Der beste Spieler? Die verachtenswerteste Figur? Unser WM-Reporter Christoph Biermann beantwortet die wirklich drängenden Fragen, die nach dieser Weltmeisterschaft noch offen sind.
Welches Spiel, dass Du live im Stadion gesehen hast, hat Dich am meisten gepackt?
Leider war ich nicht bei den offensichtlich besten Spielen der WM, wie Belgien gegen Brasilien, Argentinien gegen Frankreich und Spanien gegen Portugal. Aber das Halbfinale zwischen Kroatien und England hat mich elektrisiert, weil es phantastisch war, wie die Kroaten aus ihrer Erschöpfung doch wieder herausfanden und England niedergerungen haben. Das war einfach großer Sport.
Was war die schlechteste Mannschaftsleistung, die Du gesehen hast?
Gemessen an den Möglichkeiten war es Deutschlands Spiel gegen Südkorea. Total leblos und deprimierend. Eine Implosion, das Ende einer Mannschaft.
Welchen Spieler hat Du am liebsten gesehen?
Die „richtige“ Antwort wäre natürlich: Luka Modric. Und natürlich ist Kylian Mbappé der Spieler, über den wir in den nächsten Jahren am meisten reden werden. Aber wie N’Golo Kanté auf dem Platz höchste Energie und kühle Abgeklärtheit kombiniert, hat mich besonders fasziniert.
Wer hat Dich am meisten positiv überrascht?
Ich mag Mario Mandzukic eigentlich nicht, weil er immer eine gewisse Bösartigkeit und Niedertracht in seinem Spiel hat. Aber irgendwann konnte ich mich einfach nicht mehr seinem fanatischen Siegeswillen entziehen.
Welcher Spieler hat Dich am meisten enttäuscht?
Sami Khedira. Nach seiner guten Saison in Italien hatte ich angenommen, dass er einer der deutschen Schlüsselspieler werden würde. Das war er auch, aber als leere Behauptung.
Welcher WM-Trend wird sich in den Vereinsfußball fortsetzen?
Die Zahl der Standardtore wird weiter steigen. Auch der letzte Trainer hat jetzt verstanden, dass es sich lohnt, sie zu trainieren.
Welche WM-Stadt hat Dir am besten gefallen?
Leider war ich nur zwei Tage in St. Petersburg, aber die Stadt ist von ihrer Schönheit und ihrem kulturellen Angebot so überwältigend, dass ich da gerne nochmal hinmöchte. Aber auch diese gigantische Energie von Moskau hat mich mitgerissen.
Welches WM-Stadion fandest Du am besten?
Ich habe eine Schwäche für Stadien am Meer, und das Fischt-Stadion in Sotschi liegt nicht nur phantastisch, sondern passt sich auch architektonisch wunderbar ein. Als Fußballfan gefiel mir das Spartak-Stadion in Moskau am besten, weil es durch seine Enge und Steilheit ideal für eine intensive Atmosphäre ist.
Was hat Dich an Russland als Land am meisten überrascht?
Es wirkte weniger grimmig und verschlossen als ich das erwartet hatte. Auch hatte ich viel weniger das Gefühl, kontrolliert zu sein, aber das war sicherlich eine WM-Sondersituation. Und mir war nicht klar, wie sehr Russland ein Vielvölkerstaat mit starkem asiatischen Einschlag ist.
Was hat Dich am meisten fasziniert?
Die Metro in Moskau, womit ich weniger die palastartigen Stationen meine als die weltwunderhafte Präzision mit der teilweise alle 40 Sekunden die Züge kommen und dank der nie etwas nicht funktionierte.
War die WM in Russland denn nun ein Sportereignis oder eine Propgandaveranstaltung?
Beides. Wobei die verachtenswerteste Figur Gianni Infantino war, weil er die Möglichkeiten des Fußballs für etwas Gutes zu stehen, nicht einmal ansatzweise zu nutzen versuchte.
Welches außersportliche Erlebnis wird Dir von der WM in Erinnerung bleiben?
Wie Olga, die Vermieterin unserer Unterkunft in Nischni Nowgorod, entsetzt feststellte, dass wir von ihrer Stadt nur das Stadion und ihre Wohnung sehen würden. Also hat sie uns nachts eine Stunde lang herumgefahren. Das war einerseits Ausdruck von Lokalpatriotismus aber auch einer rührenden Begeisterung darüber, mit Menschen aus dem Ausland reden zu können.