Juli
Aufreger des Monats: Der Neymar-Transfer
Jetzt sind sie endgültig durchgedreht, diese Fußballheinis, mag der eine oder andere (vollkommen zurecht) gedacht haben, als Ende Juli die ersten Meldungen durchsickerten, dass es Neymar vom glorreichen FC Barcelona nach Paris (bzw. Katar) ziehen würde. Für 222 Millionen Euro Ablöse. 222 Millionen! Eine Rekordsumme, die alle bisher da gewesenen Rekordsummen lockerer sprengte als ein polnischer Kanonenschlag ein Überraschungsei, eine Rekordsumme, die die Menschen der Zukunft, wenn sie in ein paar tausend Jahren mal über den Untergang des einstigen Volkssports Fußball forschen werden, in Lehrbüchern als Point-of-no-Return bezeichnen werden. Und als den Moment, der den Menschen die Bezeichnung Schnapszahl vermieste.
Spieler des Monats: David Villa
In einem Monat, in dem in den wichtigen Ligen Europas kein Fußball gespielt wird, den Spieler des Monats zu küren, ist nicht ganz so leicht. Weswegen wir den Blick etwas weiten müssen, bis über den großen Teich sogar. Um plötzlich am Horizont, zwischen Rockefeller Center und Times Square, David Villa entdecken, von dem wir gar nicht so richtig wussten, dass es ihn überhaupt noch gibt. Der aber in New York allein im Juli in fast jedem Spielt trifft und auch im Alter von 37 Jahren so wenig verlernt hat, dass er wenig später sogar in die spanische Nationalelf zurückkehren wird. Was dann doch dafür spricht, dass er nicht nur nicht viel verlernt hat, sondern noch immer verdammt gut ist.
Video des Monats: Poldis Japan-Debüt
Während wir uns in Deutschland noch mit dem Saisonstart der zweiten Liga durch die Sommerpause quälen mussten, rollte in Japan längst der Ball. Mit dabei: der ja ebenfalls eigentlich von der Bildfläche verschwundene Podolski. Der in seinem ersten Spiel für Vissel Kobe (?) gleich, na klar, zweimal zulangt und mal wieder Hoffnungen schürt, die er danach nicht so richtig einhalten wird. Trotzdem Daumen hoch.
Spiel des Monats: Deutschland – Chile 1:0
Vor dem Turnier war das Turnier allen egal. Sogar dem Bundestrainer, der auf quasi jeden arrivierten Nationalspieler verzichtete, weswegen Julian Draxler über Nacht zum arrivierter Nationalspieler wurde, weil er der einzige im Confed-Cup-Kader war, bei dem Opa Willi vor dem Fernseher sitzend (denn vor dem Fernseher saßen die Deutschen dann ja doch) zumindest eine ungefähre Idee hatte, wie er denn heißen könnte. Und so wirbelte die deutsche No-Name-Mannschaft unbeschwerter durch das Turnier als ein umherflatternder Brief und zog von Spiel zu Spiel mehr Fans auf ihre Seite. Bis sie im Finale die einigermaßen favorisierten Chilenen schlug und auf einmal als Mannschaft der Zukunft galt, als Team voller Gewinner, als Pool potentieller WM-Fahrer. Unverhoffter in die Schlagzeilen kam im Jahr 2017 nur der Kontostand von Boris Becker.
August
Aufreger des Monats: Das Höwedes-Aus auf Schalke
Reisende soll man nicht aufhalten, sagte Domenico Tedesco nonchalant in die Mikrofone der anwesenden Journalisten und verlor damit fast seinen Job als Schalker Coach, noch bevor er einen kompletten Monat bei Pflichtspielen an der Seitenlinie gestanden hatte. Denn war es doch dieser Satz, mit dem er die letzte echte Schalker Identifikationsfigur Benedikt Höwedes mit Briefmarke auf dem Hintern aus Gelsenkirchen wegschickte. Den langjährigen Kapitän, den Profi, der als kleinster gemeinsamer Nenner galt in einem Verein, der wie kein anderer im Land den Spagat zwischen Geschäft und Gemeinschaft zu schaffen versucht. Doch stolperte Tedesco nicht über diesen Machtkampf, sondern stärkte seine Position im Verein. Weil er mit der höwedeslosen Mannschaft plötzlich kein Spiel mehr verlor. Während der gekränkte Höwedes in Turin immer mehr in der Versenkung verschwand.
Spieler des Monats: Radamel Falcao
Wenn man in den ersten vier Spielen der Saison sieben Hütten macht, ist man ein ziemlich guter Stürmer. Wenn man dann auch noch Radamel mit Vornamen heißt und so sehr nach Macho-Klischee aussieht, dass das Macho-Klischee, würde sie zu einer lebendigen Figur erweckt werden, mit Sicherheit einen Radamel-Falcao-Starschnitt an die Wand hängen würde, dann kann eigentlich nichts mehr schief gehen. Uns so ging nichts schief im August für Radamel Falcao, der traf und traf, während in Deutschland Mathew Leckie oder Martin Harnik mit ihren zwei bis drei August-Törchen kurzzeitig an die Spitze der Torjägerliste rutschten.
