Mit dem 2:0‑Erfolg gegen Arsenal London, meint Christoph Biermann, hat der FC Schalke sogar dem Rivalen und Real-Bezwinger aus Dortmund gestern die Show gestohlen. Verdient hat sich das die Mannschaft auch durch den guten alten Huub-Stevens-Fußball.
Huub Stevens saß in der ersten Reihe des Schalker Mannschaftsbusses und hatte die Füße auf die Lehne vor sich geknallt. Wie in einem Thriller war sein Gesicht nur vom Leuchten des Laptops angestrahlt. So sah man ihn mit grimmigem Blick auf den Bildschirm schauen, auf dem er sich vermutlich einige Szenen des Spiels anschaute, das eine halbe Stunde vorher abgepfiffen worden war. Nach und nach kamen seine Spieler angeschlurft, gaben noch ein paar müde Statements ab und verkrümelten sich dann auf ihre Plätze irgendwo hinter dem Trainer. Nur Lewis Holtby, der Schalker mit englischem Vater, rannte noch aufgeregt hin und her, um Verwandte zu treffen. Schalkes Manager Horst Heldt saß derweil unter der Klappe des Gepäckraums auf der Rückseite des Busses, erklärte ihn zur exterritorialen Zone und steckte sich eine Zigarette an. Im Stadion des FC Arsenal darf nämlich nicht geraucht werden.
Im Grunde stahl der Schalker Sieg dem BVB die Show
Nichts hatten diese Szenen von einem dramatischen Schlachtengemälde, wie man das in der Auslaufrille eines historischen Abends vielleicht hätte erwarten können. Denn das war dieser 2:0‑Sieg im Norden Londons wirklich, und im Grunde stahl er zum Schalker Vergnügen auch Borussia Dortmund die Show. Schön deren Sieg gegen Real Madrid, die sich jedoch traditionell in Deutschland schwer tun, aber wer gewinnt schon in England? Seit elf Jahren bzw. 25 Spielen in der Champions League war das keiner deutschen Mannschaft mehr gelungen. Zudem hatte Arsenal noch nie zuvor in der Geschichte der Champions League im eigenen Stadion ein Gruppenspiel verloren, und noch nie zuvor (in sieben Spielen) hatte eine deutsche Mannschaft bei Arsenal gewonnen. Überhaupt war Schalke die erste nicht-britische Mannschaft die im Emirates Stadion in der Champions League gewann. Denn in den letzten 43 Spielen hatte es zwei Niederlagen nur gegen Manchester United und Chelsea gegeben.
Während die Schalker Mannschaft ihrem verdienten Feierabend entgegen trudelte, zogen draußen jubelnde Fans nach Hause, die ihr unverhofftes Glück über zwei große Siege innerhalb von vier Tagen kaum fassen konnten. Erst der Sieg im Derby und jetzt das. „Who the fuck is Arsenal London“, hatten sie im Stadion so unrichtig wie zutreffend gesungen. Zwar gibt es keinen Klub, der Arsenal London heißt, sondern nur einen Arsenal Football Club aus London, aber in der Sache lag der Gesang nicht falsch. Denn Schalke gewann so verdient, sicher und überlegen, dass man sich fragte, wer denn hier eigentlich der arrivierte europäische Spitzenklub war.
Nun hatten die Gastgeber zwar einen ganzen Schwung Stammspieler zu ersetzen und laufen auch in der Premier League bedenklich weit hinter der Spitze her, aber die Überlegenheit der Schalker war so groß, dass Huub Stevens zur Pause richtig schlechte Laune hatte. Sehr knapp aber sehr laut soll der Holländer in der Kabine geworden sein, weil seine Mannschaft sich ihrer Überlegenheit nicht klar geworden war. Die Druckbetankung durch den Trainer tat ihre Wirkung. In der zweiten Halbzeit war Schalke nicht nur die klar bessere Mannschaft, sondern bei den beiden Treffern von Huntelaar und Affelay nun auch effektiv. Dass Arsenal zugleich so armselig harmlos wirkte und Schalke nicht einmal ins Wanken brachte, durften sich die Gäste ebenfalls zuschreiben.
Es braucht sehr viel Arbeit, um gegen Schalke mal aufs Tor schießen zu dürfen
Diese Mannschaft ist nämlich im allerbesten Sinne ein Stevens-Team. Man muss als Gegner sehr viel Aufwand betreiben, um gegen das Schalke dieser Tage überhaupt zum Torschuss zu kommen. Mit dem Zugang des schlauen Löchestopfers Roman Neustädter und dem Abgang des eben doch nur sporadisch defensiv arbeitenden Raúl hat der Trainer die Mannschaft nun zu einem defensiven Block verschweißt, in dem man erst einmal einen Spalt finden muss. Vor allem, seit die Unkonzentriertheit von Saisonbeginn gewichen ist, als man in Düsseldorf und gegen Montpellier spät noch Siege verschenkte. Das offensive Potenzial war sowieso da und ist durch die Ausleihe von Ibrahim Affelay eher noch größer geworden. Stevens, dem es ja nie um Defensive allein, sondern immer um die Balance zwischen Angriff und Verteidigung gegangen ist, legt der Offensive auch keine Fesseln an, wie seine burschikose Aufforderung zu mehr Initiative zur Halbzeit zeigte.
Weil die beiden großen Siege innerhalb weniger Tage jeweils nicht glücklich, zufällig oder wie die Folge irgendeines euphorischen Überschwangs wirkten, muss man vielleicht neu auf diese Schalker schauen. Sie mögen zwar gerade auf einer königsblauen Wolke unterwegs sein, aber zugleich verbreiten sie den Eindruck auf Zementpfeilern zu stehen. Schalke im Herbst 2012 ist ein Spitzenteam mit einem verdammt soliden Fundament. Aber die wirklichen Tests stehen in den nächsten Tage an, wenn nicht auf großer Bühne geglänzt werden darf, sondern auf Nebenbühnen das Standardprogramm absolviert werden muss, gegen Nürnberg in der Bundesliga und Sandhausen im Pokal.