Heute vor 50 Jahren erfand Eintracht Braunschweig die Trikotwerbung. Oder? Nein, die Geschichte beginnt bei einem Zweitligisten aus Rheinhessen.
In der Bundesligaschule haben wir alle durchgenommen, dass Eintracht Braunschweig am 24. März 1973 – heute vor 50 Jahren – die Trikotwerbung einführte, als die Elf mit dem Jägermeister-Logo auf der Brust gegen Schalke antrat. Dabei lag die wahre Premiere da bereits sechs Jahre zurück. Denn am zweiten Spieltag der damals zweitklassigen Regionalliga Südwest betraten die Spieler von Wormatia Worms mit Reklame auf der Vorder- und Rückseite ihrer Trikots den Rasen zum Heimspiel gegen den SV Alsenborn. Als ob das nicht schon Innovation genug gewesen wäre, fügten die Wormser auch noch ein Detail hinzu, das selbst Jägermeister später nicht einfiel: Auf dem linken Hosenbein trugen die Spieler das Logo ihres Werbepartners spazieren.
Am nächsten Tag, dem 21. August 1967, berichtete der „Kicker“: „In Worms war die Sensation schon beim Einlaufen der Mannschaften perfekt. Wormatia erschien mit den Schriftzügen eines Straßenmaschinenunternehmens als Werbeschrift auf dem weißen Trikot und dem Firmenwappen auf der roten Hose. Die Reaktion des Publikums: Beifall und Lachen.“ Weniger amüsiert war man beim Verband. Zwei Tage vor der Partie hatte Wormatias Vorsitzender Hans Walter Stein sich erkundigt, ob es in den Satzungen einen Passus gäbe, der diese Art von Werbung verbot. Vom DFB-Pressechef Dr. Wilfried Gerhardt erhielt er die Antwort, dass sich in den Vorschriften des Regionalverbandes Südwest nichts dazu fand. Also ging Stein mit der Firma Caterpillar, die in Worms eine Niederlassung unterhielt, einen Deal ein, der dem klammen Klub für ein Jahr Reklame 5000 Mark einbringen sollte.
Der Deal war nicht ganz so blauäugig, wie es klingen mag. So war Stein bewusst, dass das Fernsehen nun keine Ausschnitte von Spielen der Wormatia mehr zeigen würde, weil bei den öffentlich-rechtlichen Sendern Werbeverbot herrschte. Deswegen handelte der Klubchef mit der US-Firma Zusatzzahlungen aus, eine Art Ausfallhonorar. Im Gegenzug verhökerte er die erste Mannschaft praktisch mit Haut und Haaren an Caterpillar, denn Schriftzug oder Logo des neuen Werbeaprtners fanden sich nicht nur auf den Hemden und den Hosen, sondern auch auf den Trainingsanzügen der Spieler. Zudem setzte Wormatia nun schwarz-gelbe Fußbälle ein, weil dies die Farben des Unternehmens waren.
Kritik ließ nicht lange auf sich warten. „Wormatia Worms tat einen energischen, wenn auch nicht gerade sympathischen Schritt zur weiteren Kommerzialisierung des Leistungssports“, schrieb „Die Welt“ drei Tage nach dem Spiel gegen Alsenborn. „Ob es uns gefällt oder nicht, die Tabus eines traditionellen Idealismus werden immer stärker abgebaut.“ Der Vorsitzende der Rheinhessen sah die Sache eher pragmatisch. „Mit Tradition allein kann man keine Fußballer bezahlen“, sagte Stein. Die Wormatia musste auch deshalb jeden Pfennig zweimal umdrehen, weil die Stadt es dem Klub untersagt hatte, Werbebanden im Stadion aufzustellen. Schon regten sich Stimmen bei anderen finanzschwachen Klubs der Region, etwa in Homburg und Pirmasens, man solle dem Wormser Beispiel folgen und die Spielerbrust verkaufen.