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Ahmed Kutucu, Ihr Vater war 33 Jahre lang Berg­mann in Gel­sen­kir­chen, Sie sind hier geboren und seit der U12 schon bei Schalke 04 – mehr Gel­sen­kir­chen geht kaum.
Das stimmt. Ich wohne in Gel­sen­kir­chen Bis­marck, das ist eine Bergbau-Gegend, die bekannt ist durch die Zeche Consol“, die hier bis heute steht. Aber ich sage immer: Ohne den Fuß­ball würde die Stadt kaum jemand kennen. Klar, Zeche und Bergbau machen die Region schon bekannt, aber der Fuß­ball spielt schon immer eine große Rolle. 

Dann sind Sie also auch früh zum Fuß­ball gekommen?
Defi­nitiv. Wir haben schon als wir ganz kleine Kinder waren, immer so lange bei uns im Hof gespielt, bis wir ver­scheucht wurden. Dann sind wir zum Fuß­ball­platz gegangen, der etwa drei bis vier Minuten von mir zu Hause ent­fernt ist. Manchmal war das etwas schwierig, weil wir ja erst sechs, sieben Jahre alt waren und wir alleine hin­laufen mussten. Das fanden die Eltern nicht immer gut. Sonst war ich oft an der Zeche Consol, nach der Still­le­gung wurde dort ein Park errichtet, da gab es sogar geteerte Bolz­plätze, keine Asche­plätze. 

Dabei gelten Sie als Fan von Asche­plätzen. 
Ich habe letz­tens erst gesagt, dass ich auf Asche immer noch grät­schen würde. Das habe ich damals gemacht, das würde ich heute noch tun. Es gehört ein­fach zum Fuß­ball dazu, egal wo man spielt. 

Die viel zitierte Malo­chermen­ta­lität also. 
Mit sechs bin ich bereits zu Rot-Weiss Essen gewech­selt, vorher habe ich bei den Sport­freunden Haver­kamp gespielt. Bei einem Spiel war ein Scout am Platz, der mich gesehen und zum Pro­be­trai­ning ein­ge­laden hat. Bei RWE habe ich dann meis­tens mit zwei bis drei Jahre Älteren in einer Mann­schaft gespielt, da haben die anderen Eltern teil­weise etwas schräg geguckt. Ich war ja viel kleiner als alle anderen. Aber im Nach­hinein muss ich sagen, dass es das Beste ist, was mir pas­sieren konnte, weil man lernt, sich durch­zu­beißen. 

Stich­wort andere Eltern“ – wie fanden es Ihre Eltern, dass Sie so früh, so viel in den Fuß­ball inves­tiert haben?
Die haben mich immer unter­stützt, das ist auch heute noch so, des­wegen wohne ich ja auch noch zu Hause. Das wird sich, ver­mut­lich bis ich hei­rate, höchst­wahr­schein­lich auch nicht ändern. Alleine zu wohnen ist momentan noch nichts für mich. Wenn ich mal ein schlechtes Spiel gemacht habe, ist es schön zu wissen, dass jemand zu Hause ist, mit dem man das bereden kann. 

Einer der Sie auch viel unter­stützt, ist Nor­bert Elgert. Er sagte einmal über Sie: Ein wei­teres Wunder aus der Knap­pen­schmiede“. 
Zu Herrn Elgert habe ich einen super Draht. Er hat mich sehr weit gebracht, weil er es geschafft hat, meine Zweifel, die ich zu Beginn bei der U19 hatte, zu besei­tigen. Unter ihm habe ich sogar alle Läufe gerne gemacht, weil ich wusste, dass es mir helfen würde.

Sie haben dieses Jahr zusätz­lich noch ihr Abitur gemacht. Wie muss man sich Ihren Tages­ab­lauf vor­stellen? 
Wäh­rend der Zeit bei der U19 bin ich recht früh auf­ge­standen, gegen 6:45 Uhr, habe gefrüh­stückt, wobei man sagen muss, dass ich mor­gens nie viel Hunger hatte. Meis­tens gab es des­wegen nur einen Kaffee und eine Banane. Bis um 16 Uhr war ich in der Schule, dann ging es direkt weiter zum Trai­ning. Seitdem ich bei den Profis bin, ist mein Tag etwas schwie­riger zu koor­di­nieren, die trai­nieren ja auch oft mor­gens. Das haben wir im End­ef­fekt aber gut hin­be­kommen, jetzt muss ich noch auf die Noten­be­kannt­gabe warten und hoffe, in keine Nach­prü­fung zu müssen. 

Bei so einem voll­ge­packten Tages­ab­lauf gestaltet sich das Pflegen sozialer Kon­takte sicher schwierig.
Bei den Profis habe ich sogar mehr Zeit, mich mit Freunden zu treffen, weil ich nicht so lange in der Schule und dem­entspre­chend früher fertig bin. Dann kann ich mich abends nochmal mit Freunden treffen. Aber es stimmt, ich habe meine Familie, meine zwei besten Freunde und noch ein paar Kum­pels.

