Rudi Assauer war Schalke 04. Und viel mehr. Eine Institution. Und eine Ausnahmeerscheinung. Hier erinnern sich unsere Autoren und Weggefährten an einen Mann, der niemanden kalt ließ.
Rudi hinterm Inter-Tor
Wenn wir mit der Familie in den Neunzigern zu einem wichtigen Spiel ins Parkstadion fuhren, schoben meine Eltern vor der Abfahrt immer eine VHS-Kassette Zwecks Aufzeichnung in den Rekorder. Es kam nicht selten vor, dass mein Vater nach der Rückkunft dann noch spät nachts auf Play drückte und sich nochmal die gesamten neunzig Minuten reinzog.
Das Spiel am 17. März 1998 war ein wichtiges. Schalke empfing im Jahr nach dem UEFA-Cup-Sieg erneut Inter Mailand und brauchte nach der 0:1‑Pleite im Hinspiel unbedingt ein Tor. Kurz vor Spielende bemerkten wir im Block 2, dass „Rudi gar nicht mehr bei Huub am Rand steht“. Wo war er? Sekunden später zirkelte der Belgier Michael Goossens den Ball von der Strafraumkante ins lange Eck, wie es eigentlich nur sein Gegenüber mit Namen Ronaldo konnte.
Zu Hause angekommen, schauten wir uns das Tor auf Kassette an. RTL hatte ausgestrahlt und Kommentator Florian König fast seine Stimme verloren: „Jaaaaaaaaaaaaa! Gibt’s denn daaas?!“ Dann zeigt die Kamera plötzlich Rudi Assauer, wie er direkt hinter dem gegnerischen Tor steht und jubelt. Was zum Teufel hatte er da (stilecht mit Zigarre) verloren? Man stelle sich vor, im CL-Viertelfinale 2019 kreuzt Sekunden vor Schluss unvermittelt BVB-Sportdirektor Michael Zorc hinter Tottenhams Hugo Lloris auf und mimt den Antreiber!
Dann gibt Assauer einem vorbeihuschenden Balljungen einen ordentlichen Klaps auf die Backe – ein Bild, das ich nie wieder losgeworden bin. Irgendwo zwischen „Ich hab’s doch gesagt!“ und „Du kommst mir nie wieder mit ’ner Fünf aus der Schule!“ ist da dieser nahbare Manager, der auf Außenstehende wie ein aalglatter Pate wirkte, doch die eigenen Fans und Spieler behandelte wie ein Vater. Ein Klaps eben, der tadelt und beruhigt zugleich, nicht zu weich und nicht zu hart. Und so war da für uns Fans immer dieses sichere Gefühl: Assauer hat Schalke im Griff. Wer kann und konnte das je behaupten?!
Heiko Rothenpieler