Was haben wir geflucht: 24 Teams bei einer EM – muss das sein? Seit Sonntagabend ist klar: Ja. Denn der Uefa-Gigantismus bescherte uns den bislang schönsten Turniermoment.
Sollte ich heute ein Gemälde malen von der bisherigen EM, malte ich keine Hooligans, keinen bedröppelten Cristiano Ronaldo, keinen stürmenden Dimitri Payet. Ich malte das Bild von Armando Sadiku und seinem 50-Meter-Sprint nach seinem Tor.
Wie er seine Kollegen weggestikuliert, die Augen feucht, die Lippen gepresst. Wie er läuft und läuft, im Vollsprint, als wäre klar, dass er, sollte er je aufhören zu laufen, sofort in den Ruhestand wechseln. Wie er die letzten Meter bis zur Ersatzbank auf Knien rutschend überwindet. Wie er dort kauert, während sich halb Albanien, zumindest aber sein Team auf ihn stürzt, mit offenen Augen und Mündern, ungläubig, perplex. Wie Andi Lila, ein Name wie aus Bullerbü, auf den Pulk klettert und seine Freude in die Nacht brüllt, diese magische Nacht von Lyon. Den Bizeps gespannt, die Fäuste gereckt.
Was für ein Moment.
Albanien siegte 1:0, wir waren Zeuge eines historischen Spiels. Das vermutlich schnell vergessen wird, drei Punkte reichen wohl nicht für das Achtelfinale. Spätestens am Donnerstag, nach dem letzten Vorrundenspiel, werden Andi Lila und Armando Sadiku ihre Trainingsanzüge packen und in den Sommerurlaub fliehen.
Als wären es Fußballstars
Und wer weiß, vielleicht wird einer der neuen Nationalhelden Albaniens dann neben uns am Strand liegen, unbemerkt, irgendwo zwischen Santorini und Las Palmas. Wir werden rätseln über den uns unbekannten Akzent und die Frequenz der vielen SMS und Anrufe, die das Smartphone des Allerweltsgesichts auf der Nachbarsliege empfängt. Wir werden mitbekommen, wie ein Landsmann des Miturlaubers mit Schnappatmung angelaufen kommt, ihn zu Selfies und Autogrammen auf Sonnenmilchtuben nötigen wird und beseelt schluchzend wieder von dannen zieht.
Krass, werden wir uns denken, während wir unsere krebsroten Körper abends zum EM-Halbfinale in die Dorfkneipe schleppen, dieser Typ, der sich in der Mittagssonne synchron zu uns alle halbe Stunde gewendet hat, dieser Typ scheint ja berühmt zu sein. Fast so, als wäre er ein Fußballstar.