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Fuß­ball ist vieles. Fuß­ball, wie er den Men­schen, die ihn lieben, in Erin­ne­rung bleibt, ist vor allem gna­den­loser, roman­ti­scher Kitsch. Und genau des­halb ist Diego Armando Mara­dona, knapp 13 Jahre nach seinem letzten Pflicht­spiel, noch immer der belieb­teste Fuß­baller des Pla­neten.



Nichts gegen Joa­chim Löw. Der deut­sche Natio­nal­trainer ist ganz offen­sicht­lich ein toller Tur­nier-Trainer und sicher­lich auch ein Bom­bentyp. Aber wenn am Samstag Deutsch­lands Löw gegen Mara­donas Argen­ti­nien spielt, dann ist Joa­chim Löw nur noch Übungs­leiter einer Fuß­ball-Mann­schaft. Diego Mara­dona ist viel mehr.

Er war fett und die Nase brannte noch nach Koks

Wer das Glück hatte, ihn spielen zu sehen, der sagt noch heute – bei all den Messis und Ronaldos – es gibt nie­manden, der ihm das Wasser rei­chen kann. Thomas Müller, das deut­sche WM-Wun­der­kind, wurde von Diego Mara­dona bei einer Pres­se­kon­fe­renz nach dem Freund­schafts­spiel gegen Argen­ti­nien im März 2010 zwar von der Bühne ver­scheucht und ist zu jung, um ihn je live in seiner Blü­te­zeit Fuß­ball erlebt zu haben – er sagt aber: »Ich habe ihn nur einmal gesehen – beim Abschieds­spiel von Lothar Mat­thäus. Da hatte er schon ein paar Kilo Über­ge­wicht – aber was er mit dem Ball gemacht hat, war Wahn­sinn.« Damals war Mara­dona schon längst fett und die Nase brannte noch nach Koks. Aber es hat noch gereicht, damit sich ein junger Fuß­baller auf dem Weg nach oben in ihn ver­liebte.

Mara­dona war ein von Gott beschenktes Jahr­hun­dert­ta­lent. Ein Heils­bringer für sein Hei­mat­land Argen­ti­nien, das er mit zwei sagen­haften Toren gegen Eng­land ver­zückte und damit alles wieder ins rechte Licht rückte, obwohl gerade dieses Eng­land Argen­ti­nien auf einer abge­le­genen Insel mit Raketen und Gewehren in den Arsch getreten hatte. Mara­dona wech­selte für viel Geld urplötz­lich zum SSC Neapel, einem Klub in Ita­liens Süden; und damit dem Abschaum der Serie A; und dass dieses unglaub­lich viele Geld mög­li­cher­weise nicht ganz sauber war, hat bald keinen mehr gestört. Diego setzte Neapel 1987 zum ersten Mal in der Geschichte die Krone der besten Ver­eins­mann­schaft des Landes auf und sang anschlie­ßend in der Kabine »Mama, ich bin ver­liebt, denn ich habe Mara­dona gesehen!« Wahr­schein­lich stimmte das sogar. Es wird nur wenige Men­schen in Neapel gegeben haben, die sich im Sommer 1987 nicht Hals über Kopf in diesen kleinen Locken­kopf aus Lanus ver­liebten.

Mara­dona war Welt­meister und sorgte im Allein­gang dafür. Mara­dona wurde des Dopings über­führt und war selbst daran Schuld. Man strafte den einst belieb­testen Fuß­baller der Welt mit Ver­ach­tung, Hohn und Spott. Mara­dona sprach ver­bit­tert fast poe­ti­sche Worte: »Sie haben mir die Beine abge­schnitten!« Kaum hatten sie ihm seines Lebens­in­haltes beraubt, fiel Diego tief und wäre fast an Fett­sucht, Koks und Depres­sion ver­reckt, wenn ihn nicht der Fuß­ball gerettet hätte. Jetzt ist er zwar nur Trainer, und nicht mehr das Genie auf dem Rasen, aber der Sport hat ihn wieder und er die ein­zige Sucht, die nicht unge­sund ist.

Der Mann mit den gol­denen Beinen hat eine Auf­gabe

Auch in Süd­afrika spotten die Neider weiter; einer wie er wird immer Feinde haben; aber sie finden längst nicht so viel Angriffs­fläche wie noch vor einigen Jahren. Diego Mara­dona ist nicht mehr der täto­wierte Fett­sack mit den ehe­mals gol­denen Beinen und der ver­korksten Exis­tenz. Diego Mara­dona 2010 ist ein täto­wierter Fett­sack mit ehe­mals gol­denen Beinen, grauem Fan­tasie-Anzug und einer Auf­gabe: Argen­ti­nien auch als Trainer zum WM-Titel führen. Ganz so schwierig ist die Auf­gabe nicht; Mara­dona betreut die nomi­nell beste argen­ti­ni­sche Mann­schaft aller Zeiten. Aber, dass aus­ge­rechnet er es ist, der diese Aus­wahl betreut, ist für viele schon ein kleines Wunder.

Und so sollen gut­bür­ger­liche Kon­ven­tio­na­listen wie Pelé über ihn mosern, sollen deut­sche Bun­des­trainer für jedes Spiel ein neues schi­ckes Outfit aus dem Rei­se­koffer kramen – es gibt nur einen Fuß­baller auf dieser Welt, der so hem­mungslos ver­ehrt wird und einen bekannten Musiker dazu nötigt, ein Lie­bes­lied über ihn zu schreiben. »Wenn ich Mara­dona wäre«, singt Manu Chao in der groß­ar­tigen Mara­dona-Hom­mage »Mara­dona by Kus­tu­rica«, »dann würde ich leben wie er.« Der Mann ist Fran­zose. Aber wie heißt es so schön: Leben wie Gott in Frank­reich.