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Seite 3: „Ich will, dass nie wieder eine Schwalbe als clever bezeichnet wird"

Sie haben über Lucien Favre gesagt: Ich bin von seinen Ideen angetan.“ Von wel­chen?
Von sehr vielen, denn er legt ganz viel Wert auf Details. Wir sollen nicht nur anspielbar sein, son­dern auf eine Weise, dass wir auch Gegner über­spielen. Es ist eine Wis­sen­schaft für sich, in wel­chen Räumen man sich auf dem Platz anbietet oder in wel­chem Winkel man den Gegner anläuft.

Favre wurde bei seinen bis­he­rigen Klubs immer geliebt, warum tut sich das Dort­munder Publikum mit ihm so schwer?
Ich hatte auch in den Jahren, in denen ich nicht in Dort­mund war, das Gefühl, dass vielen Leuten Kloppo immer noch fehlt. Er ist halt eine abso­lute Aus­nah­me­erschei­nung, er und Pep Guar­diola sind für mich die besten Trainer der letzten zehn Jahre. Pep ist tak­tisch genial, daran gibt es nicht den Hauch eines Zwei­fels. Und Kloppo kann wie kein anderer die Men­schen für eine Sache begeis­tern, ob Spieler oder Fans. Er war sieben Jahre hier, und die Leute erwarten immer noch, dass man bei der Pres­se­kon­fe­renz fünf Mal herz­haft lacht. Jeder hätte gerne einen Trainer, der nicht nur erfolg­reich ist, son­dern einem auch noch das Gefühl gibt, dass man abends mit ihm in der Kneipe sitzen könnte, fünf Bier trinkt und eine geile Geschichte nach der nächsten erzählt bekommt. Die Leute ver­glei­chen seine Nach­folger immer noch mit Kloppo, so wie ich immer noch manchmal Euro in D‑Mark umrechne. Die Zeit mit ihm war unend­lich schön, aber das muss irgend­wann mal vorbei sein.

Sie wissen auch, wie man das schafft?
Ja, indem wir was gewinnen.

Die Deut­sche Meis­ter­schaft ist noch mög­lich.
Es ist etwas über­ra­schend, mit der Punkt­zahl noch im Rennen zu sein, aber alle Mann­schaften vorne hatten ihre Schwä­che­phasen. Wir sind noch voll drin.

Ihr Wechsel von Dort­mund zu den Bayern vor vier Jahren hat viele Fans unheim­lich ent­täuscht, wie sind Sie Ihre Rück­kehr nach Dort­mund ange­gangen?
Leis­tung ist für mich das ent­schei­dende Stich­wort. Die Leute sollen sehen, dass ich auf dem Platz alles gebe und dass ich alles dafür tue, dass die Mann­schaft erfolg­reich ist. Ich glaube, dass das relativ schnell viele über­zeugt hat, aber bestimmt nicht alle.

Das klingt jetzt ziem­lich rational. War es ande­rer­seits auch emotional, wieder zu Borussia Dortmund zurück­zu­kommen?
Sehr, ich hatte Bock auf diese Atmo­sphäre hier im Sta­dion. Wir hatten in dieser Saison auch schon wieder einige Spiele, die ich unend­lich genossen haben, etwa gegen Inter, gegen Bar­ce­lona, Paris oder auch Glad­bach in der Bun­des­liga. Ich bin auch für solche Momente zurück­ge­kommen, dass ich nach einem Spiel nach Hause gehe und ein­fach nur eupho­risch bin.

Sie mögen keine Ver­gleiche zwi­schen Ihren bis­he­rigen Klubs, aber pro­du­ziert die Fixiert­heit der Bayern auf Titel nicht auch weniger Euphorie?
Vor allem pro­du­ziert es weniger Euphorie, wenn man so oft gewinnt. Wenn wir mit Borussia Dort­mund jetzt sieben Mal Meister werden sollten, wird die siebte Meis­ter­feier auch hier nicht so rau­schend wie die erste. Aus sport­li­cher Sicht ist es sehr span­nend, ständig den Druck zu haben, dass Platz zwei nicht akzep­tabel ist. Ich finde ihn gut, und er hat auch dazu geführt, dass wir mit Bayern Meister geworden sind, obwohl wir ver­gan­gene Saison neun Punkte Rück­stand hatten. Da hat zu keinem Zeit­punkt jemand gesagt: Diese Saison wird’s halt nichts.

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Urban Zintel

Sie sind seit 13 Jahren Profi, was würden Sie im Fuß­ball gern ver­än­dern?
Ich würde erst mal gerne los­werden, dass sich gerade etwas zum Posi­tiven ver­än­dert, ich finde den neuen Umgang mit den Schieds­rich­tern näm­lich sehr gut. Dass also bestimmte Spieler nicht mehr ständig aggressiv ange­laufen kommen dürfen oder zu sechst den Schieds­richter umla­gern und bequat­schen. Ich hoffe auch, dass es gang und gäbe wird, dass die Bälle nicht mehr weg­ge­schlagen werden. Wenn ich Hand­ball anschaue, liebe ich es: Pfiff, der Ball wird hin­ge­legt und alle sprinten nach hinten. Wenn das im Fuß­ball ein halbes Jahr durch­ge­zogen würde, wäre es da auch so.

Aber alle Trainer sagen ihren Spie­lern, sie sollen beim Frei­stoß den Ball blo­ckieren.
Ja, natür­lich. Bei ganz vielen Spie­lern sorgt ein Pfiff dafür, dass sie erst einmal abschalten. Man sieht dann fünf Spieler, die sich umdrehen und durch­atmen. Die würden immer kon­zen­triert bleiben müssen, und wer das nicht kann, der kann eben nicht auf dem Niveau Fuß­ball spielen. Im Fuß­ball ist noch viel zu viel Platz für Unsport­lich­keiten wie Zeit­spiel oder sich fal­len­zu­lassen. Ich will, dass nie wieder eine Schwalbe als clever bezeichnet wird. Das regt mich tie­risch auf. Das wäre auch ein super Vor­bild für alle unteren Klassen.

Was würden Sie gerne noch anders sehen?
Ich würde als Verein das Spiel der Auf­ge­regt­heiten nicht mit­ma­chen. Nehmen wir den Tri­kot­tausch eines Spie­lers in der Halb­zeit. Es gab mal den Fall eines Lever­ku­sener Spie­lers, der in der Halb­zeit mit Messi das Trikot getauscht hat. Hin­terher war das ein Rie­sen­thema, dabei habe ich mir auch schon in der Halb­zeit Tri­kots geholt, und das hat meine Leis­tung nicht einen Hauch geschmä­lert.

Der Tag an dem Jogi Löw Ihnen das Ende Ihrer Natio­nal­mann­schafts­kar­riere ver­kündet hat, hat sich am 5. März gejährt, macht es noch Sinn, mit Ihnen über die Natio­nalelf zu reden?
Nee, des­halb mache ich es auch nicht. Ich kann nichts gewinnen, wenn ich dar­über rede, obwohl ich sehr oft danach gefragt werde.

Was nicht zuletzt an Ihren guten Leis­tungen liegt. Fehlt Ihnen die Natio­nal­mann­schaft?
Sagen wir so: Ich habe immer sehr viel Lei­den­schaft ent­wi­ckelt und alles rein­ge­worfen, wenn ich für Deutsch­land gespielt habe.

Schauen Sie die Spiele noch an?
Dar­über rede ich auch nicht, obwohl ich das eben­falls sehr oft gefragt werde. Meis­tens vor Län­der­spielen: Und, wo guckst du heute Abend?