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Und am Ende schauen wir im Pub“, sagt mein Vater mit einem von Ner­vo­sität gezeich­neten Lächeln. Wir, mein Vater, sein lang­jäh­riger Freund Emme und ich, sitzen am Ter­minal des Flug­ha­fens Tegel und trinken uner­hört teuren Kaffee. Kurz darauf besteigen wir den Vogel nach London. Von da aus geht es mit dem Zug nach Liver­pool. Dort spielt abends der BVB im Rück­spiel des Europa League-Vier­tel­fi­nales gegen die Reds, eine Woche zuvor trennten sich die Teams mit 1:1. Klopp gegen Dort­mund, Klopp gegen Tuchel, Tra­di­tion gegen Tra­di­tion, YNWA-Ori­ginal gegen Beste-Kopie-davon – die Paa­rung schrieb bereits Wochen im Voraus genug Geschichten, um jedem Fuß­ball-Roman­tiker eine melan­cho­li­sche Freu­den­träne aus dem Auge zu zwingen.

Emme hatte über ein kaum ver­trau­ens­er­we­ckendes Online-Portal drei Tickets besorgt. Ohne Angaben der genauen Plätze, ohne Ver­sand, aber mit leckeren Preisen im drei­stel­ligen Bereich. Meinem Vater war alles egal. 1966, Hampden Park, Libudas Lupfer – das erste Spiel, das er live am Fern­seher ver­folgte. 50 Jahre später wollte, nein, musste er diese Partie vor Ort sehen. Als erstes Zwi­schen­fazit des eigenen Wer­de­ganges.

Erleich­te­rung und kühles Nass

Die Tickets seien am Counter abge­geben worden, so die knappe Mail des dubiosen Händ­lers. Der Blut­druck von 180 sinkt rapide, als wir den Umschlag erhalten und ver­fünf­facht sich binnen Sekunden, als wir den Inhalt begut­achten: Drei Dau­er­karten für die Kop, die legen­däre Steh­tri­büne, von irgend­wel­chen Liver­pud­lians, die ent­weder keine Zeit oder Geld­sorgen haben und sich mit der Ver­mie­tung der Schätz­chen etwas dazu ver­dienen wollen. Uns ist’s egal. Anfield Road, Kop, Flut­licht – ran an die Zapfe.

Das kühle Nass schmeckt nach Erleich­te­rung und Vor­freude, die vom Chef des Hotels im besten Liver­pooler Scouse vor­ge­tra­genen Geschichten rund um Anfield klingen wie eine Kopie eines unver­öf­fent­lichten Albums des eigenen Lieb­lings­künst­lers. Ich sauge auf, frage nach und sitze in der ersten Reihe meines Kopf­kinos mit ganz viel Pop­corn. Mit am Tisch zwei Kölner Borussen, ohne Karten ange­reist und mit aner­ken­nendem Neid im Blick. Wir wün­schen ihnen Glück auf dem Schwarz­markt, sie uns auch ganz viel Spaß und still und heim­lich eine authen­ti­sche, nord­eng­li­sche Pub-Dre­sche.

Jeder spricht, jeder trinkt

Wir steuern die Mathew Street an. Über dem legen­dären Cavern Club hängen rote und schwarz-gelbe Fahnen, unter ihnen singen und trinken Anhänger beider Farben. Wir sind spät dran und haben das ein oder andere Pint auf­zu­holen. Im Flanagan’s Apple ist die Atmo­sphäre so har­mo­nisch wie in einem Kat­zen­video. Wir laden Liver­pud­lians auf Bier ein und andersrum. Kein stilles Beäugen, keine Kniet nieder, ihr Bauern“-Sprechchöre. Alles und jeder spricht und trinkt mit­ein­ander. Nicht einmal das tief­blaue Hertha-Shirt, das mein Vater inmitten von BVB und LFC demons­trativ trägt, sorgt hier ansatz­weise für hoch­ge­zo­gene Augen­brauen.