Mit ihm wurde Real Madrid in den Fünfzigern zum Mythos, heute vor fünf Jahren verstarb er. Wir durften Raymond Kopa einst fragen: Wie war es wirklich im Weißen Ballett?
Sie spielten in Madrid fortan vor einer wesentlich größeren Kulisse als zuvor in Reims.
Wohl wahr! Im Stade August-Delaune spielten wir vor höchstens 10 000 Zuschauern, im Bernabeu waren es zehn Mal so viele.
Waren Sie nicht eingeschüchtert?
Wo denken Sie hin? Ich habe es über alles geliebt! Die Anhänger riefen mich während der Spiele mit meinem spanischen Spitznamen, um mich anzuspornen: „Los, Kopita, lauf! Mach sie fertig, Kopita!“ Ich habe mich sogar gefreut, als das Stadion erweitert wurde.
Je größer das Machtbewusstsein, desto größer das Stadion: Real Madrid wollte zeigen, wer die Nummer eins ist.
Erstens: Sie haben das Stadion erweitert. Zweitens: Sie haben mich verpflichtet. Das waren die Schlüssel zum Erfolg! (Lacht.) Im Ernst: Dieser Klub war in allem die Nummer eins. Zum Beispiel auch medizinisch. Wenn ein Spieler auch nur ein kleines Zipperlein hatte, kam sofort der Mannschaftsarzt zu ihm nach Hause und kümmerte sich um ihn. Und weil er ja schon mal da war, hat er den Rest der Familie auch gleich untersucht. Das war die Handschrift von Präsident Bernabeu: Er hatte einfach alles im Blick. Und: Er liebte die Menschen. Das war sein Erfolgsgeheimnis – und somit auch das des ganzen Klubs.
In Ihren drei Jahren bei Real Madrid verloren Sie nur ein einziges Heimspiel.
Aber dafür war es eine Niederlage, die so bitter war wie tausend: zu Hause gegen Atletico! Am Tag danach musste die gesamte Mannschaft bei Bernabeu zum Rapport antanzen. „Meine Herren! Wenn das noch einmal passiert“, brüllte er, „werfe ich Sie alle raus!“ Wir saßen da wie Schullümmel. Aber hinterher, als wir wieder unter uns waren, mussten wir schon ein bisschen lachen. Wir wussten ja: Bessere Spieler als uns würde er auf der ganzen Welt nicht finden.
Wer war der Beste der Besten?
Di Stefano war der Chef, der Anführer dieser großen Mannschaft. Als Individualist war Ferenc Puskas aber sogar noch eine Spur stärker. Welch ein großartiger Spieler! Vielleicht der beste aller Zeiten. Ich sah ihn erstmals 1953 in London. Wir waren mit der gesamten Mannschaft von Stade Reims dorthin gereist, um uns das Länderspiel zwischen England und Ungarn im Wembleystadion anzusehen. Es endete 6:3 für Ferenc und seine Jungs. Es war eine Zaubervorstellung, reine Magie.
Als Ferenc Puskas 1958 zu Real Madrid stieß, war er allerdings nicht in sonderlich guter Verfassung.
Da untertreiben Sie aber: Er war dick! Und wie dick er war! Alle wussten natürlich, wer er war und was er geleistet hatte. Aber als er vor uns stand, sah er aus wie der Platzwart. Wie auch immer: Er brachte sich wieder in Form, und bereits in seiner ersten Saison wurde er zweitbester Torschütze der spanischen Liga – hinter Di Stefano.
Wie funktionierte das Zusammenspiel zwischen Puskas, Di Stefano und Ihnen?
Don Alfredo war der Feldherr in der Mitte des Geschehens, Ferenc sein Adjutant auf halblinks, ich war Rechtsaußen. Aber Sie haben einen äußerst wichtigen Mann in diesem Gefüge vergessen: Francisco Gento!
Der kantabrische Sturmwind, natürlich!
Ich habe keinen Spieler gesehen, der mit dem Ball am Fuß schneller war als er. Ich konnte dribbeln, er konnte rennen. Wenn Sie so wollen, waren unsere Außenbahnen verschiedene Klimazonen.
Steht man als Außenstürmer in der Hierarchie automatisch unter dem Spielmacher, zumal wenn dieser Di Stefano heißt?
Ja, aber Don Alfredo wusste, dass er uns brauchte. Er war ein freundlicher, warmherziger und hingebungsvoller Mann. Er hat sich niemals eingebildet, dass er alles allein richten könnte – obwohl er das mitunter durchaus tat, um ehrlich zu sein. Ich habe ihn und auch Puskas noch oft zu Hause besucht, als ich schon nicht mehr in Madrid lebte. Es war immer sehr herzlich. Wie schade, dass sie nicht mehr unter uns weilen.