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11FREUNDE WIRD 20!

Kommt mit uns auf eine wilde Fahrt durch 20 Jahre Fuß­ball­kultur: Seit dem 23. März ist​„DAS GROSSE 11FREUNDE BUCH“ auf dem Markt, mit den besten Geschichten, den ein­drucks­vollsten Bil­dern und skur­rilsten Anek­doten aus zwei Jahr­zehnten 11FREUNDE. In unserem Jubi­lä­ums­band erwarten euch eine opu­lente Werk­schau mit unzäh­ligen unver­öf­fent­lichten Fotos, humor­vollen Essays, Inter­views und Back­s­tages-Sto­ries aus der Redak­tion. Beson­deres Leckerli für unsere Dau­er­kar­ten­in­haber: Wenn ihr das Buch bei uns im 11FREUNDE SHOP bestellt, gibt’s ein 11FREUNDE Notiz­buch oben­drauf. Hier könnt ihr das Buch be­stellen.

Außerdem prä­sen­tieren wir euch an dieser Stelle in den kom­menden Wochen wei­tere spek­ta­ku­läre Repor­tagen, Inter­views und Bil­der­se­rien. Heute: zu Besuch bei den Ultras des Taranto FC.

11 Freunde Das große 11 Freunde Buch Kopie

Es fing an im Sep­tember 2015 als stink­nor­maler Urlaub­strip. Damals reiste der Saar­brü­cker Foto­graf Lukas Ratius mit ein paar Freunden in einem viel zu kleinen Auto in Rich­tung Süd­ita­lien. Ihr Ziel: Sizi­lien. Unter­wegs hielten sie in Flo­renz, Neapel, Lecce und schließ­lich in Taranto, einer Stadt am Ioni­schen Meer, ganz unten am Stiefel. Eine Zwi­schen­sta­tion für die Nacht, so dachten die Freunde. Also suchten sie eine Unter­kunft und streiften noch ein wenig durch die Straßen. Aber es war kaum etwas los in Taranto, vor allem die Alt­stadt war gespens­tisch leer. Nur am Ende einer dunklen Gasse brannte noch Licht in einer kleinen Kaschemme. Schüch­tern schoben die Tou­risten einen Plas­tik­vor­hang zur Seite und traten in einen win­zigen Raum, der sich als Treff­punkt der Ultra- und Fan­szene des lokalen Viert­li­gisten Taranto FC ent­puppte. Die Männer, die dort über ihren Bieren saßen, waren freund­lich und luden sie ein. Vor allem ein Mann namens Giova beein­druckte die Deut­schen. Ein bul­liger Kerl um die 50, der Capo der berühmten Fan­gruppe Ultrapaz“. Als sich die Deut­schen im Mor­gen­grauen ver­ab­schie­deten, sagte der Mann: Kommt in vier Tagen zum Heim­spiel gegen Fondi wieder!“ Eine Tele­fon­nummer? Seid um 12 Uhr hier!“ Und so begann diese Foto­re­por­tage. Eine Lang­zeit­do­ku­men­ta­tion über die Stadt Taranto, den Verein Taranto FC und die Fans von Ultrapaz.

Über drei Jahre ist Lukas Ratius, der nur Urlaub auf Sizi­lien machen wollte, immer wieder in die Stadt in Apu­lien gereist. Er hat die Ultras gegen den Rivalen Lecce in die Curva Nord begleitet oder mit ihnen in ihren Woh­nungen zu Abend gegessen. Er war dabei, als Taranto in die Serie C auf­stieg und sich die Stadt in ein rot-blaues Fah­nen­meer ver­wan­delte. Gemeinsam mit Giova erkun­dete er die dunklen Gassen der citta vec­chia oder das Ghetto“ des Quar­tiers Paolo VI, und wenn wieder einmal Kinder auf den Deut­schen mit der Kamera zukamen und fragten, woher er komme, ant­wor­tete der Capo für ihn: Er kommt aus dem Land von Heidi!“

