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Huub Ste­vens saß in der ersten Reihe des Schalker Mann­schafts­busses und hatte die Füße auf die Lehne vor sich geknallt. Wie in einem Thriller war sein Gesicht nur vom Leuchten des Lap­tops ange­strahlt. So sah man ihn mit grim­migem Blick auf den Bild­schirm schauen, auf dem er sich ver­mut­lich einige Szenen des Spiels anschaute, das eine halbe Stunde vorher abge­pfiffen worden war. Nach und nach kamen seine Spieler ange­schlurft, gaben noch ein paar müde State­ments ab und ver­krü­melten sich dann auf ihre Plätze irgendwo hinter dem Trainer. Nur Lewis Holtby, der Schalker mit eng­li­schem Vater, rannte noch auf­ge­regt hin und her, um Ver­wandte zu treffen. Schalkes Manager Horst Heldt saß der­weil unter der Klappe des Gepäck­raums auf der Rück­seite des Busses, erklärte ihn zur exter­ri­to­rialen Zone und steckte sich eine Ziga­rette an. Im Sta­dion des FC Arsenal darf näm­lich nicht geraucht werden.

Im Grunde stahl der Schalker Sieg dem BVB die Show

Nichts hatten diese Szenen von einem dra­ma­ti­schen Schlach­ten­ge­mälde, wie man das in der Aus­lauf­rille eines his­to­ri­schen Abends viel­leicht hätte erwarten können. Denn das war dieser 2:0‑Sieg im Norden Lon­dons wirk­lich, und im Grunde stahl er zum Schalker Ver­gnügen auch Borussia Dort­mund die Show. Schön deren Sieg gegen Real Madrid, die sich jedoch tra­di­tio­nell in Deutsch­land schwer tun, aber wer gewinnt schon in Eng­land? Seit elf Jahren bzw. 25 Spielen in der Cham­pions League war das keiner deut­schen Mann­schaft mehr gelungen. Zudem hatte Arsenal noch nie zuvor in der Geschichte der Cham­pions League im eigenen Sta­dion ein Grup­pen­spiel ver­loren, und noch nie zuvor (in sieben Spielen) hatte eine deut­sche Mann­schaft bei Arsenal gewonnen. Über­haupt war Schalke die erste nicht-bri­ti­sche Mann­schaft die im Emi­rates Sta­dion in der Cham­pions League gewann. Denn in den letzten 43 Spielen hatte es zwei Nie­der­lagen nur gegen Man­chester United und Chelsea gegeben.

Wäh­rend die Schalker Mann­schaft ihrem ver­dienten Fei­er­abend ent­gegen tru­delte, zogen draußen jubelnde Fans nach Hause, die ihr unver­hofftes Glück über zwei große Siege inner­halb von vier Tagen kaum fassen konnten. Erst der Sieg im Derby und jetzt das. Who the fuck is Arsenal London“, hatten sie im Sta­dion so unrichtig wie zutref­fend gesungen. Zwar gibt es keinen Klub, der Arsenal London heißt, son­dern nur einen Arsenal Foot­ball Club aus London, aber in der Sache lag der Gesang nicht falsch. Denn Schalke gewann so ver­dient, sicher und über­legen, dass man sich fragte, wer denn hier eigent­lich der arri­vierte euro­päi­sche Spit­zen­klub war.

Nun hatten die Gast­geber zwar einen ganzen Schwung Stamm­spieler zu ersetzen und laufen auch in der Pre­mier League bedenk­lich weit hinter der Spitze her, aber die Über­le­gen­heit der Schalker war so groß, dass Huub Ste­vens zur Pause richtig schlechte Laune hatte. Sehr knapp aber sehr laut soll der Hol­länder in der Kabine geworden sein, weil seine Mann­schaft sich ihrer Über­le­gen­heit nicht klar geworden war. Die Druck­be­tan­kung durch den Trainer tat ihre Wir­kung. In der zweiten Halb­zeit war Schalke nicht nur die klar bes­sere Mann­schaft, son­dern bei den beiden Tref­fern von Hun­telaar und Affelay nun auch effektiv. Dass Arsenal zugleich so arm­selig harmlos wirkte und Schalke nicht einmal ins Wanken brachte, durften sich die Gäste eben­falls zuschreiben.

Es braucht sehr viel Arbeit, um gegen Schalke mal aufs Tor schießen zu dürfen

Diese Mann­schaft ist näm­lich im aller­besten Sinne ein Ste­vens-Team. Man muss als Gegner sehr viel Auf­wand betreiben, um gegen das Schalke dieser Tage über­haupt zum Tor­schuss zu kommen. Mit dem Zugang des schlauen Löchestop­fers Roman Neu­städter und dem Abgang des eben doch nur spo­ra­disch defensiv arbei­tenden Raúl hat der Trainer die Mann­schaft nun zu einem defen­siven Block ver­schweißt, in dem man erst einmal einen Spalt finden muss. Vor allem, seit die Unkon­zen­triert­heit von Sai­son­be­ginn gewi­chen ist, als man in Düs­sel­dorf und gegen Mont­pel­lier spät noch Siege ver­schenkte. Das offen­sive Poten­zial war sowieso da und ist durch die Aus­leihe von Ibrahim Affelay eher noch größer geworden. Ste­vens, dem es ja nie um Defen­sive allein, son­dern immer um die Balance zwi­schen Angriff und Ver­tei­di­gung gegangen ist, legt der Offen­sive auch keine Fes­seln an, wie seine bur­schi­kose Auf­for­de­rung zu mehr Initia­tive zur Halb­zeit zeigte.

Weil die beiden großen Siege inner­halb weniger Tage jeweils nicht glück­lich, zufällig oder wie die Folge irgend­eines eupho­ri­schen Über­schwangs wirkten, muss man viel­leicht neu auf diese Schalker schauen. Sie mögen zwar gerade auf einer königs­blauen Wolke unter­wegs sein, aber zugleich ver­breiten sie den Ein­druck auf Zement­pfei­lern zu stehen. Schalke im Herbst 2012 ist ein Spit­zen­team mit einem ver­dammt soliden Fun­da­ment. Aber die wirk­li­chen Tests stehen in den nächsten Tage an, wenn nicht auf großer Bühne geglänzt werden darf, son­dern auf Neben­bühnen das Stan­dard­pro­gramm absol­viert werden muss, gegen Nürn­berg in der Bun­des­liga und Sand­hausen im Pokal.