Hector Zelaya ist in Honduras ein Volksheld. Weil er es war, der bei der WM 1982 das erste WM-Tor in der Geschichte seines Landes erzielte – gegen den Gastgeber Spanien. Vor dem zweiten Gruppenspiel seiner Nachfolger sprachen wir mit ihm.
Honduras‘ zarte Hoffnungen für die WM 2014 haben mit einem Mann zu tun, der jetzt in Brasilien gar nicht auf dem Platz stehen wird: Hector Zelaya. In dem zentralamerikanischen Land ist der heute 56-Jährige so bekannt wie der Staatspräsident – zumindest unter seinem Spitznamen „Pecho de Águilar“, „Adlerbrust“. Mit derart stolzer Brust stakste der eisenharte Verteidiger 1982 durch die spanische Hintermannschaft und schoss das erste von bis heute nur zwei WM-Toren des Landes. Im Interview mit 11FREUNDE erzählt der honduranische Volksheld auch, wie er nach diesem Tor für viel Geld in ebendieses Spanien transferiert wurde – und wie er mit dem Nationalteam einmal sogar einen europäischen Topklub namens Borussia Dortmund abschoss.
„Señor Zelaya“ oder „Pecho de Águilar“ – was ist Ihnen lieber?
Natürlich Pecho. So nennen mich alle.
Wieso eigentlich?
Der Adler ist das Maskottchen des Vereins, für den ich fast immer gespielt habe: CD Motagua. Und die Brust: Nun ja, so haben mich die Leute aus meinem Dorf immer schon genannt. Schauen Sie, wie ich laufe – die Brust immer etwas herausgestreckt.
Wie bei jenem legendären Tor 1982.
Ja. Vorrunde der WM: Wir kleinen Honduraner gegen den großen Gastgeber Spanien. In der siebten Minute steht es noch 0:0. Ein Spielzug aus dem Mittelfeld. Betancourt spielt zu mir. Ich laufe mit dem Ball, spiele am Strafraum einen Doppelpass mit Morales. Im Strafraum stehen noch insgesamt fünf Spanier, aber vor mir jetzt nur noch der Torwart. Ich treffe den Ball mit rechts und schieße über den Torwart ins lange Eck. „Golazo“ nennen wir so etwas in Lateinamerika – ein Traumtor. An dieses Tor erinnere ich mich noch, als wäre es gestern gewesen. Nur dass ich jetzt 32 Pfund mehr auf den Rippen habe (lacht).
Erinnern sich die Leute auf der Straße auch?
Na sicher, immer! Was ich da schon erlebt habe! Wildfremde Menschen erzählen mir, wo sie damals gerade waren, was sie in dem Moment gemacht haben. Es gibt Leute, die mich umarmen, als hätte ich das Tor gerade eben erst geschossen. Männer, die weinen, obwohl sie damals noch so kleine Kinder waren, dass sie es gar nicht selbst live im Fernsehen gesehen haben.
Es folgten ein 1:1 gegen Nordirland und ein 0:1 gegen Jugoslawien. Damit war Honduras bereits nach der Vorrunde ausgeschieden.
Okay. Aber das war die erste WM-Teilnahme für Honduras überhaupt. Und wir sind ein absolut fußballverrücktes Land. Da war dieses 1:1 zum Auftakt gegen Spanien, gegen den Gastgeber, gegen den wir sogar in Führung gegangen sind, fast wie ein kleiner WM-Titel.
Wie stark war Ihr Nationalteam damals?
Im internationalen Vergleich waren wir eine kleine Nummer. Wir waren wahrscheinlich das ärmste Team der WM. Ich habe zum Beispiel 900 Dollar im Monat verdient und war damit einer der Topverdiener. Aber wir waren sowieso eher vom Patriotismus geleitet, wir hatten einen wahnsinnig guten Zusammenhalt. Wir haben vor der WM hier in Tegucigalpa ein Dutzend Freundschaftsspiele gemacht und nur zwei verloren – alles Spiele gegen internationale Top-Teams wie Atletico Madrid, Benfica Lissabon, und auch gegen Borussia Dortmund.
Wie ging die Partie aus?
Ha! Da haben wir klar gewonnen. Ich glaube, ein 3:0 war das. Klar, die waren damals noch nicht zu vergleichen mit heute. Aber da kommt eine gute Mannschaft aus Europa zu uns nach Tegucigalpa und die schlägst du erst mal deutlich. Das ist schon ein gutes Gefühl. Gerade für mich, weil ich den deutschen Fußball immer schon geliebt habe. Die Menschen hier in Honduras verfolgen die Bundesliga regelmäßig – und die Erfolge von Bayern und Dortmund in der Champions League, so wie im vergangenen Jahr. Deutschland ist auch mein Favorit für die WM in diesem Jahr.
Was trauen Sie Honduras zu?
Wir haben schnelle und kräftige Spieler. Einige spielen ja auch schon in Europa – wie Wilson Palacios und Maynor Figueroa in der Premier League. Und wir haben in Luis Fernando Suárez einen sehr guten Trainer. Ich glaube, wir haben Möglichkeiten, eine gute Vorstellung abzugeben. Ecuador und Schweiz sind für uns machbar. Ich wünsche den Jungs alles Gute. Es handelt sich um ein nationales Interesse.
Reisen Sie als Glücksbringer mit?
Sie werden lachen. Die Nationalmannschaft hat mich echt immer als Glücksbringer mitgenommen – auch zur WM 2010 in Südafrika, wo wir ja immerhin mal ein 0:0 gegen die Schweiz geschafft haben. Dieses Jahr klappt es aber leider beruflich nicht.
Was machen Sie heute?
Seit zwölf Jahren arbeite ich für ein Projekt von Unicef: „Fútbol para la vida“. Damit versuchen wir, benachteiligten Kindern in Honduras über den Fußball zu helfen.
Kennen die Kinder Ihre Geschichte?
Ja. Die meisten erfahren sie schon von ihren Eltern. Beziehungsweise heute lesen viele sie im Internet nach.
Wie ging die Geschichte für Sie denn nach Ihrem Tor bei der WM 1982 weiter?
Nun ja, das hat wohl auch bei den Spaniern Eindruck hinterlassen. Gleich danach hat mich Deportivo La Coruña für eine hübsche Summe unter Vertrag genommen. Das war eine Erfahrung! Ich bin mit meiner Frau und Tochter hin, aber ich konnte leider nur ein paar Spiele machen. Wegen einer Verletzung, die ich mir schon zwei Jahre vorher geholt hatte. Also bin ich zurück in die Heimat und habe schließlich schon mit 25 meine Karriere beendet.
Moment: Heißt das, Sie haben Ihr legendäres Tor gegen Spanien 1982 mit einem Meniskusriss gemacht?
Ja. Ich war in der Zwischenzeit operiert worden, aber richtig verheilt ist das nicht. Ich hatte bei der WM deshalb richtige Schmerzen und unser Nationaltrainer Chelato Uclés wusste das. Aber auch wenn ich diese Verletzung deswegen heute noch spüre: Ich bin unserem Trainer so dankbar, dass er mich damals trotzdem mitgenommen hat. Sonst hätte ich all das nie erlebt.