Wir bauen unsere Seite für dich um. Klicke hier für mehr Informationen.

Jetzt noch ein Remis in Auxerre und zack: Tit­ten­fick!“ Louis Nicollin ist zufrieden. Gerade hat sein HSC Mont­pel­lier Titel­ver­tei­diger OSC Lille geschlagen. Zwar hat gleich­zeitig auch Meis­ter­schafts­kon­kur­rent Paris Saint-Ger­main gegen Rennes gewonnen, doch das ist nicht weiter schlimm, solange Mont­pel­lier am letzten Spieltag in Auxerre nicht ver­liert. Diese Partie gerät dann aller­dings zu einer wahren Ner­ven­schlacht. Nach 70 Minuten steht es 1:1, als das Spiel unter­bro­chen werden muss, weil Fans von AJ Auxerre Ben­galos aufs Feld werfen, aus Unmut über den ersten Abstieg seit 32 Jahren. Louis Nicollin ist fix und fertig: PSG hat in Lorient bereits gewonnen, nun muss nur noch dieses ver­dammte letzte Spiel in Bur­gund abge­pfiffen werden, damit die Saison der Ligue 1 zu den Akten gelegt werden kann. Dann end­lich kommen die Teams zurück, die Gäste machen das 2:1 und der Mont­pel­lier Hérault Sport Club ist zum ersten Mal in seiner Geschichte fran­zö­si­scher Meister. Besser noch: Sie haben dem von einem kata­ri­schen Scheich üppig ali­men­tierten Haupt­stadt­klub PSG den fest ein­ge­planten Titel vor der Nase weg­ge­schnappt. Der Erfolg ist die gerechte Beloh­nung für einen Mann, der diesem Verein sein ganzes Leben gewidmet hat. 1974 ist das Geburts­jahr des HSC Mont­pel­lier, wie man ihn heute kennt. An der Spitze: Louis Nicollin, Chef einer Ent­sor­gungs­firma, dessen Vater ihn einst wie einen ganz nor­malen Ange­stellten den Müll vor die Tür bringen ließ, bevor er den Fami­li­en­be­trieb über­nehmen durfte. Nicollin weiß also nach eigener Aus­sage, was es heißt, mit seinen Händen in der Scheiße zu wühlen“. Zusammen mit seinem Freund Ber­nard Gasset brachte er den Klub auf Vor­der­mann. Ange­fangen haben sie in der sechsten Liga, und ihre Ehe­frauen über­nahmen sei­ner­zeit die Imbiss­buden im Sta­dion. Dieser Geist durch­weht den Verein noch heute. Wir ver­su­chen uns treu zu bleiben“, sagt Nicollin. Ohne die Werte der Pail­lade wäre dieses Aben­teuer nicht mög­lich gewesen.“ Die Pail­lade, das ist das Arbei­ter­viertel, in dem Mont­pel­liers Stade de la Mosson steht. Heute ist Loulou“, wie er genannt wird, ein lan­des­weiter Star. Frei­lich keiner der all­ge­mein akzep­tierten Art. Seit fast vierzig Jahren reagiert Frank­reich auf seine oft­mals vul­gären Aus­sagen mit einer Mischung aus Amü­se­ment und Empö­rung. Viele Jahre nach einem Ber­nard Tapie in Mar­seille oder Claude Bez in Bor­deaux ist Louis Nicollin der letzte Patron des fran­zö­si­schen Fuß­balls. Ein Relikt des alten Frank­reichs, das General de Gaulle ver­göt­tert und seine Ange­stellten wie die eigenen Kinder behan­delt. Aller­dings ist Loulou Nicollin kein zarter Mensch, und er redet, wie ihm der Schnabel gewachsen ist. Obwohl er zum benach­barten Groß­klub Olym­pique Mar­seille ein gutes Ver­hältnis pflegt, bekommt OM gele­gent­lich einen mit. 2009 sagte Nicollin in einem Radio­in­ter­view unge­fähr dies: Die Fans von Nizza waren lustig. Die haben gesagt, sie wollen den Leuten aus Mar­seille einen blasen. Ich hin­gegen wäre schon zufrieden, wenn wir sie ficken.“ Wenn Loulou wütend wird, müssen sich selbst die eigenen Fans in Acht nehmen. Diese Fans, das sind keine Fans, die sind ein­fach ein großes Stück Scheiße“, wütete er einmal, nachdem Anhänger von Mont­pel­lier Feu­er­werks­körper aufs Spiel­feld geworfen hatten. Hin und wieder geht Nicollin zu weit, etwa wenn er der Welt seine ver­meint­lich schwu­len­feind­liche Seite prä­sen­tiert. Als er einst Auxerres Benoit Ped­retti eine kleine Schwuchtel“ nannte, bekam er es mit dem natio­nalen Ethikrat zu tun und wurde für vier Monate gesperrt. Zwei Jahre später spielte er zur Kom­pen­sa­tion in einem Spot des fran­zö­si­schen Fuß­ball­ver­bandes gegen Homo­phobie mit, sein Text lau­tete: Homo­phobie, das ist was für Schwuch­teln.“ In letzter Zeit ist es um Loulou etwas ruhiger geworden, viel­leicht hat er ein­fach zu viel zu tun. Ein lan­des­weiter Kon­zern mit einem Jah­res­um­satz von 300 Mil­lionen Euro erfor­dert Auf­merk­sam­keit, auch wenn ihm sein Sohn Lau­rent (der vorher bestimmt auch den Müll raus­bringen musste) dabei hilft. Den­noch ist und bleibt der Klub seine zweite Familie. Nicollin ist für alle da. Für Carlos Val­der­rama, der von 1987 bis 1991 in Mont­pel­lier spielte, hat er eigen­händig die Was­ser­rech­nungen bezahlt, auch wenn der kolum­bia­ni­sche Exzen­triker nach jedem Bad seinen Swim­ming­pool geleert hat. Nicollin liebt seine Spieler, so wie sie meis­tens ihn lieben. Es heißt, er sei tod­traurig, wenn einer der Seinen den Verein ver­lässt. Trainer René Girard, der aus einer Mann­schaft von Unbe­kannten ein Meis­ter­team geformt hat, schwärmt von seinem Chef: Der Vor­teil an Louis Nicollin ist, dass er immer sagt, was er auf dem Herzen hat. Ich liebe diese Ehr­lich­keit. Außerdem hat er Respekt vor der Leis­tung anderer.“ Gemeinsam haben sie es geschafft, mit dem ledig­lich zwölft­größten Etat der Ligue 1 den Titel nach Mont­pel­lier zu holen, vor den Bonzen aus der Haupt­stadt. Übri­gens ist nicht bekannt, ob Loulou nach dem letzten Sai­son­spiel tat­säch­lich Busensex hatte. Dafür hat er ein anderes Ver­spre­chen gehalten: Am nächsten Tag trug er einen Iro­ke­sen­schnitt in den Ver­eins­farben Blau-Orange. Man mag von Louis Nicollin halten, was man will. Aber er ist defi­nitiv der Punk­ro­cker unter den fran­zö­si­schen Klub­prä­si­denten.