Video des Monats: Die Dembélé-Vorstellung
Mit Häme ist es ja so eine Sache. Und gerade, wenn der Adressat dieser Häme noch nicht alt genug ist, in den USA legal Bier zu kaufen, muss man vorsichtig sein. Wenn der Jüngling sich allerdings kurz zuvor auf unsympatischste Weise aus einem laufenden Vertrag hat herauslaufen lassen, indem er einfach für ein paar Tage spurlos verschwunden war, dann muss ein wenig Häme erlaubt sein. Und wenn dieses Herauskaufen auch noch so sündhaft teuer war, dass es einem die Nackenhaare aufstellt, dann darf es sogar etwas mehr Häme sein als nur ein wenig. Und wenn dieses 100-Millionen-Männlein bei seiner schwachsinnigen Vorstellung im Camp Nou, die einer Zirkusvorstellung mit dem neuerworbenen Sensationstigers nicht unähnlich daherkommt, dann auch noch zum Angeber-Fantasietrick ansetzt, der verdienterweise misslingt, dann kann man sich auch einfach kaputtlachen.
Spiel des Monats: VfL Osnabrück-Hamburger SV 3:1
Die Bundesligasaison hatte noch nicht mal angefangen und schon tüftelte der Liga-Dino wieder am eigenen Aussterben. Denn, natürlich, schieden die Hamburger gleich in der ersten Pokalrunde aus, gegen den VfL Osnabrück. Einen Drittligisten. Der über 70 Minuten zu zehnt spielen musste und trotzdem mit 3:0 in Führung ging. Und den besseren Fußball spielte. Oder um es mit dem Wort zu sagen, das dem HSV sowieso seit Jahren dicht auf den Fersen war: blamabel. Dass die Hamburger zwei Wochen später, zumindest für ein paar Stunden, die Tabellenführung übernahmen, kam dementsprechend überraschend.
September
Aufreger des Monats: 10.000 Kölner in London
Schon Wochen vor dem Spiel war klar, dass es kein normales werden würde. Schließlich hatten sich über 10.000 Kölner für die Auswärtsfahrt nach London angemeldet. Obwohl es offiziell nur 2.000 Tickets für die Gäste gab. Was dazu führte, dass Kölner Anhänger auf verschiedenste Wege versuchten, an Karten zu kommen. Manche wurde spontan zum Arsenal-Vereinsmitglied, andere tarnten sich zumindest mit einem Schal der Gastgeber. So richtig gingen die Taktiken allerdings nicht auf, so dass der Andrang vor dem Gästeblock irgendwann so groß war, dass die Ordner (die natürlich nicht damit rechnen konnten, dass so viele Menschen kommen würden) komplett überfordert die Kontrolle verloren. Als die Kölner, die es ins Stadioninnere geschafft hatten, dann auch noch anfingen (laut!) zu singen, war die Katastrophe perfekt. Bürgerkriegsähnliche Zustände wollten die Reporter gesehen haben, kurz vor der Absage hätte das Spiel gestanden. Dass (neben tatsächlichen Scheißaktionen, die es natürlich auch gab, nur eben in bedeutend geringerer Anzahl, als die Berichterstattung der englischen und deutschen Medien es vermuten ließ) zum ersten Mal seit Jahren im Emirates Stadium wirklich gute Stimmung war, ging dabei leider ein bisschen unter. So wie der FC nach 1:0‑Führung in der zweiten Halbzeit gegen Arsenal.
Spieler des Monats: Pierre-Michel Lasogga
Wenn eine Lusche so Fußball spielt, wie Pierre-Michel Lasogga in seinen ersten Spielen für Leeds United, dann würden wir genau die Art Lusche sehr gerne für unseren Verein verpflichten. Doppelt. Schließlich netzt der beim HSV vom Hof gejagte Brecher gleich in seinem ersten Spiel zweifach, ballert sich so in die Arbeiterherzen der zweiten englischen Liga und seinen neuen Klub zwischenzeitlich an die Tabellenspitze dieser. DIE Feel-Good-Story aus dem Herbst 2017.
Video des Monats: Der Marseille-Fan
Apropos Feel-Good-Story im Herbst 2017: Gibt es etwas schöneres als diesen Marseille-Fan, der, ob einer von ihm absolvierten 2.000-Kilometer-Charity-Fahrradtour zu verschiedenen OM-Spielen quer durch Frankreich, die Ehre erteilt bekam, den Anstoß im Stade Vélodrome auszuführen, und der dann, vollkommen entfesselt, einfach losstürmt, den Ball mit der Pike ins kurze Eck pfeffert und danach vor der Kurve, in der er sonst stets steht, jubelt, als hätte er die Schwester von Marseilles Stadtfeind Nummer Eins, Marco Materazzi, grade in hochhackigen Lederstiefeln an einer verlassenen Autobahnraststädte entdeckt? Nein. Gibt es nicht.
Spiel des Monats: Paris St.-Germain – FC Bayern 3:0
Dass die Bayern international in wichtigen Spielen einen auf die Mütze bekommen, war schon unter Pep, zumindest im Halbfinale der Champions League, eher Regel denn Ausnahme. Dass man in einem Prestigeduell der Vorrunde allerdings dermaßen chancenlos untergeht und am Ende froh sein muss, nur drei Dinger eingeschenkt bekommen zu haben, ist dann aber doch eine Stufe zu ehrverletzend für die stolzen Münchner. Bei denen man in diesen Tagen das Gefühl nicht los wird, dass Carlo Ancelotti seinem Rauswurf beflissen zuarbeitet.