Vor vier Tagen wurden die Oscars verliehen. Die großen Verlierer waren „Joker“, „1917“ und Borussia Dortmund. Denn obwohl niemand bessere Unterhaltung liefert als der BVB, ging er auch in Hollywood leer aus.
Es gibt ja die ungeschriebene Regel, dass jeder Text und jedes Gespräch über Lucien Favre als Trainer des BVB mindestens einmal die Wörter „Jürgen“ und „Klopp“ enthalten muss. Bringen wir es also schnell hinter uns und erinnern an dessen allererste Pressekonferenz in Dortmund. „Rasenschach wird es bei mir nie geben“, sagte Jürgen Klopp im Mai 2008. „Wenn Spiele langweilig sind, verlieren sie ihre Berechtigung.“ Damit hatte er die schwarz-gelben Herzen erobert, noch bevor er in die erste Trainingsjacke geschlüpft war.
Sein Nach-Nach-Nach-Nachfolger aus der Schweiz hingegen hatte in Westfalen von Beginn an einen schweren Stand. Vielleicht weil ihm sein ganz spezieller Ruf vorauseilte. Gleich der dritte Satz in Favres Wikipedia-Eintrag beschreibt ihn als „Taktiker und Perfektionist“, die Berliner Tageszeitung stellte ihn den BVB-Fans als „Grübler mit Matchplan“ vor, während seiner Zeit in Gladbach charakterisierte ihn die Süddeutsche Zeitung mal als „Kontrollfreak“, die Westdeutsche Zeitung titelte: „Zweifler, Zauderer, Bessermacher“.
Anders gesagt: Als der Mann, den sie seit frühester Jugend Lulu – sprich: Lülü – nennen, nach Dortmund kam, war den Fans klar, dass der nun unzweifelhafte Erfolg einen hohen Preis haben würde: langweilige Spiele. Dazu musste man noch nicht einmal die Interviews oder Pressekonferenzen mit dem neuen Trainer kennen, die bis heute so informativ und kurzweilig sind, als würde man Flüssigbeton beim Aushärten zusehen. Die Zukunft Dortmunds hieß Ballgeschiebe und Taktieren. Eben Rasenschach.
Tja, und nun – neunzehn Monate und zahllose Trainingseinheiten, Taktikschulungen, Einzelgespräche und Videoanalysen später – muss man staunend feststellen, dass ausgerechnet der Kontrollfreak und Perfektionist Favre Woche für Woche eine Elf aufs Spielfeld schickt, die als unterhaltsamste Fußballmannschaft seit der liebenswert bekloppten Truppe gelten kann, die Kevin Keegan Mitte der Neunziger in Newcastle aufbaute und die als the Entertainers in die Geschichte einging.
Wer sich nicht genau erinnern kann, dem sei erklärt, dass Newcastle damals alles in Grund und Boden schoss, zu Beginn der Rückrunde die Tabelle mit zwölf Punkten Vorsprung anführte – und dann alles noch verdaddelte, weil das Verwalten einer Führung einfach keine Option war. Als Rob Lee, einer jener Entertainer, vor ein paar Wochen in Newcastles Ruhmeshalle aufgenommen wurde, erinnerte er in seiner Dankesrede an die wilden Zeiten. „Klar, wir haben viele Tore kassiert, aber wir haben auch viele geschossen“, sagte Lee. „Wenn wir 2:1 vorne lagen, dann lautete die Maßgabe: Auf keinen Fall hinten dichtmachen! Darum geht es doch beim Fußball – wir wollen die Leute unterhalten.“