Es ist der 6. August 2007. Der SV Wacker Burg­hausen trifft im DFB-Pokal auf den FC Bayern Mün­chen. Es ist das letzte Spiel der ersten Runde, ein Mon­tag­abend­spiel. Die Bayern haben ordent­lich auf­ge­rüstet und ihre neuen Stars alle­samt im Gepäck. Franck Ribery bestreitet sein erstes Pflicht­spiel für den Rekord­meister, Miroslav Klose eben­falls. Alles andere als ein deut­li­cher Sieg gegen die gerade aus der zweiten Liga abge­stie­genen Burg­hau­sener scheint aus­ge­schlossen. Doch es kommt natür­lich anders. 

Weil sich Manuel Rie­mann, der gerade erst Stamm­keeper in Burg­hausen geworden ist, den unzäh­ligen Angriffen des Rekord­meis­ters mit allem ent­ge­gen­wirft, was er zu bieten hat. Der kicker“ zählt fünf Paraden des gerade einmal 18 Jahre alten Wacker-Tor­hü­ters – zwi­schen der 17. und 27. Minute. Auch nach dem Sei­ten­wechsel geht es so weiter, Rie­mann scheint ein­fach nicht zu über­winden.

Zwei Paraden, ein Treffer – gegen Kahn

Es waren auch viele Bälle dabei, die ich ein­fach halten musste“, sagte Rie­mann später nüch­tern zu seiner Leis­tung. Und wenn man einmal drin ist in so einem Spiel“, sagt er, wenn ein Angriff nach dem nächsten auf einen zurollt, dann ist es für einen Tor­hüter auch ein­fa­cher, über sich hin­aus­zu­wachsen.“

Als Burg­hausen dann durch Thomas Neu­bert über­ra­schend in Füh­rung geht, liegt plötz­lich sogar eine Sen­sa­tion in der Luft. Einmal jedoch ist Rie­mann machtlos. Miroslav Klose köpft den Aus­gleich. Es geht in die Ver­län­ge­rung. Danach ins Elf­me­ter­schießen. Und die Rie­mann-Show geht in die finale Phase. Er pariert die Elf­meter der Argen­ti­nier José Sosa und Martin Demi­chelis. Schließ­lich schreitet er selbst zum Punkt – und lässt Oliver Kahn keine Chance.

Der fünfte Wacker-Schütze Markus Pal­lionis kann Burg­hausen eine Runde weiter schießen, die Sen­sa­tion ist zum Greifen nahe. Doch nun fühlt sich Oliver Kahn ange­sta­chelt, pariert erst diesen, dann den nächsten Elf­meter. Weil Chris­tian Lell zwi­schen­durch getroffen hat, schrammt der FC Bayern haar­scharf an einer Bla­mage vorbei und kommt eine Runde weiter. Ein paar Monate später gewinnt er den Pokal. Und Rie­mann? Der ist irgendwie der Held des Abends, doch auch einer der Ver­lierer. Er schüt­telt sich, wird für seine Paraden im Sta­dion gefeiert, grüßt vor lau­fenden Kameras seine Freundin und seine Familie und fährt nach Hause.

200 Zuschrei­bungen

Als Rie­mann einen Tag später vor dem Trai­ning die Kabine betritt, traut er seinen Augen nicht. Plötz­lich lagen da knapp 200 Briefe, alle­samt an mich gerichtet. Fan­post“, erzählt der junge Tor­wart. Da wurde mir so langsam klar, dass die Sache doch noch nicht zu Ende war.“ In der Folge pras­selt ein unge­ahnter Medi­en­an­sturm auf den Dritt­liga-Tor­hüter ein. Die Bild“ wit­tert die Mög­lich­keit, mit der Geschichte des neuen Tor­wart­ta­lents für die kom­menden Wochen ihre Seiten zu füllen, auch die Süd­deut­sche Zei­tung“ macht ihn zum Thema, der Spiegel“ ebenso. Und Rie­mann macht mit. Bereit­willig gibt er Aus­kunft, behauptet frech, dass die Natio­nal­mann­schaft sein Ziel ist, holt seine Freundin Tina zu einem Foto­shoo­ting hinzu und ver­mit­telt ihr ein Inter­view mit der Bild“-Zeitung.

Das Lob kommt sogar von höchster Stelle: Da stand einer im Tor, der hat einen Magneten im Hand­schuh“, sagt Uli Hoeneß. In Burg­hausen erzählt man sich her­nach lange, der Mün­chener Macher habe sich eigen­händig die Nummer Rie­manns besorgt. Mein Ziel ist die Bun­des­liga. Wenn’s irgend­wann mit den Bayern klappt, hätte ich nichts dagegen“, sagt Rie­mann zu seinen wei­teren Kar­rie­re­plänen. Doch Hoeneß ruft nie an.