Das Derby gegen Borussia Dort­mund war dann sicher für Sie und ihre Familie ein beson­deres Spiel. 
Ja, klar! Ich war früher oft Ball­junge, habe Raul spielen sehen oder die Vor­lage mit der Hacke von Draxler bei Rauls Abschieds­spiel, sowas war schon krass. Ich hatte schon eine etwas andere Ver­bin­dung zu diesem Spiel, ich ver­bringe quasi mein ganzes Leben mit Schalke. Da ist es ein­fach was Beson­deres. Im Derby selbst saß ich aber nicht als Fan, son­dern vor allem als Spieler auf der Bank. Wir haben ein super Spiel gemacht und danach mit den Fans gefeiert – für sie hat es mich beson­ders gefreut, dass wir gewinnen konnten. Sie hatten sich das wirk­lich ver­dient. Wir haben diese Saison viele schlechte Spiele gemacht, das muss man so deut­lich sagen und zugeben. 

Ist die Kritik der Fans denn gerecht­fer­tigt? 
Ja, auf jeden Fall. Als Spieler ist das natür­lich nicht immer ein­fach, aber es gehört dazu. Als Ben­jamin Stam­bouli zum Bei­spiel die Kapi­täns­binde abge­nommen wurde, war das schon kein schöner Moment für uns. Er per­sön­lich konnte nichts dafür und so etwas vor 60.000 Leuten zu erleben, wünscht man keinem. Nach dieser schwie­rigen Saison sollten wir alle jetzt das große Ganze sehen: Wir sind ein Verein. Und wir haben die Situa­tion irgendwie zusammen gemeis­tert, jetzt müssen wir daraus lernen und können neu anfangen. 

Hinter Ihnen liegt jetzt eine sehr anstren­gende Saison – gehen Sie erleich­tert in die Som­mer­pause? 
Diese Saison war schon sehr viel los. Des­wegen bin ich einer­seits froh erst einmal etwas Ruhe zu finden, ande­rer­seits gibt es natür­lich nichts, was mir mehr Spaß macht als Fuß­ball zu spielen. Wahr­schein­lich werde ich es in ein paar Tagen schon ver­missen, aber gerade als junger Spieler ist es wichtig, sich auch Pausen zu nehmen.

Wie war es für Sie in zwei ver­schie­denen Mann­schaften zu spielen? Sie füllen sicher unter­schied­liche Rollen inner­halb der Teams aus.
Ein Spiel habe ich sogar noch für die U23 gemacht. Für mich war immer klar: Alles was ich bei den Profis erlebe, ist Bonus. Ich hatte dort Hochs, wie mein Tor gegen die Bayern. Es gab aber auch Tiefs, in denen ich nicht gespielt habe und auch nicht ein­ge­wech­selt wurde. In dieser Zeit kommt man schnell ins Grü­beln und fragt sich, ob man gut genug ist. Wenn ich bei den Profis nicht zum Ein­satz gekommen bin, dann habe ich immer nach­ge­fragt, ob ich bei der U19 spielen kann. Gerade bei den Halb­fi­nals der deut­schen Meis­ter­schaft, gegen Borussia Dort­mund, war es für mich per­sön­lich wichtig, dabei zu sein. 

Was tun Sie, wenn Sie beginnen zu zwei­feln?
Ich spreche viel mit meiner Familie. Auch meine besten Freunde und mein Berater sind wich­tige Bezugs­per­sonen in diesen Momenten. Manchmal will ich auch mit nie­mandem reden, son­dern mich ein­fach ablenken. Den Fuß­ball ein­fach kurz ruhen lassen.

Das können Sie nun in der Som­mer­pause machen. Wie sind die Pläne für die kom­mende Saison?
Ich bin ganz normal bei den Profis bei der Vor­be­rei­tung und dann sehen wir weiter. Ich hoffe, dass ich auf meine Ein­satz­zeiten komme. Spielen ist momentan für mich und meine Ent­wick­lung das Wich­tigste.

Im Sommer ist auch noch die U21-EM, Sie spielen für die tür­ki­sche U19-Natio­nal­mann­schaft. Haben Sie schon ent­schieden, für welche Natio­nal­mann­schaft sie später spielen wollen? 
Ich halte mir da alles offen, ich habe noch nichts ent­schieden. Da ich bis­lang nur für die Junioren gespielt habe, kann ich auch noch wech­seln. 

Leon Goretzka hat nach ras­sis­ti­schen Anfein­dungen beim Spiel der deut­schen Natio­nal­mann­schaft gesagt: Ich bin ein Kind des Ruhr­ge­biets. Da ant­wortet man auf die Frage nach der Natio­na­lität Schalke, Dort­mund oder Bochum. Für uns ist Inte­gra­tion kein Thema, son­dern Selbst­ver­ständ­lich­keit“ Spielt Her­kunft für Sie eine Rolle?
Nein, wir sind alle Men­schen. Mich inter­es­siert es nicht, ob einer Türke, Afri­kaner oder Deut­scher ist. Ob er in Europa geboren ist. Es ist egal welche Reli­gion, egal welche Haut­farbe oder Haar­farbe jemand hat. Wir sind alle Men­schen und man sollte jeden Men­schen gut behan­deln. Für Ras­sismus besitze ich kei­nerlei Tole­ranz. Affen­laute oder Ähn­li­ches sind ein­fach nicht kor­rekt, die Leute wollen selbst auch nicht so behan­delt werden. Ich respek­tiere grund­sätz­lich jeden.