Southamptons Trainer Ralph Hasenhüttl nutzt die Corona-Pause und feilt an einer Idee. Er will seine Spielphilosophie auf die gesamte Jugend-Akademie ausweiten. Wie einst Johan Cruyff.
Weil die britische Boulevardpresse Spitznamen, Vergleiche und Simplifizierungen liebt, wurde aus Ralph Hasenhüttl sehr schnell „der Alpen-Klopp“. Denn seine Spielidee erinnerte an die des Liverpool-Coaches.
Hohes Pressing, harte Laufarbeit und schnelles Umschalten. Im Idealfall soll es nur zehn Sekunden von Ballgewinn zu Torabschluss dauern. „Meine Mannschaft muss sie jagen und hungrig sein“, sagte Hasenhüttl 2018 bei Sky Sports. Dabei komme das Team über Emotionen und Leidenschaft. „Ich denke, das wollen die Leute sehen.“
Mit diesem Ansatz brachte er Ingolstadt 2016 in die Bundesliga, RB Leipzig in die Champions League und schaffte vor zwei Jahren den Sprung in die Premier League.
Auf dem Staplewood Campus in Marchwood, Southamptons Trainingsgelände, wurde bisher vornehmlich Ballbesitzfußball trainiert. Bei Ralph Hasenhüttl liegt der Fokus auf dem Spiel ohne Ball. Darauf müssen die Jugendtrainer nun umschulen.
Hasenhüttl begann in England in einem kompakten 3 – 5‑2-System zu spielen, passte die Taktik häufig spiel- und gegnerbezogen an, in ein 4−2−2−2 oder wechselte in ein 5−2−3, wobei die Basics stets dieselben blieben: pressen, rennen, umschalten. Nach den schwachen Ergebnissen zu Beginn seiner zweiten Saison 2019/20 legte der Österreicher sich auf die 4 – 2‑2 – 2‑Aufstellung fest mit dem er seinerzeit erfolgreich in Leipzig gefahren war.
Southamptons Spiel beginnt nicht im eigenen Ballbesitz, sondern mit dem Zeitpunkt, da der Gegner das Gerät führt. Auch sein Wording hat Hasenhüttl Klopp-mäßig mittlerweile angepasst: „Wir wollen eklig zu bespielen sein“.
Das Team versucht, schnell das Spiel in die Hälfte des Gegners zu drücken. Bewährtes Mittel hierfür sind häufig lange Bälle auf die zwei Stürmer. Wird der Ball vorne verloren, beginnt das mannschaftstaktische Pressing. Ziel ist es, einen frühen Ballverlust des Gegners zu provozieren und den Weg zum Tor somit kurz zuhalten. Ein Zeugnis dieses ständigen Druckausübens legen die Zweikampfzahlen ab: Southampton führt die zweitmeisten Tacklings aller Premier-League-Teams in dieser Saison.
Zentraler Spieler in diesem System ist der Engländer James Warde-Prowse, der 2017 sein Debüt in der Nationalelf gab. Seit 2002 spielt der heute 25-Jährige in der Jugendakademie vom FC Southampton und ist der letzte Spieler aus dem Jugendbereich der Saints, der sich in der ersten Mannschaft etablieren konnte.
Die Spieler-Frequenz derer, die es ins professionelle Geschäft schafften, war vor einigen Jahren noch höher. Gareth Bale, Theo Walcott, Alex Oxlade-Chamberlain, Adam Lallana, Luke Shaw oder auch Alan Shearer und Matthew Le Tissier stammen aus der Jugend von Southampton.
Mit Ralph Hasenhüttls Spielergenerationen übergreifender Philosophie sollen die Übergänge transparenter werden. So wie beim FC Barcelona die Diamanten in La Masia geschliffen werden, könnte es mit einer Menge Optimismus in einigen Jahren in Southampton ablaufen. In Hasenhüttls La Masia an der britischen Südküste.