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Seite 2: Der Trainer ist ein Schinder!

Offi­ziell werde ich von dem Chi­ne­si­schen Fuß­ball­ver­band als Tech­nical Advisor“ bezeichnet, als Berater. Trotzdem weiß jeder, dass es meine Auf­gabe ist, die Natio­nal­mann­schaft auf die ent­schei­denden Spiele der Asi­en­gruppe vor­zu­be­reiten. Auf Wunsch der Chi­nesen ist im Aus­wär­tigen Amt in Bonn ver­ein­bart worden, den amtie­renden chi­ne­si­schen Trainer im Vor­der­grund arbeiten zu lassen. Außerdem soll ich mich in der Öffent­lich­keit zurück­halten, was mir ehr­lich gesagt nicht leicht fällt. Es ist eben in China wie überall anders: Ver­ständ­li­cher­weise ist man beson­ders stolz, wenn im Erfolgs­fall der eigene Trainer das Lob abbe­kommt. Da aber der chi­ne­si­sche Natio­nal­trainer, wie ich sehe, ein Schinder ist und die Spieler kon­di­tio­nell kaputt trai­niert, muss ich die Sache selbst in die Hand nehmen, was dem Kol­legen letzt­lich ganz recht ist. Damit hat er die Ver­ant­wor­tung, das heißt die Sorge sein Gesicht zu ver­lieren, erst mal abge­geben.

Rudi, mach’s halb­lang!“

Ein knappes halbes Jahr trai­niere ich die Natio­nal­spieler aus dem Reich der Mitte. Besser gesagt: Ich trai­niere sie à la deut­sche Bun­des­liga und habe Erfolg. Die Mann­schaft führt in der Ost­asi­en­gruppe mit 15:1 Punkten und einem Welt­re­kord­tor­ver­hältnis von sage und schreibe 52:1 Toren aus acht Spielen. Punkte- und Tor­lie­fe­ranten sind auch die beiden von deut­schen Trai­nern gecoachten Natio­nal­teams von Nepal (Holger Ober­mann) und Nord­korea mit Pal Cernai, dem ehe­ma­ligen Trainer von Bayern Mün­chen. Als meine Chi­nesen die Male­diven mit 14:0 weg­putzen, kommt Holger Ober­mann am Vor­abend des Spiels gegen Nepal zu mir ins Hotel: Rudi, mach’s halb­lang!“ Ich ver­spreche es ihm. Wir schlagen seine junge Truppe ledig­lich mit 12:0. Ober­mann ist nicht nur Trainer, er hilft, wo es nötig ist. Was mir impo­niert, ist, dass er bei jeder Ver­let­zung eines seiner Spieler mit einem schweren Sani­täts­koffer in der einen Hand und mit einem Eis­beutel in der anderen auf den Platz rennt, um zu helfen. In jedem Spiel min­des­tens zehn- bis fünf­zehnmal. Als ich ihn frage, wieso er als Natio­nal­trainer zum Dau­er­läufer geworden sei, ant­wortet er etwas traurig: Ich habe weder Mas­seur noch Arzt, ich muss alles allein machen.“

Da bin ich in China besser dran. Beim Rück­spiel in Peking gibt die Deut­sche Bot­schaft, die uns bemer­kens­wert gut betreut, für uns zwei deut­sche Trainer eine Geburts­tags­party. So unglaub­lich es klingen mag: Ober­mann und ich haben tat­säch­lich am glei­chen Tag Geburtstag. Ein unver­gess­li­cher Ehrentag: Wir schlagen im aus­ver­kauften Volks­sta­dion Cer­nais nord­ko­rea­ni­sche Mann­schaft 1:0 und qua­li­fi­zieren uns für die letzten sechs Natio­nal­mann­schaften von 36 asia­ti­schen Nationen. Es ist das erste Mal, dass China gegen den sozia­lis­ti­schen Bru­der­staat gewinnt. Mein Riegel hat mal wieder dicht­ge­halten. Pal Cernai hat Tränen in den Augen und ver­kriecht sich nach dem Schluss­pfiff. Ich werde von meinen jubelnden Spie­lern zu Boden gerissen und liege minu­ten­lang unter einer Men­schen­traube. Das Sta­dion steht Kopf, ich werde von einer Men­schen­masse gefeiert wie zuvor in keinem anderen Sta­dion der Welt. Da sage noch einer, die Chi­nesen seien zurück­hal­tend und könnten ihre Emo­tionen besser kon­trol­lieren als die Euro­päer! Die Deut­sche Bot­schaft und die deut­sche Kolonie in Peking haben noch lange gerät­selt, wes­halb ich in diesem Rie­sen­reich zu solch großer Popu­la­rität gekommen bin.