Mit dem FC Bayern hat er alles gewonnen, mit der Nationalmannschaft wurde er Vizeweltmeister. Heute lässt es Carsten Jancker eine Nummer kleiner angehen. Erstmal.
Aus Marketing-Gesichtspunkten war Carsten Jancker eine Katastrophe. Zumindest fußballerisch. Die einen beschrieben ihn als wandelnden Kühlschrank oder Rasen-Rambo. Der „Stern“ entdeckte in ihm gar „die Kraft eines mecklenburgischen Werftarbeiters, gepaart mit dem Raumgefühl eines Billardspielers“.
Seine Mitspieler und Freunde beim FC Bayern München hingegen sahen das alles ganz anders. „Carsten ist ein Brecher – aber einer mit sehr viel Gefühl“, sagte etwa Giovane Elber. Und Stefan Effenberg, selbst weder Gazelle noch Klumpfuß, befand: „Ich habe noch nie einen Spieler gesehen, der bei dieser Statur und diesem Gewicht eine solche Technik hat“.
Mehr Marke geht nicht
Aus Marketing-Gesichtspunkten ist das allein deshalb ein Problem, weil man ihn ja ganz deutlich herausstellen soll, den Markenkern. Verkauft sich dann besser. Vielleicht aber weiß Paul Breitner mehr, der weiß schließlich alles. Und siehe da, halbes Bingo, denn für ihn sei Jancker „ein weißer glatzköpfiger Brasilianer.“
Eigentlich ist das dann aber doch auch alles ganz egal, denn der Spieler Carsten Jancker war schlussendlich vor allem eines: Carsten Jancker. Mehr Marke geht nicht. Alles und Nichts. Und das meist auch noch zugleich.
Erwartbar und unmöglich
Groß und gar nicht mal so gut im Kopfball. Ungestüm in Zweikämpfen und filigran bei seinen so beliebten Lupfern zum Torerfolg. Erster Abwehrspieler und Stürmer. Hilft also alles nichts, Zahlen müssen her:
178 Bundesligaspiele (Deutschland) – 53 Tore
103 Bundesligaspiele (Österreich) – 28 Tore
48 Spiele in der Champions League – 12 Tore
34 Länderspiele – 10 Tore
Überragend geht anders. Ganz im Gegenteil zu seinen sportlichen Erfolgen: viermal Deutscher Meister, zweimal DFB-Pokalsieger, einmal Champions League-Sieger (alles mit den Bayern), einmal österreichischer Meister (mit Rapid Wien), einmal WM-Zweiter (mit Rudi Völler).
Nach Österreich dank Toni Polster
Dass es so weit kommt, war lange Zeit erwartbar, bis es unmöglich schien. Typisch Jancker. Seine Karriere beginnt bei der TSG Wismar, ehe es im Alter von zwölf Jahren zu Hansa Rostock geht. Da dann die ganz harte Schule: „Sechs Uhr aufstehen. Sieben Uhr Schulbeginn. Halb elf Training. Mittagessen. Zu Fuß zur Schule. Wieder Training und dann bist du um sechs Uhr zu Hause und musst noch Hausaufgaben machen.“
Jancker durchläuft sämtliche Jugendnationalmannschaften, wechselt zum 1. FC Köln und — versauert auf der Bank. Auf Anraten von Toni Polster lässt er sich schließlich nach Österreich, zu Rapid Wien, verleihen. Sein Durchbruch. In der Liga läuft es zwar nur so mittel, dafür im Europapokal der Pokalsieger umso besser.
Eine ehrliche Haut
Rapid erreicht 1996 das Finale, unterliegt dort zwar Paris St. Germain mit 0:1, doch Jancker nutzt die internationalen Auftritte für Werbung in eigener Sache. Sechs Treffer erzielt er im Laufe des Wettbewerbs, in gleich zwei Spielen (Achtelfinale gegen Sporting Lissabon, Viertelfinale gegen Dynamo Moskau) trifft er trotz nur noch von einem Turban verdeckten Platzwunden.
Das macht Eindruck, sogar in München. So wird Jancker der erste Transfer vom neuen Bayern-Chefscout Wolfgang Dremmler. Der Rest ist Geschichte. Die glorreiche Zeit beim Rekordmeister, das unglückliche, von Verletzungen geprägte Abenteuer bei Udinese Calcio in der Serie A. Dann Kaiserslautern und China. China? China. Weil, so Jancker im großen Karriere-Interview mit 11FREUNDE: „Das können Sie sich doch denken. Es gibt nicht viele Gründe, um nach China zu wechseln. In Kaiserslautern musste ich meine Koffer packen und aus China lag ein ziemlich gutes Angebot vor. Da fiel die Entscheidung ziemlich leicht.“ Eine ehrliche Haut.