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Seite 2: „Es war nicht verdient, dass andere abgestiegen sind“

Was haben Sie sich von Ihrem ersten Gehalt gekauft?
Ich habe meinen Eltern ein Haus gebaut. Damit sie mal etwas teilen können, Freunde in den Garten oder den Par­ty­keller ein­laden. Aller­dings haben sie später manchmal gesagt, dass ihnen die 60-Qua­drat­meter-Woh­nung auch gereicht hätte, es müsse schließ­lich alles gepflegt werden.

Hat Sie das viele Geld nicht glück­li­cher gemacht?
Ich war wäh­rend meiner Kar­riere glück­lich, aber nicht wegen des Geldes. Es waren eher kleine Momente. Ich erin­nere mich etwa gerne an die ersten Trai­nings bei Dick Advo­caat in Glad­bach.

Was war daran so bemer­kens­wert?
Ich hatte vor ihm schon einige Male bei den Profis mit­trai­niert, wurde aber immer wieder zur zweiten Mann­schaft zurück­ge­schickt. Da war ich bald der Run­ning Gag. Na, biste wieder hier?“, hieß es immer, wenn ich wieder meinen Spint ein­räumte. Dann kam Advo­caat, und bei einer Ein­heit fehlten ihm Spieler. Irgend­je­mand sagte zu ihm: Da ist doch dieser Jansen auf der Geschäfts­stelle!“

Auf der Geschäfts­stelle?
Da habe ich damals Zivil­dienst gemacht, von mor­gens um acht bis 15 Uhr. Wäh­rend ich eines Tages die Pässe unserer Jugend­spieler alpha­be­tisch sor­tierte, klin­gelte das Telefon und Advo­caats Co-Trainer war dran: Mar­cell, was machste?“ – Ja, arbeiten natür­lich.“ – Kannste kommen?“ – Ich habe keine Sachen!“ – Nimmst du vom Haus­weiler.“ Markus Haus­weiler hatte glück­li­cher­weise die­selbe Schuh­größe. So ging das ein paar Mal, bis ich dabei­blieb. Und in der Rück­runde lief ich bei jedem Spiel der Profis auf.

Zwei Spiel­zeiten später, im Sommer 2007, stieg der Klub ab, und sie wech­selten nach 14 Jahren bei der Borussia zum FC Bayern. Die Fans haben Ihnen das krumm­ge­nommen. Wie haben Sie reagiert?
Wissen Sie, ich mag Kon­flikte. Zumin­dest, wenn sie von Ange­sicht zu Ange­sicht aus­ge­tragen werden. Vor Dis­kus­sionen am Trai­nings­zaun habe ich mich nie gedrückt. Die meisten Fans hatten ver­mut­lich ange­nommen, ich sei das größte Arsch­loch unter der Sonne, ein arro­ganter Schnösel, der nur aufs Geld guckt. Als ich mich aber mit ihnen unter­hielt, merkten einige, dass ich gar nicht so viel anders bin als sie.

Die Fans ver­missen im modernen Fuß­ball auch Spieler wie Uwe Kamps oder Uwe Seeler. Kann es solche One-Club-Men heute über­haupt noch geben?
Es ist schwierig. Was in der Kritik oft zu kurz kommt, ist der Blick auf die Schnell­le­big­keit des Fuß­balls. Du kannst als Iden­ti­fi­ka­ti­ons­figur eines Ver­eins sagen: Ich bleibe für immer. Und dann spielst du in der nächsten Saison fünf Spiele schlecht – und der Trainer setzt dich plötz­lich auf die Bank. Oder es kommt ein neuer, der über­haupt nichts mit dir anfangen kann. Du hast viel­leicht immer noch das­selbe Poten­tial, aber nun sind die Vor­aus­set­zungen ganz andere.

Auch die Presse hat Sie damals oft­mals kri­ti­siert. Zurecht?
Ich hatte mit meinem Vater und meinem Berater stets zwei scharfe und gute Kri­tiker. Wenn ich schlecht spiele, kann man mir das sagen. Womit ich aber ein Pro­blem hatte, war die Erwar­tungs­hal­tung einiger Leute. Ich erin­nere mich noch gut an die Zeit nach meinen ersten Län­der­spielen 2005. Kurz zuvor war ich noch das Fohlen, der Glad­ba­cher Jung, der total sym­pa­thisch ist. Plötz­lich war ich der stink­reiche Super­star, der sich daran messen lassen muss, dass er Natio­nal­spieler ist. Jour­na­listen sagten mir: Du wirst jetzt härter bewertet.“ Ich ver­stand die Welt nicht mehr – ich war doch in den paar Wochen kein anderer Mensch und auch kein anderer Spieler geworden.

Sie sagten kurz vor Ihrem Wechsel zum FC Bayern: Es ist vieles von meiner Liebe ver­lo­ren­ge­gangen.“ Wann haben Sie Ihren Frieden mit Glad­bach gemacht?
Ich war mit dem Verein nie im Krieg. Das ist und war immer ein toller Klub, mit fan­tas­ti­scher Jugend­ar­beit. Ich bin der Borussia für immer dankbar. Das Geilste war, dass ich im nächsten Jahr mit Bayern die Meis­ter­schaft und den Pokal­sieg feiern konnte – und bei Glad­bach auf der Auf­stiegs­feier mit auf der Bühne stand. Als Fan. Das war mein per­sön­li­ches Happy End, das ich gebraucht habe.

In Mün­chen blieben Sie nur eine Saison. Sind Sie dort geschei­tert?
Mir haben vorher alle gesagt, du spielst ja sowieso nicht. Dann habe ich in einer Saison weit über 30 Spiele in drei Wett­be­werben gemacht, viele davon in der Startelf. Und das trotz einer lang­wie­rigen Ver­let­zung.

Als Jürgen Klins­mann im Sommer 2008 über­nahm, riet er Ihnen zu einem Wechsel. Sie gingen zum HSV, dem dritten großen Bun­des­li­ga­klub in Ihrer Vita. Gab es auch andere Mög­lich­keiten?
Ja, aber die kamen für mich nicht in Frage. Es mag kit­schig klingen, aber Fuß­ball bedeutet für mich auch, ein Leuchten in den Augen von zig­tau­senden Fans zu sehen. Eine beson­dere Energie im Sta­dion zu spüren. Und letzt­end­lich ist es auch was anderes, wenn du vor fünf Leuten oder bei einem Tra­di­ti­ons­klub vor 500 oder 5000 trai­nierst.

In diesem Sommer haben viele Fans dem Tra­di­ti­ons­klub Ham­burger SV trotzdem eher den Abstieg gewünscht als dem SC Pader­born. Nach­voll­ziehbar?
Durchaus. Der HSV hat viel bes­sere Vor­aus­set­zungen als andere Klubs, die jedes Jahr gegen den Abstieg kämpfen. Wenn man die Ver­eins­brille abnimmt, war es nicht ver­dient, dass andere abge­stiegen sind. Aber ich war eben auch HSV-Spieler und HSV-Fan. Und ich bin mir eigent­lich auch sicher, dass die meisten Fans anderer Klubs ins­ge­heim doch lieber nach Ham­burg fahren als zum nächsten Pro­vinz­verein.