Dieser Tage erscheint das Buch von Sky-Reporterin Jessica Kastrop. Es heißt „Liebe in Zeiten der Champions League“. Ob Gabriel García Marquez das 232-Seiten-Werk seiner Frau schenken würde? Oder Lothar Matthäus? Wir waren Anfang April bei der Buchpräsentation.
Wenn der FC St. Pauli ein Heimspiel hat, kann man im backsteinernen East-Hotel sitzen und Zeuge werden, wie die Fangesänge von der Südtribüne herübergeweht kommen. Oder von der etwas leiseren Gegengerade, die in diesen Tagen von Abrissbaggern plattgemacht wird.
Die Luft riecht dann ein wenig nach Alkohol, Bratwurst, Asphalt und durchfeierter Nacht, manchmal kleben noch ein paar Blutspuren am Trottoir. Denn das Hotel liegt an der Simon-von-Utrecht-Straße zwischen Millerntor-Stadion, Heiligengeistfeld und Reeperbahn. Nicht dass es dort gefährlich wäre. Aber ein paar Meter weiter am Hans-Albers-Platz wird sich zu später Stunde gerne mal gehauen. Wochenend-Touristen schleppen sich dann mit Platzwunden durch die Simon-von-Utrecht-Straße, wo am Ende ein Billighotel und der beruhigende Drink aus der Minibar warten.
Heute hat der FC St. Pauli kein Heimspiel, es ist Montag, der Bordstein vorm edlen East-Hotel ist auffällig sauber. Drinnen im „Conference“-Bereich steht ein Dutzend Fotografen und wartet auf Jessica Kastrop. Die blonde Sky-Reporterin erlangte vor zwei Jahren internationale Bekanntheit, weil ihr Khalid Boulahrouz vom VfB Stuttgart einen Ball unfreiwillig an den Kopf schoss. Man nennt ihn „Kannibale“. Jetzt hat sie ein Buch geschrieben. Aber nicht darüber, wie ihr ein Ball plötzlich an den Hinterkopf donnerte, sondern über ein viel wichtigeres, aber nicht weniger spektakuläres Thema: Liebe in Zeiten der Champions League.
Darin geht es nicht um das Beischlaf-Verhalten von Didier Drogba, Mario Gomez oder Bastian Schweinsteiger an Mittwochabenden, sondern um „Beziehungstipps für fußballgeplagte Frauen“. Darin sind viele Wahrheiten enthalten („Das Stadion ist der einzige Ort, wo sich der Mann nicht für seine Tränen schämt“), interessante Vergleiche zwischen Luca Toni und Pizza („Am Anfang dachte man: Oh, wie lecker, aber später alles nur noch Käse“), aufmunternde Worte („Das runde Leder ist Ihrem Mann keineswegs wichtiger als Sie!“) und diskutable Thesen formuliert („Tipps für Single-Frauen: Im Stadion kann man gut flirten und man hat viele Männer zur Auswahl“).
Sie, die vom Fußball keineswegs geplagte Frau, kommt in wenigen Momenten aus ihrem Hotelzimmer. Die Fotografen plaudern ein wenig („Gestern Sky Dumont getroffen, ist netter, als man denkt“), schrauben an ihren Objektiven und lesen sich gegenseitig ein wenig aus Kastrops Buch vor („Das sollten Frauen in Männerrunden sagen: Cristiano Ronaldo ist bestimmt schwul, da gehe ich jede Wette ein. Und Sie haben alle Sympathien auf Ihrer Seite.“).
An der Wand hinter ihnen hängen überdimensionale Fotos von edlem Sushi, aus den Boxen plätschert irgendwas „Café-del-Mar“-artiges. Ein altgedienter Fotograf mit Anzug und Krawatte steht vor der vollautomatischen Kaffeemaschine und lässt sich von einem Kellner erklären, was passiert, wenn er „Espresso Macchiato“ drückt.
Dann kommt Jessica Kastrop. Lange blonde Haare, starkes Make-up, hochhackige Schuhe. Sie trägt eine enge Jeansjacke und begrüßt die Fotografen leutselig („Moin, moin!“). Sie bespricht sich kurz mit ihrer PR-Agentin, posiert mit einem Fußball in der Hand, legt sich mit dem Bauch auf ein Sofa. Auf die Frage, ob sie für ein Foto den Ball küssen könnte, entspinnt sich folgender Dialog:
Kastrop: „Aber nicht, dass das jetzt so pornomäßig rüberkommt.“
Journalist: „Laufen bei Sky eigentlich Pornos?“
Kastrop: „Oh ja, eine ganze Menge.“
Gelächter.
Kurz darauf wechselt sie ihre Garderobe und erscheint in einem kurzen und silberfarbenen Paillettenkleid. Sie setzt sich auf einen Sessel, viele der Fotografen knien abwechselnd vor ihr nieder. Eine Frau mit einer Kamera mahnt: „Lieber den Ball zwischen die Beine, dann kann nichts schief gehen!“
Wieder: Gelächter.
Für das letzte Motiv kniet sie sich hinter einen Tisch, auf dem ein Tipp-Kick-Spiel aufgebaut wurde. Dem Betrachter der Fotos, die jetzt gleich geschossen werden, soll später unmissverständlich klar werden: Es geht hier um das Thema „Fußball“.
Nachdem alle Fotografen ihre Bilder gemacht und ein bisschen Stadionfeeling erleben durften (ein krawattierter Kellner servierte Currywurst mit Pommes), sitzt Jessica Kastrop in einem gläsernen Raum und schnauft kurz durch. Sie hört sich noch einmal die Einleitung ihres Buches an:
„Und schließlich möchte ich, immer mit dem Fuß am Ball, einmal über das gesamte Spielfeld der Liebe laufen und an verschiedenen Stationen einer Liebesbeziehung anhand ›konkreter‹ Spielsituationen aufzeigen, wie sich beide mit dem Fußball wohl fühlen können.“
Möchte sie eigentlich die neue Erika Berger sein? Nein, sagt Jessica Kastrop, sie möchte mit ihrem Buch einfach nur Fußballmänner und ihre Frauen ein bisschen näher zusammenbringen. Dann passiert vielleicht auch Folgendes: „Es kann durchaus sein, dass dieser Mann außerhalb des Nahkampfbereichs Fußball ein wahres Lämmchen ist, dass er Ihnen ruhig und freundlich das Abseits erklärt und Ihnen nach einem langen Arbeitstag eine Badewanne einlässt und Ihnen die Füße massiert.“
Nur mit der Stelle über den Mannstyp „Heulsuse“ ist sie im nach hinein nicht ganz zufrieden. Darin heißt es: „…bietet den Vorteil, nicht die üblichen Machtspielchen durchexerzieren zu müssen. Und Sie können davon ausgehen, dass Sie auf Ihrer Golfrunde nie mehr alleine sein müssen – wenn Sie ihn denn dabei haben wollen.“ Leserinnen, die kein Golf spielen, blättern schnell vor auf Seite 153: „Stellungsspiel: So macht Sex Spaß“.
„Liebe in Zeiten der Champions League – Die besten Beziehungstipps für fußballgeplagte Frauen“ ist natürlich auch bei Amazon erhältlich. Unter Jessica Kastrops Buch steht: „Kunden, die diesen Artikel gekauft haben, kauften auch ›Männerherzen und die ganz, ganz große Liebe‹ mit Til Schweiger und ›Borussia Dortmund Flaschenöffner mit Sound‹.“