Gegen alle Gesetze der Branche hat sich bei Borussia Mönchengladbach ein etwas anderes Fanmagazin etabliert. 15 Jahre nach der Gründung ist „Torfabrik“ einflussreicher als je zuvor.
Im Laufe der Jahre profitierte „Torfabrik“ von den Entwicklungen im Fußballjournalismus. Dazu gehört einerseits das vielfältige Verlinkungswesen, denn der tägliche Pressespiegel auf der Website wird regelmäßig am meisten gelesen – durchaus zur Freude der professionellen Konkurrenz. Der Kollege eines großen NRW-Nachrichten-Portals steckte ihnen neulich: „80 bis 90 Prozent unserer Leser kommen über euch.“ Auf der anderen Seite gibt es in Zeiten von Twitter und Facebook kaum noch Exklusivität. Und sollte jemand irgendetwas zuerst vermelden können, ist es zehn Minuten später sowieso überall zu lesen. Trotzdem landet „Torfabrik“ dank eines verlässlichen Netzwerks von Zuträgern gelegentlich einen kleinen Scoop. Dass Luuk de Jong und Raffael nach Gladbach wechseln würden, konnten die Fans zuerst bei ihnen lesen.
Aber für die Leser ist noch etwas anderes wichtig. Zwar wächst die Seite am schnellsten während der Transferperiode, wenn alle wissen wollen, wer kommt und geht. Aber mindestens genauso groß ist das Interesse in Zeiten sportlichen Misserfolgs. Dann sind die Fans auf der Suche nach seriösen Erklärungen und fühlen sich auf „Torfabrik“ gut aufgehoben. So begreift Marc Basten die Unabhängigkeit als ihr größtes Gut. Und weil „Torfabrik“ nicht bedingungslos auf steigende Klickzahlen angewiesen ist, müssen die Macher auch keine Boulevardthemen mitnehmen. Dass Max Kruse einen Maserati fährt, ist für sie nebensächlich. „Und wenn nichts passiert, schreiben wir auch nichts. Wenn drei Zeitschriften eine Christoph-Kramer-Geschichte machen, brauchen wir das nicht auch noch zu tun“, sagt Basten.
Jantschke: „Die Jungs blicken einfach durch“
Einmal gab es sogar ein Übernahmeangebot der „Rheinischen Post“. Sie fuhren gemeinsam nach Düsseldorf, wo der zugehörige Verlag seinen Hauptsitz hat. Mit dabei war auch Mitgründer Olaf Kozany, ihr Webmaster und Fotograf. Sie wollten einfach wissen, wie sich das anfühlt, wenn man plötzlich solche Wertschätzung erfährt. „Wir haben es aber nie ernsthaft in Betracht gezogen, unsere Plattform zu verkaufen“, sagt Basten. Seit 2005 arbeiten sie dank einiger Werbebanner zumindest kostendeckend.
Als das Vormittagstraining vorbei ist, sitzen sie in der Stadionbar „Gladbach“ mit Tony Jantschke zusammen. Erstmals interviewt haben sie ihren Musterprofi, da war er gerade aus der zweiten Mannschaft hochgekommen. Er wiederum schätzt ihre Einzelbewertungen, empfindet sie als fair, jedenfalls meistens. „Die Jungs blicken einfach durch“, sagt Jantschke. In den fünf Jahren bei Borussia hat er sich angewöhnt, ihnen eine SMS zu schicken, wenn er doch mal über etwas stolpert. Einmal, als sie auf Schalke spielten, hatten seine liebsten Kritiker etwas falsch interpretiert. „Wir haben kurz darüber gesimst, und schon war alles wieder in Ordnung“, sagt Jantschke.
Diskussion mit Uwe Kamps
Dann kommt Uwe Kamps dazu, denn Basten hatte am Wochenende geschrieben, dass Gladbach ein Torwartproblem habe, wenn die Nummer eins, Yann Sommer, ausfällt. Kamps ist wild entschlossen, seine anderen Schützlinge zu verteidigen, denn er fürchtet, dass der Text von vornherein für eine negative Grundstimmung beim Publikum sorgt. So einflussreich ist „Torfabrik“ inzwischen. Kamps fragt Basten ab: Wie oft hat welcher Torwart vor der Saison gespielt? Er diskutiert über vermeintliche Fehler, und während seine Gesichtsfarbe zeitweise ins Rötliche wechselt, erklärt er dem schreibenden Fan die detailliertesten Feinheiten des Torwartspiels. Kamps weiß um die Fachkenntnis der „Torfabrik“-Macher und dass er sie inhaltlich überzeugen muss.
Erstaunlich an ihrem Erfolg ist, dass er einer gegen den Zeitgeist ist. Woanders ziehen die Vereine immer mehr die Berichterstattung an sich, vergrößern die Medienabteilungen und schotten die Profis ab. Auch in Mönchengladbach hat sich die Zahl der Mitarbeiter in diesem Bereich massiv erhöht, aber trotzdem geht morgens jeder Gladbach-Fan zuerst auf den Pressespiegel der unabhängigen Plattform, um sich auf den neuesten Stand der Dinge zu bringen.