Nach drei Spieltagen steht der 1. FC Kaiserslautern auf Platz zwei der 2. Bundesliga. Die Rückkehr des Aufsteigers nach vier Jahren des Wartens ist geglückt. Was macht die Pfälzer gerade so stark?
Nein, nicht alles gelingt dem 1. FC Kaiserslautern zurzeit. Beispielsweise der Angriff, bei dem sich Marlon Ritter hartnäckig gegen seine Gegenspieler nahe der Grundlinie des gegnerischen Strafraums durchsetzt und den Ball in die Mitte zu Kevin Kraus spielt. Der Innenverteidiger legt den Ball mittig im Strafraum stehend in Richtung langen Pfosten ab, wo Stürmer Terrence Boyd frei vor dem Tor seinen Fuß hinhält – und nur den Pfosten trifft. Eine Gelegenheit, die Stürmer häufig kein zweites Mal innerhalb eines Spiels bekommen. So bleibt es in der 65. Minute gegen den FC St. Pauli immer noch bei der knappen 1:0‑Führung. Am Ende gewinnt Kaiserslautern trotzdem mit 2:1. Und trotz Boyds vergebener Großchance funktioniert momentan vieles bei den Roten Teufeln.
Denn Kaiserslautern ist in der Zweiten Liga angekommen. Als Aufsteiger rangieren die Pfälzer auf dem zweiten Platz, punktgleich mit Tabellenführer Jahn Regensburg. Regensburg als Tabellenführer, Kaiserslautern dahinter? Diese Konstellation lässt es bereits vermuten: Erst drei Spieltage sind in der neuen Saison vergangen. Und dennoch überzeugte der FCK bislang bei zwei Siegen und einer Punkteteilung als eines von nur noch drei ungeschlagenen Teams in der Liga, bevor am Freitag der SC Paderborn auf dem Betzenberg zu Gast ist. Entsteht nach den quälenden Jahren der Tristesse und des Niedergangs auf dem Betzenberg gerade also ein neues Kaiserslautern?
Gerade einmal drei Monate ist es dabei her, da drohte die Euphorie in der Pfalz jäh durch sportlichen Misserfolg ausgebremst zu werden – mal wieder. Am 8. Mai verlor Kaiserslautern mit 0:2 bei Viktoria Köln, der zwischenzeitlich schon sicher geglaubte Direktaufstieg war futsch. Trainer Marco Antwerpen musste gehen, Dirk Schuster übernahm eigens für die Relegationsspiele gegen Dynamo Dresden. Die riskante Personalpolitik sollte belohnt werden: Kaiserslautern setzte sich schlussendlich durch – endlich. Die Rückkehr aus der Drittklassigkeit war gelungen, wenigstens in die zweite Liga. Vier lange Jahre hatte der Verein warten und teilweise sogar Angst vor einem Abstieg in die Regionalliga haben müssen.
In Kaiserslautern wollen sie nun besseren Zeiten entgegenblicken. Bei der Erfüllung dieser Hoffnung soll Chien Lee helfen. Wer? Mit seinem Unternehmen „NewCity Capital“ ist der Amerikaner, zusammen mit der Investorengruppe „Pacific Media Group“, im Frühjahr dieses Jahres beim Klub eingestiegen und hält nun knapp unter zehn Prozent der Anteile an der Kapitalgesellschaft. Bezahlt hat er dafür drei Millionen Euro. Dabei soll das Engagement in der Pfalz langfristig angelegt werden. „Dass wir den Aufstieg geschafft haben, ist toll. Jetzt wollen wir uns erst einmal in der Zweiten Liga stabilisieren. Danach sollten wir höhere Ambitionen in Richtung Bundesliga haben. Aber alles Schritt für Schritt“, erklärte Lee Anfang Juni der Sport Bild. „Wir denken langfristig. Wir können fünf, sieben oder zehn Jahre hierbleiben. In der Zeit werden wir kein Geld vorab entziehen. Ablöseeinnahmen oder gestiegene Umsätze bleiben im Klub“, versprach der Amerikaner weiter.
Kaiserslautern ist nicht sein erstes Investment: Barnsley (England), Nancy (Frankreich), Esbjerg (Dänemark), Thun (Schweiz) lautet eine Auswahl der Vereine, die sich im Besitz des Firmenkonsortiums befinden. Bis auf Thun eint alle der genannten Vereine, dass sie gerade in die Drittklassigkeit abgestiegen sind. Lautern ging den umgekehrten Weg. Das Geld von Lee und seinen Geschäftspartnern dürfte in der Sommertransferperiode wohl dabei geholfen haben, Torwart Andreas Luthe (Union Berlin) und Weltmeister Erik Durm (Eintracht Frankfurt) auf den Betzenberg zu locken. Dort trafen sie auf erfahrene Spieler wie Kapitän Jean Zimmer, Mike Wunderlich oder Terrence Boyd. Letzterer wechselte zu Beginn des Jahres nach Kaiserslautern.
