Clemens Tönnies zieht Saison-Bilanz und tritt dabei vor allem gegen Ex-Manager Christian Heidel nach. Das macht nur teilweise Sinn, ist ziemlich schlechter Stil und vor allem aber: sehr unterhaltsam.
Man muss kein Fan des FC Schalke 04 sein, um Fan des FC Schalke 04 zu sein.
Denn unterhaltsam ist dieser Klub allemal. Allein schon sportlich und dann auch gleich in jeder Hinsicht. Ob 4:2 bei Borussia Dortmund oder 0:7 bei Manchester City; Schalkes Spiele haben immer einen Entertainment-Faktor – auf ihre ganz eigene, spezielle Art und Weise. Und selbst wenn sich die Mannschaft unter ihrem Jahrhundert-Trainer Huub Stevens zu einem tor- und nahezu chancenlosen Unentschieden gegen Augsburg und damit zum Klassenerhalt knurrt, stecken noch genug Geschichten rund um diesen Verein. Und sei es die der wunderbaren Choreo zu Ehren des verstorbenen Managers Rudi Assauer.
Einer seiner Nachfolger auf der Manager-Position war bekanntlich Christian Heidel. Unter dem es zunächst so mittel, dann gut und schließlich sehr schlecht lief. Dann war auch schon wieder Schluss für ihn auf Schalke und halb zog es ihn, halb sank er nieder.
Schnief
Ein Umstand, den der Nachfolger Assauers als Schalkes starker Mann, den der Aufsichtsratsvorsitzende Clemens Tönnies nun gekonnt zum Anlass nahm, um gepflegt nachzutreten gegen Heidel: „Zuallererst hat der Hauptverantwortliche den Kittel an den Nagel gehängt und gesagt: ›Er will uns nicht länger im Weg stehen‹. Das habe ich in der Situation nicht verstanden. Das würde ich nie tun, ich würde Schalke nie im Stich lassen“, sagte Tönnies jetzt im Interview mit „Schalke TV“, dem vereinseigenen Sender. (Hier geht’s zum Interview »>)
Außerdem habe Heidel dem Ex-Trainer Domenico Tedesco zu wenig den Rücken gestärkt, weshalb man das Trainertalent verloren habe, was ihm, Tönnies, „persönlich sehr leid“ tue. Schnief.
Aber er kann natürlich auch selbstkritisch, der Fleischfabrikant aus Rheda-Wiedenbrück, dessen von ihm mitgeführte Holding den größten Schlachtbetrieb für Schweine in Deutschland hält. So sei er „viel zu lange ruhig geblieben. Die Kritik, die ich nach innen getragen habe, hätte ich auch öffentlich machen müssen, weil ich einfach sehe, dass wir diese Saison vergeigt haben. Wenn ich gewusst hätte, dass wir um den Abstieg kämpfen, hätte ich viel eher reagiert.“
Abgesehen davon, dass sich nicht jedem sofort erschließen muss, weshalb die Kritik des leitenden Angestellten eines Vereins öffentlich gemacht werden muss, damit sie fruchtet (Weil es Schalker Sitte ist?), sollte sich spätestens an dieser Stelle kaum noch jemand auf seinem Stuhl halten dürfen. Man muss sich das nur nochmals in voller Schönheit in die Wahrnehmung legen: „Wenn ich gewusst hätte, dass wir um den Abstieg kämpfen, hätte ich viel eher reagiert.“
Zu gern würde man an dieser Stelle wissen, wie Clemens Tönnies ansonsten so durch den Tag phrasiert: Wenn ich gewusst hätte, dass ich im Stau stehe, hätte ich einen anderen Weg gewählt? Oder: Wenn ich gewusst hätte, welche Zahlen im Lotto kommen, hätte ich andere Zahlen gewählt?
Jeder auf seine Art
Einen hatte er aber noch im Köcher, der Herr Tönnies: „Das ist nicht die erste Krise meines Lebens. Das ist nicht die erste Krise, die ich auf Schalke erlebe. Wir werden diese Chance nutzen, um Schalke wieder auf die Beine zu stellen. Und dann werden wir wieder angreifen.“
Dass er qua seiner Funktion die Hauptlast an diesen Krisen zu tragen hat? Wird von der königsblauen Selbstaufopferung zugekleistert. Aber es hat nunmal jeder so seinen eigenen Umgang mit Verantwortung. Und während Christian Heidel also die Konsequenzen und von dannen zog, tritt Clemens Tönnies nun nach und bemitleidet sich selbst für Versäumnisse, die er wie höhere Mächte darstellt.
Das kann einen bedenklich stimmen, oder einfach nur unterhalten. Denn immerhin: Man muss kein Fan des FC Schalke 04 sein, um Fan des FC Schalke 04 zu sein. Nur vielleicht ein kleines bisschen ein Sadist.