Seit dem Tod von Mahsa Amini toben im Iran Proteste. Der Staat schlägt sie gewaltsam nieder. Das ruft auch die iranischen Fußballer auf den Plan. Ein Leverkusener positioniert sich besonders deutlich.
Ich kann die Stille nicht länger ertragen“, schrieb Bayer Leverkusens Stürmer Sardar Azmoun am Wochenende bei Instagram. Der 27-Jährige hält sich mit der iranischen Nationalmannschaft derzeit in Österreich auf, morgen Nachmittag geht es im Testspiel gegen den Senegal. Wegen der Regeln des Verbandes dürfe er zur aktuellen Situation im Iran eigentlich nichts sagen, bis er das Trainingslager verlassen habe, schreibt er. Doch dass sein Posting Konsequenzen haben kann, ist ihm am Sonntagabend egal. „Wenn sie mich aus dem Team streichen wollen, ist das das Opfer für eine einzige Haarsträhne einer iranischen Frau.“
Die Frau, auf die sich Azmoun bezieht, ist Mahsa Amini. Sie wurde vor knapp zwei Wochen von der iranischen Sittenpolizei verhaftet, weil unter ihrem Kopftuch Haarsträhnen zu sehen waren und sie damit gegen die strenge islamische Kleiderordnung verstoßen hatte. Noch in Polizeigewahrsam fiel sie ins Koma, kurz darauf starb sie. Die genauen Todesumstände sind unklar, es gibt jedoch Vorwürfe, die Polizei habe Gewalt angewendet. Seitdem gehen im Iran hunderttausende Menschen auf die Straße, der Staat unterdrückt die Proteste brutal. Mehrere hundert Menschen sind bereits verhaftet worden, laut der Menschenrechtsorganisation Iran Human Rights gab es bis Freitag 50 Tote.
„Wenn das Muslime sind, möge Gott mich zum Ungläubigen machen“
Sardar Azmoun ist nicht der einzige iranische Fußballer, der sich gegen den iranischen Staat und sein gewaltsames Vorgehen positioniert. Mehrere iranische Nationalspieler schwärzten ihre Profilbilder auf Instagram, ein leiser, aber nicht unbemerkter Protest. Azmoun bekundet seine Solidarität bislang am lautesten und deutlichsten. „Wenn das Muslime sind, möge Gott mich zum Ungläubigen machen“, schrieb er vor einer Woche. Auch Ex-Bayernspieler Ali Karimi solidarisierte sich öffentlich mit den Demonstrierenden und verbreitete immer wieder Videos von den Protesten. Gleiches gilt für Ali Daei. Ihre Namen dürfen deshalb nun im iranischen Staatsfernsehen nicht mehr erwähnt werden. Laut der Plattform „Persian Soccer“ fordern die iranischen Revolutionsgarden sogar Karimis Verhaftung.
Das iranische Mullah-Regime scheint die Äußerungen der Fußballer durchaus als Bedrohung wahrzunehmen. Überraschend ist das nicht. Karimi und Daei sind Volkshelden, sie erreichen allein über ihre Instagram-Kanäle zusammen etwa 20 Millionen Menschen. Der Sportjournalist Farid Ashrafian hob im Deutschlandfunk die Führungsrolle Karimis für den Protest innerhalb der iranischen Sportwelt hervor: „Das ist außergewöhnlich, was Ali Karimi im Moment zustande bringt.“
Auch Sardar Azmoun hat fast fünf Millionen Instagram-Follower. Doch es sieht danach aus, als würde auf seinem Profil so schnell nichts mehr passieren. Bereits kurz nach seinem Posting wurde sein Account gelöscht, war kurz darauf aber wieder erreichbar. Am Montagmorgen gab es den Account zwar nach wie vor, alle Beiträge sind aber gelöscht. Auch die Story aus dem Trainingslager existiert nicht mehr.