viel zu viel Platz für Unsportlichkeiten wie Zeitspiel oder sich fallenzulassen. Ich will, dass nie wieder eine Schwalbe als clever bezeichnet wird. Das regt mich tierisch auf. Das wäre auch ein super Vorbild für alle unteren Klassen.
Was würden Sie gerne noch anders sehen?
Ich würde als Verein das Spiel der Aufgeregtheiten nicht mitmachen. Nehmen wir den Trikottausch eines Spielers in der Halbzeit. Es gab mal den Fall eines Leverkusener Spielers, der in der Halbzeit mit Messi das Trikot getauscht hat. Hinterher war das ein Riesenthema, dabei habe ich mir auch schon in der Halbzeit Trikots geholt, und das hat meine Leistung nicht einen Hauch geschmälert.
Der Tag an dem Jogi Löw Ihnen das Ende Ihrer Nationalmannschaftskarriere verkündet hat, hat sich am 5. März gejährt, macht es noch Sinn, mit Ihnen über die Nationalelf zu reden?
Nee, deshalb mache ich es auch nicht. Ich kann nichts gewinnen, wenn ich darüber rede, obwohl ich sehr oft danach gefragt werde.
Was nicht zuletzt an Ihren guten Leistungen liegt. Fehlt Ihnen die Nationalmannschaft?
Sagen wir so: Ich habe immer sehr viel Leidenschaft entwickelt und alles reingeworfen, wenn ich für Deutschland gespielt habe.
Schauen Sie die Spiele noch an?
Darüber rede ich auch nicht, obwohl ich das ebenfalls sehr oft gefragt werde. Meistens vor Länderspielen: „Und, wo guckst du heute Abend?