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Die Seele des Fuß­balls
Es gibt viele Anek­doten im Leben des Rudi Assauer – und diese vier­ein­halb Minuten im Mai 2001“. Auf Ewig haben sie sich ins Schalker Gedächtnis ein­ge­brannt und letzt­lich auch in meines. Der Moment in der Geschichte der Bun­des­liga und in meiner Report­erlauf­bahn. Der Meister der Herzen“ und ich, der Reporter der Schmerzen“. Fast jeder Fuß­ballfan weiß, wovon ich rede. Ich erspare mir, das nochmal aus­zu­führen, gleich­wohl der Film“ auf der Fest­platte in meinem Schädel von Zeit zu Zeit ein­fach auto­ma­tisch abläuft. Die Seele des Fuß­balls lebt im Ruhr­pott und Du hast sie ver­kör­pert wie kaum ein Zweiter. Lieber Rudi, ich hoffe, dass ich Dir irgend­wann die Schale mit nach oben bringen kann. Ich glaube, ich bin Dir noch was schuldig.

Rollo Fuhr­mann, Fuß­ball-Reporter

Herr Fra­ge­steller
Es muss 2007 gewesen sein, da saß ich mit Rudi Assauer beim DSF-Dop­pel­pass. Um beim feucht­fröh­li­chen Stamm­tisch nicht unter­zu­gehen, lohnte es sich schon damals, ein paar grif­fige Thesen parat zu haben. Zumal es an diesem Sonntag im Dop­pel­pass neben der aus­führ­li­chen Ana­lyse des FC Bayern auch um den FC Schalke 04 gehen sollte. Ich hätte mir jedoch jede Vor­be­rei­tung sparen können, Rudi Assauer bestritt gemeinsam mit Jörg Won­torra die Sen­dung nahezu allein. Wir Jour­na­listen dienten allen­falls dazu, hin und wieder nickend oder schmun­zelnd ein­ge­blendet zu werden, ansonsten duel­lierten sich die beiden Sil­ber­rü­cken mit einem beein­dru­ckenden Arsenal an Stamm­tisch­weis­heiten, flotten Sprü­chen und abschät­zigen Bemer­kungen über den Sach­ver­stand des jeweils anderen. Immer wenn Won­torra den Schalke-Manager mit irgend­einem unschönen Faktum (Punk­te­stand, finan­zi­elle Situa­tion, was auch immer) kon­fron­tierte, verzog Assauer spöt­tisch das Gesicht und schwieg erst einmal ein paar Sekunden, bis die ange­trun­kenen Zuschauer an den Bier­ti­schen schon ganz unruhig wurden. Und dann bequemte er sich und lei­tete seine Ant­wort stets mit dem Intro ein: Herr Fra­ge­steller…“, ganz so als habe sich Klipp­schüler Won­torra in einer Deutsch­stunde zu Wort gemeldet. Da lachte das Publikum und hörte auch nicht auf, wenn Assauer in seiner Ant­wort weder auf die Frage ein­ging, noch sonst allzu Erhel­lendes von sich gab. So ging das zwei Stunden und dann war auch schon alles vorbei. Als Jörg Won­torra schließ­lich die Sen­dung abmo­de­rierte, erhob sich Assauer mit gespieltem Stöhnen aus dem roten Sessel und zwin­kerte mir dezent zu. Das hatte ihm Spaß gemacht. Und uns auch.

Philipp Köster

Bewe­gende Erin­ne­rungen
Ich habe Rudi Assauer nur einmal per­sön­lich getroffen, falls man das so nennen kann, wenn zwei Leute sich im selben Pres­se­raum befinden. Das war im November 2000, bei einem Pokal­spiel zwi­schen Schalke 04 und Borussia Dort­mund. Wie pas­send, denn obwohl er heute vor­nehm­lich als Schalker wahr­ge­nommen wird, war und blieb er auch ein echter Borusse, wes­halb sein Tod am Borsig­platz fast ebenso tief betrauert wird wie am Schalker Markt.

Man sieht das auch daran, dass mir Assauer später immer wieder bei irgend­wel­chen Buch­pro­jekten begeg­nete. So hörte ich schon einige Monate, bevor sie publik wurde, von seiner Alz­heimer-Erkran­kung, und zwar auf Umwegen durch Dieter Hoppy“ Kurrat, seinen ehe­ma­ligen Mann­schafts­ka­me­raden beim BVB. Zwar konnte Hoppy die Dia­gnose nicht mit Namen benennen, aber seine Beschrei­bung ließ ver­muten, um was es sich han­delte.

Das geschah bei der Recherche zu einem Buch über die Fans des BVB, und in diesen Monaten fiel der Name Assauer noch viel häu­figer. Zum einen natür­lich, weil er zu den Helden von 1966“ gehörte, der ersten deut­schen Elf, die einen Euro­pacup gewann. Zum anderen aber auch, weil viele der älteren Anhänger von einem Kino erzählten, das ein Zweig der Familie Assauer bis in die frühen Sech­ziger am Borsig­platz betrieb. Zwar war Rudi selbst weder in Dort­mund geboren noch auf­ge­wachsen, doch wegen dieser Ver­bin­dung galt er einer bestimmten Gene­ra­tion von Dort­mun­dern als Junge vom Borsig­platz ehren­halber.

So richtig intensiv wurde die Beschäf­ti­gung mit Assauer dann aber im Herbst 2013, denn da begann ich, mit Werner Hansch an seiner Auto­bio­grafie zu arbeiten. Für ein sol­ches Pro­jekt braucht man ja eine bestimmte Moti­va­tion. Meine war es, die fas­zi­nie­rende und fast unbe­kannte Fami­li­en­ge­schichte von Hansch zu erzählen. (Sein Vater war in der Nazi­zeit aktiver Kom­mu­nist.) Hansch hin­gegen wollte das Buch machen, weil er wegen seiner langen Bezie­hung zu Assauer in das Thema Alz­heimer ein­ge­taucht war und eine Platt­form suchte, um die Alz­heimer-Initia­tive bekannt zu machen.

So saßen Hansch und ich oft und lange in einem Dort­munder Café, und sehr häufig kam dabei die Rede auf Assauer. Beson­ders bewe­gend waren Hanschs Erin­ne­rungen an einen Tag im November 2010, als er mit Assauer einen Auf­tritt vor dem Lions Club Borken im Schloss Raes­feld hatte. Die beiden wurden damals gerne gebucht, weil sie prima als Duo funk­tio­nierten. Wie Hansch sagte: Ein Ahnungs­loser, das war ich, stellte dumme Fragen über Fuß­ball und Rudi beant­wor­tete sie, indem er launig und humorig aus dem Näh­käst­chen plau­derte.“ Doch nicht an diesem Tag, denn da war Assauer fahrig, unkon­zen­triert, ver­gess­lich. Wenige Stunden später beich­tete er Hansch unter Tränen, dass irgendwas mit ihm nicht in Ord­nung war.

Hansch beschrieb mir ein­dring­lich, wie überall in Assauers Wohn­zimmer Kreuz­wort­rätsel und Denk­sport­auf­gaben her­um­lagen, mit denen er ver­zwei­felt ver­sucht hatte, sein immer flüch­tiger wer­dendes Gedächtnis zum Bleiben zu zwingen. Dann tranken wir schwei­gend unseren Kaffee. Mir wurde klar, dass Hansch auch des­halb an dem Buch inter­es­siert war, weil er gerade viel über Ver­gehen und Bewahren nach­dachte. Und weil er wollte, dass sein Freund Assauer, der immer mehr vergaß, in Erin­ne­rung blieb.

Uli Hesse