Rund zehn Jahre trug Matthias Scherz das Trikot des 1. FC Köln. Vor dem Zweitliga-Spitzenspiel gegen den 1.FC Kaiserslautern sprachen wir mit dem 41-Jährigen Angreifer über seine Kritik an Holger Stanislawski und die Gründe für die rasante Aufholjagd seines Ex-Klubs.
Matthias Scherz, Sie waren von 1999 bis 2009 Spieler des 1.FC Köln und sind nach danach in die Nachwuchsabteilung gewechselt. Nach nur einem Jahr wurde ihr Vertrag allerdings nicht verlängert und es kam zum Rechtsstreit. Welches Verhältnis haben Sie heute zum Verein?
Das Verhältnis ist ganz normal. Ich hatte eine tolle Zeit beim FC, auf die ich auch sehr stolz bin.
Wie intensiv verfolgen Sie noch die Spiele und Geschehnisse rund um den FC?
Wenn es mir zeitlich möglich ist, schaue ich mir die Spiele an. Ich bin dabei allerdings nicht sonderlich emotional. Das liegt aber daran, dass ich schon als Fußballer versucht habe, mir einen neutralen Blick auf die Dinge zu bewahren.
Bevor Sie in diesem Winter Ihr überraschendes Comeback für Fortuna Köln gegeben haben, waren Sie als Kolumnist für den „Kölner Stadtanzeiger“ tätig. Im Wechsel mit Ihrem Kollegen Herbert Neumann haben Sie sich dabei mit der jeweiligen Lage ihres Ex-Klubs auseinandergesetzt.
Es war in erster Linie eine Kolumne über die Bundesliga, in der es dann immer mal wieder auch um den 1.FC Köln ging. Abgesehen vom Eishockey, bewegt die Menschen in dieser Stadt aber nichts so sehr, wie der FC.
Wie haben Sie diesen Seitenwechsel vom Spieler zum Journalisten empfunden?
Es war eine sehr interessante Erfahrung für mich. Über Fußball zu reden, ist immer leicht, aber darüber zu schreiben, ist noch einmal etwas ganz anderes. Ich habe es ja nicht gelernt. Aber als Profi-Fußballer hat man doch den Vorteil, Situationen auf dem Platz besser einschätzen oder nachvollziehen zu können.
Fiel es Ihnen als Ex-Profi schwer, sich kritisch mit den Leistungen von früheren Kollegen auseinanderzusetzen?
Ich habe eigentlich wenig bis gar nichts über einzelne Spieler geschrieben und versucht meine Kritik eher allgemein zu verpacken. Es steht mir auch nicht zu, über einzelne Spieler zu urteilen.
Für Trainer Holger Stanislawski haben Sie dagegen durchaus kritische Worte gefunden. Insbesondere die ständige Fluktuation in der Startelf wurde von Ihnen angeprangert.
Diese Kritik steht auch heute noch. Ich kann es verstehen, wenn ein FC Bayern aufgrund der hohen Belastung in drei Wettbewerben rotiert. Aber ein Zweitligist, der nur ein Spiel pro Woche zu absolvieren hat, kann ganz normal regenerieren. Da muss ich eine erfolgreiche Mannschaft nicht unnötig auseinanderreißen. Aus meiner Sicht ist es extrem wichtig, dass bestimmte Spieler immer wieder zum Einsatz kommen.
Wen meinen Sie konkret?
Zum Beispiel Kevin McKenna. Er verleiht nicht nur der Abwehr Stabilität, sondern ist auch vorne gefährlich.
Haben Sie mit Stanislawski, Ihrem ehemaligen Teamkollegen aus St. Pauli-Zeiten, darüber gesprochen?
Nein, wir haben mittlerweile keinen Kontakt mehr.
Ihre Kritik scheint dennoch auf offene Ohren gestoßen zu sein. Aus den letzten drei Spielen holte der FC neun Punkte und das mit einer nahezu unveränderten Startformation.
Die Mannschaft hat sich jetzt einfach gefunden. Das liegt eben daran, dass Spieler über einen längeren Zeitraum das Vertrauen erhalten und nicht nach einer schlechten Leistung direkt auf der Bank sitzen. So stellen sich die Erfolge automatisch ein.
Rückt im Hinblick auf das große Ziel Aufstieg, die immer noch fehlende Spielkultur in den Hintergrund?
