Erling Haalands TV-Interviews sind mitunter – wie soll man es ausdrücken? – einmalig einsilbig. Und dennoch machen sie Spaß. Außer natürlich den beteiligten Reportern.
Der Reporter von „Sky“ dürfte sich in etwa so gefühlt haben wie zuvor die Schalker Innenverteidigung – ein Stück weit düpiert. Aber so wie Todibo, Sané & Co. hätten wissen müssen, dass Erling Haaland selbst kleinste Freiräume in Tore ummünzt, hätte auch der Field-Reporter gewarnt sein können: Haaland, dieser eiskalte Norweger, nutzt vor den TV-Mikros jede sich bietende sprachliche Abkürzung. Wenn man ihm Fragen stellt, die mit „Ja“, „Nein“, „Vielleicht“ oder „Warum nicht?“ beantworten werden können, lässt er sich die Chance nicht entgehen. Und so ereignete sich im Laufe des Flash-Interviews nach dem samstäglichen Revierderby (4:0, nur ein Haaland-Tor) folgender „Dialog“ in englischer Sprache:
„Warum haben Sie vor der leeren Südtribüne gefeiert?“
„Warum nicht?“
„War das eine Botschaft?“
„Ja.“
„Welche?“
„An unsere Fans.“
„Die bedeuten alles für Dortmund?“
„So ist es.“
Im Prinzip war damit alles beantwortet. Zehn Haaland-Treffer in neun Bundesliga-Spielen für den BVB sprechen ohnehin für sich. Doch im Journalisten-Lager gibt es auch jene, die mit spitzem Bleistift vorrechnen: Haaland habe bislang ungefähr doppelt so viele Tore erzielt wie Worte verloren. Der englische Fernsehreporter Piers Morgan (ITV) unterfütterte diesen Eindruck, als er bei Twitter einen Zusammenschnitt von Interviews hochlud, in denen der 19-Jährige gefühlt immer mit „Ja“ oder „Harte Arbeit“ antwortet. Morgans Schlussfolgerung: „Hmmm, ich würde sagen, er ist nicht auf grundlegende Manieren programmiert. Du bist ein guter Spieler, junger Mann @ErlingHaaland, aber deine Arroganz gegenüber den Medien ist unerfreulich.“
Einspruch, euer Ehren!, sagt der frühere Eintracht-Frankfurt-Profi Jan-Aage Fjörtoft (53). Haalands norwegischer Landsmann ist ein gefragter TV-Analyst (u.a. bei „Sky“) sowie Flash-Interviewer beim skandinavischen Streamingdienst „Viaplay“. Er hatte den Super-Youngster „geschätzt 15-mal vor dem Mikrofon“. Erling Haaland sei jemand, der sich so gut wie immer den Medien stelle, so Fjörtoft. Und: „Dieser Zusammenschnitt im Internet zeichnet ein völlig falsches Bild von ihm, weil darin nur seine kürzesten Antworten gezeigt werden. Der Junge ist 19 – mein Gott, andere 19-Jährige trauen sich nicht mal, ein Mädchen anzusprechen. Erling hingegen ist ein sehr kommunikativer, sympathischer Typ, wenn auch mit einem eigenen und ziemlich trockenen Humor: Gibst du ihm die Gelegenheit, mit Ja oder Nein zu antworten, dann kriegst du ein Ja oder Nein. Aber gerade die Engländer, die immer behaupten, Deutsche verstünden keinen Spaß, sollten doch eigentlich über so etwas lachen können.“
Der britische Kollege, der folgendes TV-Interview mit dem damaligen Salzburger Haaland führte, konnte dies offenbar nicht:
„Wie fühlen Sie sich jetzt?“
„Ich fühle mich sehr gut.“
„Sonst noch was?“
„Nun, Sie haben mich gefragt, wie ich mich fühle. Das habe ich beantwortet.“
„16 Tore in neun Spielen – was ist Ihr Geheimnis?“
„Harte Arbeit.“
„Sie kennen das Ergebnis von Liverpool, die haben heute 2:0 verloren. Sie reisen in zwei Wochen nach Anfield, wo Ihr Vater 1997 getroffen hat. Wollen Sie ihm das gleichtun?
„Das hoffe ich.“ (Der offenbar konsternierte Reporter beginnt zu stammeln, ringt nach Luft und bringt schließlich einen sonderbaren Laut hervor, der wie „Abbruch“ klingt.)