Der Glasgower Traditionsklub Partick Thistle war bereits totgesagt. Doch nun will ein Zufalls-Millionär die „Jags“ kaufen und die Führung an eine Fan-Initiative übertragen.
Manche Geschichten sind einfach nur schön. Diese aber ist noch viel, viel schöner. Sie erzählt von Colin Weir, einem 72-jährigen Partick-Thistle-Fan, der alles, wirklich alles gibt für seinen Klub. Und der im Gegenzug kaum etwas für sich beansprucht.
Weir lebt den Traum
Nun ja, Colin ist ja auch steinreich, seit er vor acht Jahren einen 161 Millionen Pfund (ca. 180 Millionen Euro) schweren Lotto-Jackpot geknackt hat. Und im Alter von 72 Jahren hat er eigentlich keine großen Wünsche mehr ans Leben – außer, dass es seinem geliebten Partick Thistle Football Club gut geht. Und weil zuletzt so vieles rund um den schottischen Zweitligisten in die falsche Richtung gelaufen ist, will Colin die Geschicke des Vereins künftig mitlenken. Jedenfalls zu einem kleinen Teil.
Wie die „Scottish Sun“ berichtet, hat der rüstige Rentner mit der Statur eines Bären ein offizielles Kaufangebot für die Mehrheitsanteile an Partick Thistle abgegeben. Colin will damit aber nicht die Macht an sich reißen, sondern den Herren Chien Lee und Paul Conway zuvorkommen, die schon vor längerer Zeit ihr Interesse signalisiert haben. Das chinesisch-amerikanische Investoren-Duo will den Traditionsklub laut der Fan-Initiative „Thistle For Ever“ bloß aussaugen. Colin Weir hingegen will dem Verein seines Herzens etwas schenken: die Unabhängigkeit. Und die Chance, künftig als Community-gesteuerter Verein zu neuen Ufern aufzubrechen.
Überleben gesichert
Denn Colin will Partick Thistle stellvertretend für die Initiative „Thistle For Ever“ kaufen, sprich: für alle Fans. Der Lotto-Millionär ist lediglich der Mann, der das Geld hat und der es auf den Tisch packen würde. „Colin Weir ist ein langjähriger Thistle-Supporter, der nichts als das Beste für den Verein im Sinn hat“, sagt Paul Goodwin, der „Thistle For Ever“-Begründer: „Colins unglaublich großzügige Unterstützung ermöglicht es uns, dieses Kaufangebot vorzulegen. Unser Angebot bietet den aktuellen Besitzern eine Verkaufsoption, die im Interesse des gesamten Klubs liegt. Die Zukunft von Partick Thistle wäre so auf Jahrzehnte hinaus abgesichert.“
Eine Zukunft, die ein Verein mit so viel Vergangenheit mehr als verdient hätte: Thistle (zu deutsch: Diestel) wurde bereits 1876 im damals noch eigenständigen Glasgower Vorstädtchen Partick gegründet und zählt zu den ältesten Fußballklubs überhaupt in Schottland. Ihren größten Erfolg feierten die „Jags“ (Stacheln) im Jahr 1921, als sie den schottischen Pokal erkämpften. 1971 reichte es immerhin zum Ligapokal. Doch spätestens seit den 1980er-Jahren ringt Partick Thistle chronisch ums Überleben.
1998 wären die Rot-Gelben sogar fast in Konkurs gegangen. Erst die damalige Fan-Initiative „Save the Jags“ konnte den völligen Untergang verhindern. Doch die Diestel, das kleine Gewächs im großen Schatten der „Old Firm“ (Celtic und Rangers), vegetierte fortan für drei Jahre in der Drittklassigkeit vor sich hin. 2001 gelang der Wiederaufstieg in die Championship (2. Liga), seither ist Partick Thistle so etwas wie ein Fahrstuhlklub zwischen 1. und 2. Liga. Wobei: Aktuell belegt der Lieblingsverein von Colin Weir in der Championship den 10. und letzten Platz. Es ist also wirklich höchste Zeit, etwas zu unternehmen.
Colin ist kein VIP
Bei Licht betrachtet, hat Colin schon jetzt unglaublich viel für seinen Verein getan. Vor ein paar Jahren kaufte er für rund 2,5 Millionen Pfund das Namensrecht an der Haupttribüne des kleinen Thistle-Stadions (10.000 Plätze). Colin hätte dem Klub das Geld auch liebend gerne geschenkt, aber ein Sponsoring war aus steuerlichen Gründen besser für Partick Thistle. Nun prangt „The Colin Weir Stand“ (Die Colin-Weir-Tribüne) in riesigen roten Lettern unter dem viktorianischen Dachgiebel auf Höhe der Mittellinie. Dem „Big Spender“ ist so viel Aufhebens eher peinlich: Colin und seine Frau Christine sitzen bei Heimspielen lieber etwas abseits des VIP-Geschehens.
Zuletzt hat der „Lotto-King“ dem Klub eine weitere Spende in Höhe von sechs Millionen Pfund in Aussicht gestellt, damit Thistle endlich mal ein richtiges Trainings- und Nachwuchsleistungszentrum bauen kann. Doch „Glasgows Verein Nummer drei“ benötige noch viel mehr, findet Colin: eine Klubführung, die Ahnung vom Fußball hat. Die den Partick Thistle FC, dieses ganz besondere Pflänzchen, aus tiefster Seele versteht. Eine solche Führung, meint Colin, könne nicht mal eben aus Übersee daher kommen. Eine solche Führung kann nur aus dem Klub selbst und aus seinem unmittelbaren Umfeld erwachsen.
Nachhaltig und schuldenfrei
Damit Partick Thistle also in die richtigen Händen gerät, soll Colin sogar bereit sein, mehr Geld hinzublättern, als der Verein nach streng marktwirtschaftlichen Kriterien wert ist. Aber – was macht den Wert eines Vereins wirklich aus? „Thistle For Ever“-Begründer Paul Goodwin jedenfalls sieht die „Jags“ auf einem guten Weg, falls Colin und die Fan-Initiative wirklich den Zuschlag bekommen: „Der Klub wird nachhaltig und schuldenfrei geführt werden“, verspricht Goodwin, „und zwar von den Händen derjenigen, die ihn mehr lieben als sonst wer – von den Händen seiner eigenen Fans.“