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Der grüne Rasen in Girona ist akkurat gestutzt und fein säu­ber­lich gewalzt. Die roten Plas­tik­sitze sind auf Hoch­glanz poliert, die gelb-rot-gestreiften Eck­fahnen lie­be­voll geglättet. Alles ist ange­richtet für ein großes Match. Denn heute Abend, im Län­der­spiel gegen Vene­zuela (Anstoß 21 Uhr), will sich Kata­lo­nien der Welt­öf­fent­lich­keit prä­sen­tieren.

Als starke Fuß­ball­macht, die mit abso­luten Top­stars wie Barca-Ver­tei­diger Gerard Pique (32) oder Ex-BVB-Legionär Marc Bartra (28) trumpfen kann. Aber auch als eigen­stän­dige Nation, die mit Herz­blut und Lei­den­schaft für ihre Unab­hän­gig­keit von Spa­nien ein­tritt – auf den Straßen und Plätzen Bar­ce­lonas und nicht zuletzt auf dem Fuß­ball­feld. Ohne Gewalt, aber mit bemer­kens­werter Hart­nä­ckig­keit.

Ver­zwei­felter Blick über den Erd­ball

Doch die Welt­öf­fent­lich­keit wird wohl demons­trativ weg­schauen, weil sie nicht sehen will, was nicht sein darf: Eine Unab­hän­gig­keits­be­we­gung, die aus­ge­rechnet in Zeiten wie diesen die brö­ckelnde Euro­päi­sche Union mit zusätz­li­chen seis­mo­gra­phi­schen Aus­schlägen erschüt­tert. Eine Volks­gruppe, die das zusam­men­wach­sende Europa ad absurdum führt, indem sie selbst den Teil­staat Spa­nien infrage stellt. Eine Rebel­lion“, wie die Zen­tral­re­gie­rung in Madrid immer wieder in aller Schärfe pos­tu­liert.

Zwar wollen die rund 7,5 Mil­lionen Kata­lanen weder die EU sprengen, noch die euro­päi­schen Nach­barn ver­grätzen oder eine Rebel­lion vom Zaun bre­chen. Aber natio­nale Unab­hän­gig­keit wollen viele von ihnen schon. Und auf der Suche nach Akzep­tanz für ihre Sache lassen sie ihren Blick fast schon ver­zwei­felt über den Erd­ball wan­dern – auf der Suche nach mög­li­chen Ver­bün­deten.

Eine Ope­ra­tion Frei­heit“?

Einen sol­chen fanden sie nun aus­ge­rechnet in Vene­zuela, einem Staat, der seit Monaten ebenso iso­liert dasteht wie das unab­hän­gige Kata­lo­nien“. Und dessen oberste Reprä­sen­tanten, allen voran der Auto­krat Nicolas Maduro, inter­na­tional kaum mehr akzep­tiert ist als die Sepa­ra­tis­ten­führer in Bar­ce­lona.

Folg­lich sind Kata­lo­nien und Vene­zuela heute im 13.500 Zuschauer fas­senden Estadi Muni­cipal de Mon­ti­livi“ nicht so sehr Gegner. Viel mehr bilden sie eine Allianz der Geäch­teten. Zwar ist Vene­zuelas Legi­ti­ma­tion als Nation unum­stritten, doch immer mehr Staaten ver­sagen der der­zei­tigen Regie­rung ihre Aner­ken­nung und sehen statt­dessen in dem oppo­si­tio­nellen Par­la­ments­prä­si­denten Nicolas Guaidó den recht­mä­ßigen Staats­chef. Dieser kün­digte unter­dessen sogar an, Vene­zuela solle sich auf eine Ope­ra­tion Frei­heit“ ein­stellen.