„Meine Frau stammt aus Heidelberg. Bevor unsere älteste Tochter nächstes Jahr in die Schule kommt, wollten wir gerne wieder in die Region ziehen. Aber natürlich spielte das Umfeld eine Rolle. Das Stadion, die Fans, die Geschichte“, sagte Boyd neulich im 11FREUNDE-Interview. Der Betzenberg sei etwas Einmaliges, dort ein Tor zu erzielen ein ganz besonderes Gefühl. „Dieser Moment, bevor das Tornetz wackelt. Der Moment, wenn der Ball deinen Fuß verlässt und du weißt, dass er reingeht. Dann der Jubel. In diesem Bruchteil einer Sekunde fühle ich mich unsterblich. Wissen Sie, ich habe bei Rapid Wien oder vor 100.000 im Aztekenstadion gespielt, aber der Betze toppt alles“, sagt Boyd. Mit zwei Toren und zwei Assists steht Boyd gemeinsam mit Felix Platte vom SC Paderborn an der Torjägerspitze der 2. Bundesliga. Auch er ist ein Faktor, dass Kaiserslauterns Saisonstart bislang glückte.
Denn im System Schuster ist er die letzte Station vor dem Tor. Als Schuster übernahm, veränderte er die Spielweise seiner neuen Mannschaft nur leicht. Vorgänger Antwerpen spielte häufig mit einer Dreierkette, die Flügelverteidiger unterstützten vorne wie hinten. Schuster favorisiert zwar auch offensiv agierende Außenverteidiger, allerdings in einem 4 – 2‑3 – 1‑System. Zu den Flankengebern aus der Defensive kommen auf diese Weise noch Flügelmänner wie Daniel Hanslik oder Zimmer. Sie sollen die kopfballstarke Spitze Boyd mit Flanken füttern. Das funktionierte auch gegen den FC St. Pauli wieder.
Wie wichtig die von Boyd angesprochenen Fans sind, machten sie gleich beim Auftaktspiel gegen Hannover (2:1) deutlich. Eine Stimmung, in der die Euphorie nach der Rückkehr ins Unterhaus greifbar war, trieb die Mannschaft auf dem Rasen in einer offenen Partie zum Sieg. Beide Heimspiele in der Liga wollten knapp 40.000 Zuschauern sehen. Das beeindruckt auch so manchen Gegner. So wie Christian Streich, der beim Pokal-Erfolg seiner Freiburger in der ersten Runde (2:1 nach Verlängerung) im Fritz-Walter-Stadion zu Gast war. „Es ist immer etwas Besonderes, hier hochzukommen, in diesen Stein da rein“, sagte er. „Und dann bauen die diese Kathedrale – das ist der Wahnsinn“. Die Fans könnten auch zukünftig zum Trumpf in engen Spielen werden. Und glaubt man FCK-Trainer Schuster, dann werden die in jedem Fall kommen.
„Wir haben da oben gar nichts verloren. Das ist eine Momentaufnahme mit den sieben Punkten, die überhaupt nichts bedeuten“, sagte er nach dem siegreichen Spiel gegen St. Pauli am Sonntag. Generell hätte der Zuhörer der Post-Match-Interviews auch auf die Idee kommen können, dass die Roten Teufel das Spiel verloren hätten. „Ich kann nicht damit zufrieden sein, was wir gezeigt haben“, haderte Schuster am Mikrofon von Sky. Kenny Prince Redondo, der Siegtorschütze des zwischenzeitlichen 2:0, sprach von Zusammenhalt, den das Team jetzt zeigen müsse. „Wir müssen und wollen etwas aufarbeiten und hätten einiges viel ruhiger machen müssen“, ergänzte Torjäger Boyd. Bloß nicht zu früh zu viel Euphorie aufkommen lassen. Das scheint die Devise zu sein. Denn wie bei anderen großen Vereinen mit enormer regionaler Bedeutung, beim VfB Stuttgart oder dem HSV etwa, entsteht auch beim FCK schnell eine Unruhe von außen. Doch auch das soll sich nun ändern.
Klar ist nach drei Spieltagen nur, dass Kaiserslautern mit der Konkurrenz der neuen Liga mithalten kann. Mit Hilfe der Fans, einem neuen Geldgeber und dem zweitligaerfahrenen Dirk Schuster an der Seitenlinie möchte der Verein wieder Fuß fassen in Fußballdeutschland. Stück für Stück. Doch viele solcher großen Gelegenheiten, wie Boyds vergebener Chance zum 2:0 gegen St. Pauli, dürfen die Roten Teufel dabei nicht liegen lassen. Denn: „Normalerweise wird das bestraft“, weiß auch Dirk Schuster.