Bei den so erfolgreichen Freiburgern blüht vor allem Shootingstar Kevin Schade mächtig auf. Einer, der währenddessen in der Versenkung verschwindet, ist Nils Petersen. Wieso passt der Newcomer so viel besser in das aktuelle Spiel der Freiburger?
Ein Samstag im August und natürlich ist es warm hier unten im Breisgau, wo der 19-Jährige Kevin Schade sein Bundesligadebüt gibt. Vor heimischer Kulisse wird der Wahl-Freiburger gegen Borussia Dortmund eingewechselt. Fünf Minuten liegen zwischen seinen ersten Schritten auf Bundesligarasen und dem ersten Foul gegen ihn. Samt Ball wollte Schade an Raphael Guerreiro vorbeirennen. Dem Portugiesen blieb in den Sekunden der Entscheidung kaum etwas anderes übrig, als ihn zu legen. Zu gefährlich wäre die daraus entstehende Situation gewesen.
Es ist eine Symbolszene für die Spielweise des Nachwuchsstürmers. Denn schnell ist klar: Bei Schade geht es um Tempo. Ob auf dem Platz oder abseits dessen. „Solche zehn Minuten habe ich in meinem Leben noch nie gehabt“, sagte Schade zu Trainer Christian Streich nach seinem ersten Bundesligaeinsatz gegen den BVB. Er hatte sich vollkommen verausgabt. Sein Spiel, sein Gemüt: alles geht mit Karacho. Und wenn es nur zehn Minuten sind.
Der Weg von Kevin Schade bis zu diesem ersten Bundesligaspiel gegen Dortmund beginnt in seiner Geburtsstadt Potsdam. Genauer: In einem von der Stadt organisierten Fußballcamp im Jahr 2008. Dort schnürt Schade mit sieben Jahren erstmals die Fußballschuhe. „Er hatte vorher gar keinen Fußball-Bezug.“ erinnert sich Matthias Boron, Nachwuchsleiter des SV Babelsberg, in einem Beitrag des SWR. Handball und Tischtennis erschienen spannender. Doch Schade überzeugt im Fußballcamp, und also nimmt der SV Babelsberg den talentierten Jungen noch im selben Jahr auf.
Maximilian Busch, Schades Trainer in der D‑Jugend des SV Babelsberg, nennt ihn früh schon ein „Naturtalent“, einen „kleinen Freigeist“ und sagt, er sei ein „Instinktfußballer mit unglaublichen Bewegungsabläufen“. Vor allem die Beidfüßigkeit und dieses absurde Tempo, sticht schon in jungem Alter heraus. Schnell macht Schade überregional auf sich aufmerksam und wechselt mit 13 Jahren nicht etwa zur naheliegenden Hertha, sondern in die Cottbusser Jugend. Dort kann er sich entwickeln und geht 2018 in die U19 des SC Freiburg. Sein Premierenjahr in der U19-Bundesliga garniert er mit sieben Toren wie Vorlagen. Ein Jahr später schafft er es vereinzelt bereits in den Profikader, kommt aber erst im Jahr darauf erstmalig zum Einsatz. Als er Dortmunds Guerreiro davonspurten wollte.
Auch Nils Petersen schaffte über Energie Cottbus den Sprung in die Bundesliga. Anders als Schade landete dieser über die Stationen Bayern und Bremen beim SC Freiburg. Wo er Anfang 2020 zum alleinigen Rekordtorjäger in der Geschichte des SC wurde. Doch in dieser Saison ist es ruhig geworden um den inzwischen 33-Jährigen Petersen. Eine Teilschuld trägt Kevin Schade.
Denn Freiburgs erfolgreicher Fußball liegt im schnellen Umschaltspiel. Passgenau verhält sich die taktische Ausrichtung zur Schnelligkeit von Kevin Schade, der laut Statistik hinter dem Mainzer Jeremiah St. Juste der schnellste Spieler der Saison ist. Nils Petersen hat in dieser Disziplin als Strafraumstürmer des älteren Semesters seine Probleme.
Während Petersen als Mittelstürmer fixiert ist, kann Schade flexibel eingesetzt werden, hat zusätzlich beide Außenbahnen im Repertoire. So kommt er wettbewerbsübergreifend bereits auf 20 Einsätze, Petersen, dem obendrein sein Knie Probleme bereitete, lediglich auf 11.
Dabei ist es derzeit eine Seltenheit, dass deutsche Nachwuchsspieler in diesem Alter Spielpraxis auf höchstem Niveau sammeln dürfen. „In den Jahrgängen 2000 und 2001 sind die Einsatzzeiten der ausländischen Spieler in der Bundesliga doppelt so hoch wie die der deutschen“, hatte U21-Trainer Antonio Di Salvo vor einigen Wochen im Kicker moniert. „Das ist extrem. In den anderen Ligen sind die Spielminuten der einheimischen U21-Spieler drei- oder viermal so hoch.“ Di Salvo sprach von einer extrem gefährlichen Tendenz.
Schade stellt einen Gegenentwurf dar. Auch in der U21 weiß er in seinen vier Einsätzen mit drei Toren zu überzeugen. Er ist aktuell so gut, weil er vieles hat, was ein junges Offensivtalent im modernen Fußball braucht: Schnelligkeit, technische Finesse, Abschlussstärke und die Flexibilität in der Offensive. Der Freiburger ist ein ähnlicher Spielertyp wie Karim Adeyemi, der im vergangenen Jahr den Sprung in die A‑Nationalmannschaft geschafft hat. Und nun wohl kurz vor einem Wechsel zum BVB steht. Auch Kevin Schade ist eine solche Entwicklung zuzutrauen, denn genau wie bei Adeyemi verläuft sein Karriereweg jetzt schon ähnlich synchron zu seinem Sprinttempo.