Doch so lange das süd­ame­ri­ka­ni­sche Land de facto noch von Maduro gelenkt wird, ist es eben schwierig, Gegner für Län­der­spiele zu akqui­rieren. Da kam die Ein­la­dung aus Kata­lo­nien gerade recht. Dass diese aus­ge­rechnet an Vene­zuela erging, war natür­lich auch kein Zufall, denn Maduro stellte sich in der jün­geren Ver­gan­gen­heit wie­der­holt hinter Kata­lo­niens Unab­hän­gig­keits-Bestre­bungen. Das heu­tige Test­spiel bezeichnet der Noch-Regie­rungs­chef viel­sa­gend als Zei­chen der Freund­schaft und Soli­da­rität“.

Die FIFA ver­sagt der Partie den­noch ihren Segen. Kata­lo­nien ist nicht als eigen­stän­diger Ver­band aner­kannt. Das frei­lich hin­derte die Gast­geber nicht daran, das Ganze so zu zele­brieren wie ein hoch­of­fi­zi­elles Län­der­spiel: Schon vor Tagen prä­sen­tierte man das offi­zi­elle Trikot für diese his­to­ri­sche Begeg­nung“.

Live im spa­ni­schen Fern­sehen

Auf der Brust prangt das Wappen des kata­la­ni­schen Ver­bandes FCF. Dahinter ver­laufen Streifen in Rot und Gelb, wie auf der kata­la­ni­schen Flagge. Die Ärmel sind blau mit einem roten Zier­streifen und erin­nern an den FC Bar­ce­lona, von dem der Schrift­steller Manuel Váz­quez Mon­talbán einst behaup­tete, er sei die sym­bo­li­sche Streit­macht Kata­lo­niens ohne Waffen“. 

Auf der FCF-Home­page betont man der­weil aus­drück­lich, dass die heu­tige Ver­an­stal­tung das erste Län­der­spiel Kata­lo­niens sei, das wäh­rend einer offi­zi­ellen“ Län­der­spiel­pause der FIFA aus­ge­tragen werde. Und hinter den Kulissen streuen die Funk­tio­näre eifrig, dass man darin einen wei­teren Schritt in Rich­tung Eigen­stän­dig­keit sehe. Die heu­tige Begeg­nung wird sogar live vom spa­ni­schen Fern­seh­sender TV3 gezeigt.

Weit über das übliche Maß hinaus

Dass aus­ge­rechnet Gerard Piqué, der kürz­lich aus der offi­zi­ellen Natio­nal­mann­schaft Spa­niens zurück­trat, nun für Kata­lo­nien die Stiefel schnürt, bringt ihm außer­halb der auto­nomen Region natür­lich bei­ßende Kritik ein: Ich dachte, er wollte keine zusätz­liche Belas­tung durch Län­der­spiele mehr“, ätzt Piqués Intim­feind Sergio Ramos von Real Madrid.

Im Internet erfährt der Barca-Profi der­weil Belei­di­gungen und Dro­hungen, die weit über das im Fuß­ball übliche Maß hin­aus­gehen. Doch Klub­ka­merad Jordi Alba, ein Kata­lane, der wei­terhin für Spa­nien spielt, ver­tei­digt Piqué aus­drück­lich: Es ist doch einzig und allein Gerards Ent­schei­dung, wann er für wen auf­läuft.“

Xavi würde gern, darf aber nicht

Auch der alternde kata­la­ni­sche Super­star Xavi wäre heute gerne mit von der Partie gewesen. Doch der mitt­ler­weile 39-Jäh­rige, der seine Dol­lars beim kata­ri­schen Klub Al-Sadd ver­dient, darf nicht: Für nicht offi­zi­elle Län­der­spiele gibt es auch kei­nerlei Abstel­lungs­pflicht. Ich muss mit großem Bedauern mit­teilen, dass meine Ver­pflich­tungen mit dem Klub mir nicht ermög­li­chen, im Mon­ti­livi‘ dabei zu sein“, teilte Xavi des­halb via Insta­gram mit.

Mein Dank gilt dem kata­la­ni­schen Fuß­ball­ver­band … dafür, dass man mich in Girona dabei haben wollte. Ich hoffe, dass ich beim nächsten Mal kommen kann. Ich werde hier in Katar euer glü­hendster Fan sein. Es lebe Kata­lo­nien!“