Auf dem Rasen ist Jonny Burkardt ein Draufgänger. Daneben eher nicht: Noch nie hat er ein ganzes Bier ausgetrunken. Denn der Stürmer hat klare Prioritäten – und ist damit auf bestem Wege zu Hansi Flick.
Es war der Sommer 2009, als Jan Delays Stimme in erhöhter Frequenz aus den Radios, den Fernsehgeräten und den großen Lautsprechern der Festivalbühnen quakte. „Oh Jonny! Aber hast du kein Gewissen?“, sang der Hamburger. Zuletzt, 12 Jahre nach der Veröffentlichung der Single, wurde diese rhetorische Frage immer häufiger aufgegriffen. Nämlich dann, wenn die Rede von Jonathan „Jonny“ Burkardt war.
Der 21-Jährige Stürmer vom 1. FSV Mainz 05 spielt bislang eine furiose Saison, traf in elf Bundesligaspielen bereits fünfmal und hilft seinem Klub dabei, den beeindrucken Lauf, den er seit der Einstellung von Trainer Bo Svensson im Winter 2020 hingelegt hat, fortzuführen. Genügend Gründe für gewissenlose Feiereien hätte der Kapitän der deutschen U21-Nationalmannschaft also locker parat, und doch lässt sich Jan Delays Frage recht klar beantworten: Doch, der Jonny hat ein Gewissen. Es ließe sich überspitzt sogar sagen: Der Jonny ist so gewissenhaft, dass er schon fast langweilig ist.
„Vielleicht bin ich ein bisschen langweiliger als andere, ja“, sagte Burkardt selbst jüngst in einem Interview bei „Sky“. Noch nie in seinem Leben habe er ein ganzes Bier getrunken, sagte er im Februar. Partys seien sowieso nicht sein Ding, waren es auch nie. Schon zu Jugendzeit habe es ihn abends nicht aus dem Haus gezogen. „Ich wollte lieber am nächsten Tag im Training fit sein“. Instagram? Hat er nicht. Lieber fokussiert sich der gebürtige Darmstädter auf sein Sportbusiness-Management-Studium an der IST Hochschule in Düsseldorf – und eben auf Fußball. Und das zahlt sich derzeit aus.
Denn Jonny Burkardt hat das Tore schießen gelernt. In der noch jungen aktuellen Spielzeit erzielte er bereits mehr Tore als in den 47 Einsätzen aus den Vorsaisons. Mit dem Kopf, dem linken oder dem rechten Fuß – aus dem unermüdlichen Rackerer ist ein Knipser geworden. „Mir war immer klar, dass das irgendwann so kommen würde“, sagt Bo Svensson, der Burkardt kennt, seit der 15 Jahre jung ist. „Das Toreschießen war das einzige, was ihm wirklich noch gefehlt hat.“ Um an diesen Punkt zu kommen, schob Burkardt neben den regulären Trainingseinheiten regelmäßige Stürmertrainings ein und arbeitete ganz gezielt an seinem Abschluss.
Vor allem das Zusammenspiel mit seinem Sturmkollegen Karim Onisiwo funktioniert hervorragend. Wie beim Heimsieg in der zweiten Runde des DFB-Pokals gegen Arminia Bielefeld, als das Duo, mittlerweile von Mainzer Fans auf den Namen „Jonnisiwo“ getauft, sich gegenseitig je ein Tor auflegte.
Und doch lässt sich trotz der neugewonnen Treffsicherheit die These aufstellen, dass die größte Stärke dieses quirligen Stürmers immer noch das Verteidigen ist. Denn Burkardt verkörpert die fußballerische Identität der Nullfünfer wie kaum ein zweiter Spieler. Das Mainzer Spiel lebt vom aggressiven und unnachgiebigen Gegenpressing. Und genau diese Idee füllt Burkardt mit einer extrem mannschaftsdienlichen und für einen Stürmer ungewöhnlich aufopferungsvollen Spielweise mit Leben.