Der SV Babelsberg hat eine hohe Strafe für die Vorkommnisse im Spiel gegen Energie Cottbus aufgedrückt bekommen. Das Sportgericht scheint jedes Augenmaß verloren zu haben.
Was kostet es einen Verein, wenn die eigenen Fans bengalische Fackeln vor Spielbeginn zünden, während einer Spielunterbrechung damit weitermachen, eine Leuchtrakete in den Fanblock des Gegners schießen und deren Fans als „Nazischweine“ betitulieren? 7.000 Euro und ein Geisterspiel auf Bewährung.
Das hat das Sportgericht des Nordostdeutschen Fußballverbandes entschieden. Das klingt ganz fair, ist in seiner Tragweite aber dramatisch für den Verein, für die Fans und für die Zivilcourage.
Naziparolen aus dem Cottbuser Block
Denn das Urteil vernachlässigt, was an diesem Nachmittag im April wirklich geschehen ist. Das Derby gegen Energie Cottbus wurde zwar aufgrund der Pyroaktionen um wenige Minuten später angepfiffen, der eigentliche Skandal ereignete sich aber erst kurz darauf. Im Block der 400 Cottbus-Fans zeigten mehrere Personen offen den Hitlergruß, liefen vermummt über den Platz und skandierten rechtsextreme Slogans wie „Arbeit macht frei, Babelsberg 03“ oder „Zecken, Zigeuner und Juden“.
Das Sicherheitspersonal, das auf der anderen Seite die aufgebrachte Babelsberger Meute in Schach gehalten hatte, führte daraufhin 19 Personen ab. Die Polizei stellte später Strafanzeigen wegen Landfriedensbruch, Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen und Verstoß gegen das Sprengstoffgesetz. So weit, so widerlich.
Babelsberg am Pranger
In der zweiten Halbzeit feuerten die verbliebenen Cottbuser Leuchtraketen auf den Babelsberger Block. Dort wurde mit gleichen Mitteln heimgezahlt. Auch nicht besonders originell. Um herauszufinden, wer Brandstifter der Vorkommnisse war, dazu brauchte es nicht erst die brennende Böschung im Hintergrund des Cottbus-Blocks.
Nur: im Urteil, das 11FREUNDE vorliegt, ist davon keine Rede. Dort ist allein eine einzige Person im Einzelnen benannt: „Eine Person mit rotem Punkerhaarschnitt (rief) aus dem Babelsberger Fanblock in Richtung des Cottbusser Fanblockes: „Nazischweine raus“.“.
Unter anderem dafür erhält der SV Babelsberg nun eine Strafe von 7.000 Euro. Wer das Urteil liest, erhält einen Eindruck, was an diesem Nachmittag geschehen ist. Leider ist dieser Eindruck völlig falsch.
Antisemitische Parolen und Hitlergruß bei Spiel FC Energie Cottbus gegen SV Babelsberg 03 #SVBFCE Bericht: https://t.co/T4NspzwHIr pic.twitter.com/hsMPBjtBZf
— Jüdisches Forum (@JFDA_eV) 3. Mai 2017Entschuldigung, aber man wird ja wohl noch Menschen, die öffentlich den rechten Arm zum Gruß heben und dabei aus Konzentrationslagern zitieren, so nennen dürfen, wie sie es verdient haben: Nazis. Nazis, die im Fußball nichts, wirklich gar nichts, verloren haben. Oder? Laut dem Sportgericht nicht.
Keine Zeile über Nazis
Besonders pikant ist, dass das NOFV-Sportgericht im Urteil gegen Energie Cottbus nicht in einer Zeile auf das Nazi-Treiben seiner Fans eingeht. Immerhin wird der Verein mit 10.000 Euro und einem Geisterspiel, nicht auf Bewährung, bestraft. Hinzu kommen 6.000 Euro für weiteres Fehlverhalten in den Auswärtsspielen gegen Meuselwitz, Leipzig und Bautzen.
Dazu bezieht auch der SV Babelsberg Stellung: „das Fußballspiel (wurde) offenkundig bewusst und gezielt vorbereitet als Bühne rechtsextremer Störer und Krawallmacher aus Cottbus bzw. dem Umfeld der Fanszene des Gastvereins genutzt. Diese Tatsache haben im Nachhinein Polizei, Sicherheitsexperten sowie Recherchen verschiedener Medien bestätigt. Dieser besondere und in Babelsberg jedenfalls bisher nicht vergleichbar aufgetretene Umstand des offenkundig bewussten Störens der Veranstaltung durch Zuschauer des Gastvereins wurde in der Urteilsfindung in keiner Weise berücksichtigt.“
Fingerspitzengefühl jetzt!
Das Urteil bestraft beide Vereine mit harten Geldstrafen. Zum Vergleich: Bundesligavereine, deren Fans ebenfalls gegen das Pyroverbot verstoßen hatten, wurden zuletzt teilweise mit geringeren Strafen belegt. Beide Vereine kritisieren, dass ihnen durch die Höhe der Strafe finanziell die Hände gebunden seien, um für Sicherheitsvorkehrungen und Fanprojekte zu sorgen, die solche Verfehlungen in Zukunft verhindern.
Relation der Strafen, Benennung von Hitlergrüßen und widerlichen Parolen und die Einsicht, dass es für Verbesserung etwas anderes braucht als Law and Order. All das hat das Sportgericht vermissen lassen. Zusammen mit ganz viel Fingerspitzengefühl.