Seit 2016 wurden die Schmerzen immer extremer, heute kann Stefan Kießling kaum mehr seinen Schuh zubinden. Für Leverkusen spielt er trotzdem noch. Ein Gespräch über Hüftprothesen und respektlose Kollegen.
Haben Sie Angst vor dem, was ab Juli auf Sie wartet?
Nein. Weil ich im Kopf darauf vorbereitet bin, dass ich den Fußball vermissen werde. Das Gequatsche in der Kabine, die gemeinsamen Erlebnisse, das Gefühl nach einem Tor – das alles liebe ich. Aber Lebensabschnitte gehen zu Ende, andere fangen dafür an. Und langsam freue ich mich auf neue Aufgaben. Zumal ich dem Klub, für den ich brenne, in anderer Funktion erhalten bleibe.
Sie spielen seit 2006 für Bayer Leverkusen. Gab es Momente, in denen Ihre Loyalität dem Verein gegenüber auf die Probe gestellt wurde?
Sie meinen Angebote anderer Klubs? Die waren mir immer egal. Ich habe meinem Berater gesagt: „Pass auf: Anfragen anderer Vereine interessieren mich nicht. Ich will davon auch gar nichts hören. Wenn ich das Gefühl haben sollte, dass es in Leverkusen nicht mehr passt, komme ich auf dich zu.“
Klingt nach einem frustrierenden Job für Ihren Berater.
Ich habe in Leverkusen fünfmal meinen Vertrag verlängert, um meinen Berater brauchen Sie sich keine Sorgen zu machen. Und über manche Offerten haben wir schon auch geredet. Es gab immer wieder Anfragen aus England, Arsenal war lange ein großes Thema. Aber ich kann Ihnen an einer Szene verdeutlichen, wie diese Dinge bei mir abliefen.
Gerne.
2010 kommt Rudi Völler auf mich zu und fragt: „Hat der Ali (Ali Bulut, Berater von Stefan Kießling, d. Red.) schon mit dir gesprochen?“ Ich antworte „Nein“ und frage, was denn los sei. Darauf sagt Rudi: „Wir haben abgeblockt. Du brauchst dir gar nicht erst Gedanken zu machen.“ Ich hatte immer noch keinen Schimmer, wovon er überhaupt redete. Später kam raus, dass Rubin Kazan angerufen hatte. Die wollten 25 Millionen Euro für mich zahlen. Da dachte ich kurz: 25 Millionen Euro? Für mich? Gar nicht so schlecht! Und damit war das Ding gegessen.
Solche Summen können Spielern zu Kopf steigen.
Natürlich schmeicheln dir diese Geschichten. Da gibt es Vereine, die sehr viel Geld für dich ausgeben wollen und zu denen du problemlos hingehen könntest. Aber ich habe mich in Leverkusen immer pudelwohl gefühlt, hatte Erfolg und darüber hinaus ja auch hier kein schlechtes Geld verdient. Mir ging es nie darum, zwangsläufig möglichst viel Kohle zu machen.
Im Januar wechselte Pierre-Emerick Aubameyang nach langem Hin und Her zu Arsenal. Können Sie nachvollziehen, warum manche Ihrer Kollegen mit aller Macht Transfers erzwingen wollen?
Nein. Überhaupt nicht. Es ist vollkommen legitim, wenn es einen Wechselwunsch gibt, und es ist auch nachvollziehbar, dass sich ein Spieler in seinem Verein mal unwohl fühlt. Aber man hat einen gültigen Vertrag und diesen Vertrag hat man unterschrieben, weil man das selber so wollte. Mir ist kein Fall bekannt, in dem ein Spieler zur Unterschrift gezwungen wurde. Deswegen kann ich diese Mätzchen und das Provozieren von Ärger nicht verstehen. Konkret gesagt ist das für mich ein Unding. Das hat was mit Respekt zu tun.