Natürlich können trotz der Erfolgsserie weiterhin einige Dinge kritisch hinterfragt werden. Ich denke aber, dass man der Mannschaft auch einfach mal ein Kompliment machen muss. Sie hat ein Ziel, auf das sie unheimlich fokussiert hin arbeitet. Die Jungs wissen jetzt was sie können und erfüllen in Spielen wie zuletzt gegen Regensburg ihre Pflicht.
Wie wichtig war es in diesem Zusammenhang in der kritischen Phase im Herbst, die Ruhe zu bewahren? In der Vergangenheit hat der Verein ja nicht gerade mit Trainerentlassungen gegeizt.
Eine Entlassung wäre wahrscheinlich schon aus finanziellen Gesichtspunkten schwierig geworden.
Hätten die Verantwortlichen sonst anders reagiert?
Nein, ich denke nicht. Es war auch schon in den letzten Jahren zu erkennen, dass der Verein sich in dieser Hinsicht verändert hat und den Trainern über einen längeren Zeitraum die Chance gibt, sich zu beweisen.
Nicht nur in dieser Hinsicht scheint sich in Köln etwas geändert zu haben. Seit dieser Saison sind mit Timo Horn, Adam Matuschyk und Christian Clemens auch wieder Spieler aus dem eigenen Nachwuchs in den Fokus gerückt.
So etwas ist extrem wichtig für den Verein. Die Spieler durchlaufen den Verein schon viele Jahre und kriegen bereits früh das „Kölsche“-Gefühl vermittelt. Aber in diesem Zusammenhang muss man auch kritisch bleiben und darf sich nicht von einer gewissen Augenwischerei blenden lassen.
Wie meinen Sie das?
Ein Christian Clemens oder Adil Chihi sind zwar aus dem eigenen Nachwuchs, aber auch schon mehrere Jahre bei den Profis dabei. Es handelt sich deshalb aus meiner Sicht nicht mehr um Nachwuchsspieler. Ein Ausbildungsverein muss den Anspruch haben, in jedem Jahr zwei bis drei Spieler aus dem Unterbau in der Profimannschaft zu installieren. Das ist in Köln noch nicht der Fall. Bestes Beispiel ist aktuell Kacper Przybylko. Anstatt ihm die Chance zu geben, hat der Verein Stefan Meierhofer verpflichtet -– von dem man nun halten kann, was man möchte.
Heute Abend kommt es zum Showdown im Duell um Platz Drei. Der 1. FC Köln trifft auf dem Betzenberg auf den direkten Konkurrenten aus Kaiserslautern. Was versprechen Sie sich von einem solchen Spitzenspiel?
Wir werden wahrscheinlich keinen Hurra-Fußball erleben, sondern viele Zweikämpfe und hohe Bälle. Dem FC kommt entgegen, dass er sich aufgrund der aktuellen Ausgangslage auswärts erst einmal zurückziehen kann. Allerdings muss man dann defensiv kompakter stehen, als das noch beim letzten Auswärtsspiel in Dresden der Fall war. Es wird also wichtig sein, nicht früh in Rückstand zu geraten. Je länger es 0:0 steht, desto größer sind die Chancen für Köln.
Welche Rolle spielt die „Hölle“ Betzenberg in diesem Duell?
Einige Spieler haben noch nie in diesem Hexenkessel gespielt. Da wird man sehen müssen, wie sie damit zurecht kommen. Der Weg auf den Betzenberg ist jedenfalls nicht der einfachste. Andererseits kann dieses enorme Pushen der Lauterer Fans auch zum eigenen Nachteil werden. Es besteht als Heimmannschaft schnell die Gefahr, dass man überdreht.
Wird am Ende der psychologische Vorteil, den die Kölner nach ihrer Aufholjagd auf ihrer Seite haben, das Rennen um den dritten Platz entscheiden?
Für die Spieler ist es sehr wichtig. Wenn man 15 Spiele ungeschlagen bleibt, geht man natürlich mit einer viel breiteren Brust in die Partie.
Matthias Scherz, schafft der FC am Ende sogar noch den Aufstieg?
Zunächst muss sich Köln auf das Erreichen des Relegationsplatzes fokussieren. Alles weitere hängt dann vom jeweiligen Gegner ab. Hoffenheim wäre aber sicherlich die leichtere Aufgabe im Vergleich zum FC Augsburg.