Mats Hummels ist der Elder Statesman beim BVB. Mit klaren Ansichten zu den Gründen für Borussias Mentalitätsproblem, Gangsta-Rap in der Kabine und zur AfD.
Wir reden über Borussia Dortmund, also eine Mannschaft, die mit dem Ziel in die Saison gegangen ist, Deutscher Meister zu werden. Dieses Verhalten passt doch nicht zu einem Champion.
Das stimmt. Keine Mannschaft der Welt ist immer da, hat nie einen schlechten Tag oder geht ein Spiel nicht mal falsch an. Aber das darf nicht zu oft passieren! Und uns ist es in der Hinrunde einfach zu oft passiert. Seriosität und Zielstrebigkeit hochzuhalten, sind für uns die ganz großen Punkte, denn wir haben begnadete Fußballer. Diese Mannschaft muss sich vor der BVB-Mannschaft von 2012 nicht verstecken.
Die Bayern haben diese Zielstrebigkeit ganz selbstverständlich.
Definitiv, das habe ich da auch noch mal mehr gelernt. Wenn Trainingsspiele in München anstanden, wollten die Leute gewinnen. Da war richtig Feuer drin, und wer verloren hat, war sauer.
Und da knallt es auch mal, wie kürzlich zwischen Leon Goretzka und Jerome
Boateng.
So was hatten wir in den frühen Dortmunder Jahren auch häufiger, nur dass es nicht nach draußen gedrungen ist. Es muss eine Wettbewerbssituation im Training geschaffen werden, wenn man im Mai einen Pokal oder die Schale hochhalten will. Wenn man auf den Platz geht, ist das Gewinnen Priorität Nummer eins.
Also nieten Sie im Training einfach mal einen um?
Das nicht, ich kann nicht absichtlich foulen. Das habe ich genau einmal in meiner Karriere gemacht, weil mich der Gegenspieler die ganze Zeit über provoziert hat – und drei Sekunden später gab es den Gegentreffer. Aber ich gehe im Training bewusst auch mal intensiver in Zweikämpfe. Es geht um eine Gesamtstimmung auf dem Platz. Die kann ich nicht alleine erzeugen, dazu braucht man vier, fünf Mann, und dann baut sie sich auf.
Gibt es die beim BVB?
Ja, zumal wir im Winter mit Emre Can und Erling Haaland zwei ganz wichtige Bausteine dazubekommen haben, die immer Gas geben und gegen den Ball arbeiten. Sie helfen uns sehr, sowohl als Typen als auch vom Fußball her.
Weil sie die richtige Mentalität haben?
Vor allem wissen sie, dass sie spielen, um zu gewinnen, um Tore zu schießen und Tore zu verhindern, und nicht, um einen geilen Hackentrick zu machen. Fünf Leute auf dem Platz, denen es wichtiger ist, den Gegner so auszutricksen, dass es für einen Instagram-Clip taugt, bringen nicht so viel wie einer, der einfach jedes Mal an seinem Gegner vorbeigeht.
„Can und Haaland spielen, um zu gewinnen, und nicht, um einen geilen Hackentrick zu machen“
Die Ballkünstler sind beim BVB aber nicht abgeschafft.
Nein, die braucht es auch, denn sie machen am Ende oft den Unterschied aus. Aber man kann keine fünf, sechs Künstler in einer Mannschaft vertragen, denn dann wird das Spiel so, wie es in der Hinrunde oft war. Da wurde es manchmal erst nach einem Rückstand seriös und zielstrebig. Ich bin fest davon überzeugt: Wenn man konzentriert arbeitet, können die Jungs, die dazu in der Lage sind, trotzdem zaubern. Aber zuerst kommen die Basics.
Seit der Rückkehr nach Dortmund sieht man wieder mehr Ihrer langen Pässe, die so etwas wie Ihr Signature Move sind, wie man im Basketball sagen würde.
Die sind jedenfalls der bekanntere. Ich sehe eher einen anderen.
Welchen?
Den Schnittstellenpass auf die Zehn oder die Acht, wo man fünf, sechs Gegner mit einem flachen Ball überspielt, wie etwa vor dem zweiten Tor im Hinspiel gegen Paris Saint-Germain. Solche Pässe halte ich für die erfolgversprechendsten im Fußball, sie sind aber natürlich etwas unauffälliger.
Haben Sie für diese langen Bälle mit Erling Haaland jetzt einen neuen Spielkameraden gefunden?
Auf jeden Fall, aber man kann ihn auf beide Arten anspielen. Er kommt auch entgegen und ist robust genug, um die Bälle zu halten.
Hat die Tiefe in seinem Spiel vorher gefehlt?
Ja, ganz klar. Wir hatten zu viele Partien, wo wir es dem Gegner nur mit entgegenkommenden Läufen zu leicht gemacht haben, uns aus dem Spiel zu nehmen.