Eigent­lich haben die Ein­wohner aber wenig Grund zur Freude. Ein Mann fragte den Foto­grafen: Du willst also eine Doku­men­ta­tion über Men­schen machen, die in der Scheiße ste­cken?“ Ein anderer sagte: Wenn du mit deinem Stiefel in Scheiße getreten bist und alles mühsam wieder sauber geschrubbt hast, gibt es immer noch eine Stelle, an der was hän­gen­ge­blieben ist. Die du ein­fach nicht sauber bekommst. Da liegt Taranto.“ Früher lebten die Men­schen in der Region vom Fisch­fang. Als 1965 das größte Stahl­werk Europas gebaut wurde, erlebte Taranto einen wirt­schaft­li­chen Auf­schwung, weit über 10 000 Men­schen waren zeit­weise für den neuen Arbeit­geber tätig. Aber die neue Indus­trie brachte nicht nur Jobs, son­dern auch den Tod. Durch Schad­stoffe erkranken die Bewohner Tarantos über­durch­schnitt­lich oft an Krebs, die Beschäf­tigten des Stahl­werks sogar um die zehn Mal häu­figer als im natio­nalen Durch­schnitt. Mitt­ler­weile regis­trieren Ärzte ver­erbte, krebs­ar­tige Gen­mu­ta­tionen bei Neu­ge­bo­renen. Sie spre­chen von einer 30 bis 50 Pro­zent höheren Kin­der­sterb­lich­keit als im Rest Apu­liens. Nach einem jah­re­langen Ermitt­lungs­ver­fahren reagierte die Taranter Justiz mit tem­po­rären Still­le­gungen der Anlage. Trotz dieser ver­hee­renden Lebens­um­stände lernte ich ein lebens­frohes und kämp­fe­ri­sches Städt­chen kennen“, sagt Ratius. Kehre ich heute zurück, ist es ein Besuch bei Freunden.“

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Über drei Jahre hat der Foto­graf Lukas Ratius die Fans des Taranto FC begleitet.

Lukas Ratius
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Im Urlaub lernte er die Ultras des Klubs kennen. Es ent­stand eine enge Freund­schaft.

Lukas Ratius
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Du willst eine Doku über Men­schen machen, die in der Scheiße ste­cken?“ Was hat Foto­graf Lukas Ratius vor? Ein Taran­tiner fragt nach.

Lukas Ratius
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Hier traf Ratius die Ultras zum ersten Mal.

Lukas Ratius
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Das Stadio Erasmo Iaco­vone wurde im selben Jahr wie das Stahl­werk eröffnet (1965) und fasst 27 583 Zuschauer. Aller­dings kommen selten mehr als 5000 Fans zu den Par­tien. Benannt ist die Spiel­stätte nach einem der besten Spieler in der Ver­eins­ge­schichte, der 1978 im Alter von 25 Jahren bei einem Auto­un­fall starb.

Lukas Ratius
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In der Alt­stadt von Taranto sind viele Gebäude ein­sturz­ge­fährdet. Früher lebten hier 20 000 Men­schen, heute sind es nur noch 3000. Bei starkem Wind sollen die Bürger Tarantos zu Hause bleiben, denn auf dem Stahl­werk lagert Eisen­staub, der her­über­wehen kann. Auch viele Schulen bleiben dann geschlossen.

Lukas Ratius
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Die Stelle, die du ein­fach nicht sauber bekommst – das ist Taranto!“ Ein Fan des Taranto FC beschreibt seine Stadt.

Lukas Ratius
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Ultrapaz“ leitet sich vom alt­grie­chi­schen Namen der Stadt ab: Tapaz. Und von pazzo“: ver­rückt. Die Gruppe ist eine der ältesten Ita­liens und steht mit anderen Ultras, etwa Krazy Group oder Gruppo Zuffa, in der Curva Nord. Dieses Jahr fei­erte sie ihren 40. Geburtstag. Hier zocken einige Ultrapaz-Capos das Kar­ten­spiel Scopa.

Lukas Ratius
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Und wenn ich nicht mehr bin, feuere ich diese Farben vom Himmel aus an.“ Fan­ge­sang der Curva Nord.

Lukas Ratius
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