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Die komischste Win­ter­pause aller Zeiten neigt sich dem Ende zu, bald ist end­lich wieder Bun­des­liga! Wir freuen uns darauf. Auch, weil dann wieder diese die­bi­schen und (bis­lang) geheimen Freuden bedient werden. Unsere Bun­des­liga-Guilty-Plea­sures. Hier findet ihr alle Texte der Serie.

Vorab eine Klar­stel­lung. Allein um sicher­zu­gehen, dass ich noch in meine Hei­mat­stadt ein­reisen kann und nach wie vor das West­fa­len­sta­dion und die Süd­tri­büne betreten darf. Also: Ich liebe Borussia Dort­mund. Ich bin mit dem Verein groß­ge­worden, ich kann meine Lebens­linie anhand von Spie­lern, Begeg­nungen und Toren nach­ziehen. Meine ersten Berüh­rungs­punkte mit dem anderen Geschlecht zum Bei­spiel gehen Hand in Hand mit Thomas Doll an der Sei­ten­linie. Alles Bla Bla Bla war das damals. Ich muss an Alex Frei denken, wenn ich Berentzen Apfel rieche. Meine erste Freundin kol­li­dierte mit meiner Liebe zu Nuri Sahin. Der große Absturz unter Jürgen Klopp ein paar Jahre später kam mit viel Fernweh, als ich eine Zeit­lang von zu Hause weg war. Mit Thomas Tuchel folgte meine Heim­kehr, mit ihm auch mein Stu­di­en­be­ginn, durch den ich immer sel­tener meinen ange­stammten Platz hinter dem Tor ein­nehmen konnte.

Die Iden­ti­täts­suche des Ver­eins in den dar­auf­fol­genden Jahren erfolgte par­allel zu meiner eigenen. Lukas Piszc­zeks Kar­rie­re­ende gelei­tete mich in meinen ersten Job, der mich nicht nur geo­gra­phisch noch ein Stück weiter von zu Hause und von der Süd­tri­büne weg­brachte. Und mir gleich­zeitig mehr Zeit zum Nach­denken bescherte. Ich habe dem BVB eine ganze Bat­terie an wun­der­vollen Momenten zu ver­danken. Dafür bin ich dankbar. Das Pro­blem ist nur: Es kommen kaum noch welche hinzu.

Im ver­gan­genen Jahr war eigent­lich so ein Moment gekommen, den ich in mein Pani­ni­album der Erin­ne­rungen hätte auf­nehmen und als Steck­punkt für irgendein Par­al­lel­ereignis in meinem echten Leben hätte ver­wenden können. Doch selbst der Der­by­sieg über Schalke fühlte sich nicht groß genug an. Viel­mehr machte sich ein Gedanke breit, den ich nur schwer erklären konnte. Ich dachte: Wäre es nicht schön, Schalker zu sein?

Schalker Bedin­gungs­lo­sig­keit

You­s­ouffa Mou­koko hatte das Siegtor gemacht, ein feiner Kopf­ball kurz vor Schluss. Aus­ge­rechnet Mou­koko, one of our own also. Kurz gab es einen lawi­nen­ar­tigen Zustand auf der Tri­büne, die mit einer Stei­gung von 37 Grad so steil ist wie eine Ski­schanze. Men­schen­massen lösten sich aus ihrer Fun­die­rung, glitten unkon­trol­liert herab, wurden mit­ge­rissen oder pur­zelten die phy­si­ka­li­schen Gesetze aus­he­belnd seit­wärts. Der Zustand war für einen kleinen Moment beson­ders. Und ist mir augen­schein­lich bis heute sehr prä­sent im Kopf geblieben. Doch etwas anders besetzt die Erin­ne­rung an das Spiel heute. Denn ich fühlte mich kurz nach Abpfiff ganz und gar nicht wie ein Ski­springer nach erfolg­rei­cher Tele­mark­lan­dung. Son­dern viel­mehr als Ver­lierer.

Als die Mann­schaft zu den Fans geschlen­dert kam und sich das obli­ga­to­ri­sche Jubel­sze­nario abspielte, schwappte auf einmal der Gesang aus dem Gäs­te­block her­über. Die 7500 mit­ge­reisten Schalker schep­perten der Mann­schaft ihren Gas­sen­hauer von den Aso­zialen Schal­kern“ ent­gegen. Wohl­ge­merkt nach einer bit­teren Der­by­nie­der­lage. Und wäh­rend sich der Gesang hun­dert Meter weiter süd­lich klar und deut­lich ver­nehmen ließ, erwischte ich mich dabei, wie ich Neid ver­spürte. Neid, um diese Bedin­gungs­lo­sig­keit, mit der die Schalker Anhänger ihrer Mann­schaft zuju­belten. Schwer zu glauben, aber ich blickte nei­disch aufs Schal­ker­sein. In einem Moment der voll­kom­menen Über­le­gen­heit. Diese Typen da drüben, die ich per­sön­lich über­haupt nicht kannte, von denen ich aber behaup­tete, sie zu hassen, beein­druckten mich urplötz­lich. Weil sie vor­lebten, was es im ursprüng­li­chen Sinne heißt, Fan von einem Fuß­ball­verein zu sein.