Wenigstens erschütterte in diesem Jahr kein internationales Turnier die Fototermine. Sonst wären beim FC Bayern vielleicht mehr Spieler oben eingeklinkt gewesen, als das reale Mannschaftsbild hergegeben hätte. Doch auch wenn heuer weniger Protagonisten als üblich fehlen, ist die Darstellung wieder einmal so weit von der Wirklichkeit entfernt wie Doktor Fuentes vom Medizinnobelpreis: Ein Oliver Kahn, der seine Hände brav auf seine Knie legt, ist einfach nicht der alte Griesgram, als den wir ihn kennen. Und wo bitteschön lagert in diesem Moment seine wertvolle Herrenhandtasche, die er abseits des Spielfelds doch nie aus den Händen legt. Hält sie etwa Sepp Maier hinter dem Rücken versteckt, der direkt hinter Kahn platziert wurde, oder musste sie Reservist Rensing in dem blau-weißen Geldkoffer vor ihm verschwinden lassen? Das Festgeld von Uli Hoeneß wird sich darin ja jetzt nicht mehr befinden.
In der 1. Liga stapeln sich insgesamt 19 Koffer oder Taschen vor den Mannschaften, wobei Energie Cottbus mit fünf überflüssigen Behältnissen den Vogel abschießt. Beim FC Bayern dient ein futuristischer Ballkoffer einzig und allein dazu, Miroslav Kloses keinesfalls dreigestreiften Galoschen zu verbergen. Ebenfalls als sehr störend erweisen sich die riesigen, vorgelagerten Werbebanden, für die sich nicht weniger als 16 der 18 Klubs entschieden haben (in der 2. Liga sogar 18 von 18). Die rühmliche Ausnahme bilden hier der FC Bayern und Bayer 04. Wir fragen uns: Wie soll der interessierte Werder-Anhänger jetzt noch nachprüfen, ob die Waden von Leon Andreasen in Mainz dicker geworden sind? Wer hat Frank Rost beim HSV das Kissen untergeschoben, ohne das er gar nicht zu sehen gewesen wäre? Und kann es wirklich sein, dass ein Drittel des Fürther Kaders über eine Freak-Agentur vermittelt wurde, als „Mann ohne Unterleib“? Immerhin folgen nicht alle Vereine dem schlechten Vorbild des SC Paderborn, der die komplette lokale Handelskammer auf einer Art Klagemauer verewigt hat.
Holpriges, archaisches Geläuf am Horizont
Einige Mannschaften besaßen sogar den Anstand, spontan und angemessen auf den tragischen Tod von Klaus-Jürgen Wussow zu reagieren. Die Werkself und der Club ließen sich vor einer Schwarzwaldkulisse ablichten, die man zumindest in Leverkusen erstmal ausfindig machen muss. Schade nur, dass man vor lauter schwarzem Wald kaum noch die Mannschaft erkennen kann… Besser gemacht haben es vor allem Karlsruhe und Hoffenheim. Mit dem holprigen, archaischen Geläuf am Horizont huldigt man gleichzeitig dem Freizeitfußball und dem Blümchensex. Eine eigene Glosse wert wäre eigentlich die Umsetzung, für die sich der SV Wehen entschied. Damit auch wirklich jeder kapiert, dass man ab sofort zwei Ws im Herzen trägt, wurde auf einer lokalen Brache eine riesige Fototapete des Wiesbadener Casinos enthüllt. Bizarr ist auch die Hochhaussiedlung hinter dem Kader der SpVgg Greuther Fürth, mitsamt den handelsüblichen Satellitenschüsseln. Wollen wir hoffen, dass es sich nicht um das Jugendinternat handelt. Der Gesichtsausdruck von Aues Torwart Keller bestätigt derweil die Annahme, dass Springbrunnenplätschern dem Harndrang durchaus förderlich ist.
Dass jetzt republikweit jegliche Medizinmänner mit eingerückt wurden (bevorzugt in der kompletten mittleren Reihe), haben wir sicherlich Jürgen Klinsmanns Leibesübungen vor der WM zu verdanken. Die Ausweitung der Zweikampfzone mag für den Teamspirit eine wichtige Maßnahme sein, aber im Ernst: Was interessiert den S04-Fan schon der Ökothrophologe Frank und den HSV-Supporter der Leistungsdiagnostiker Düring? Und wie schön war es früher, als man über Jahre den Alterungsprozess des kauzigen Zeugwarts aktiv verfolgen konnte? Nur die TuS Koblenz (Betreuer Rörig) und der FC St. Pauli (Betreuer Dous) leisten sich heute noch solche Originale. Doch wenn wie beim Gazprom-Giganten mittlerweile 13 Betreuer 27 Spielern gegenüberstehen, haben sich die Proportionen unakzeptabel verschoben. Warum ist man dann nicht konsequent und macht eine vierte und fünfte Reihe auf – für die Ticket-Counter-Telefonstimmen und Merchandising-Shop-Mitarbeiter. An Fritzle beim VfB (Mitte, rechts), Ennatz beim MSV (Mitte, rechts) und Wölfi in Wolfsburg (vorne, links) haben wir uns ja auch schon längst gewöhnt. Einen Orden sollte man lediglich Felix Magath umhängen, der in der Autostadt für viel freien Platz gesorgt hat, als Geschäftsführer, Trainer und Manager in einer Person.
Fazit: Wir können uns wohl nur damit trösten, dass die Mannschaftsfotos noch nicht von der DFL normiert werden. So wundern wir uns wenigstens noch über die Stutzenstrapse von Stuttgarts Boka, Schalkes Kunert und Bielefelds Masmanidis. Fragen uns, womit Philipp Bönig (VfL Bochum) den scheinbar frei schwebenden Ball in der Luft hält. Und hoffen, dass FC-Teambetreuer Kus niemals als Türsteher in einem Kölner Club anfängt, den wir betreten wollen. Was wir nicht lösen konnten: Warum verschweigt der kicker ausgerechnet das Maskottchens der TSG Hoffenheim? Wir schauen gleich mal beim kicker-Manager-Spiel nach, ob „Hoffi, der Elch“ wenigstens dort gelistet ist…
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Einer flog über das Kuckucksnest – Die skurrilsten Mannschaftsfotos aller Zeiten www.11freunde.de/ballkultur/101810