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Der Saal war bis auf den letzten Platz gefüllt, Pro­mi­nenz säumte die Reihen. Selbst Johan Cruyff ließ sich nach langer Zeit wieder einmal bli­cken. Vorn auf dem Podium saß die kom­plette Füh­rungs­riege des FC Bar­ce­lona. Videos und Bilder flim­merten über die Bild­schirme. Eine fei­er­liche Stim­mung lag in der Luft, viele der Anwe­senden trugen feine Anzüge. Wer es nicht besser wusste, der hätte auch denken können, der FC Bar­ce­lona feiere bereits die Meis­ter­schaft.

Abschied vom großen Kapitän Puyol

Dem war aber nicht so. Der Anlass war eher ein trau­riger. Am Don­nerstag ver­ab­schie­dete sich eine der prä­gendsten Per­sön­lich­keiten, die das blau-rote Trikot jemals getragen haben. El Tiburón“, der Hai, der große Kapitän Carles Puyol sagte Adios, wohl­wis­send, dass ihm am Sonn­abend ein sport­li­cher Abschied auf dem Feld ver­wehrt bleiben wird. Wenn Bar­ce­lona zu Hause im Camp Nou gegen Atle­tico Madrid um die spa­ni­sche Meis­ter­schaft spielt, muss Puyol ver­letzt zuschauen – wie so oft in den ver­gan­genen Wochen und Monaten.

Puyol hat mit dem Klub seines Her­zens bei­nahe jeden Titel gewonnen, den es im Fuß­ball zu gewinnen gibt. Nur ein echtes Finale um die Meis­ter­schaft, das blieb ihm ver­wehrt. In der Geschichte der Pri­mera Divi­sion kam es in 85 Jahren erst zwei Mal vor, dass die Meis­ter­schaft durch ein direktes Duell am letzten Spieltag ent­schieden wurde. 1946 reichte dem FC Sevilla ein 1:1 gegen Bar­ce­lona, fünf Jahre später wurde Atle­tico mit dem selben Ergebnis beim Zweiten Sevilla Meister.

Sky hat sich kurz­fristig die Rechte für das Spiel gesi­chert

Am Sonn­abend wird es nun im aus­ver­kauften Camp Nou die dritte Ent­schei­dung dieser Art geben. Atle­tico reicht ein Unent­schieden zur ersten Meis­ter­schaft seit 1996, Bar­ce­lona muss als aktuell Zweiter bei drei Punkten Rück­stand gewinnen. In Spa­nien zählt der direkt Ver­gleich. Ein Spiel von his­to­ri­schem Ausmaß, das auch in Deutsch­land live im Fern­sehen gezeigt wird. Sky hat sich kurz­fristig die Rechte gesi­chert.

Ein End­spiel als Abschluss von La Liga passt her­vor­ra­gend zur Stim­mung, die gerade in Spa­nien herrscht. Am Mitt­woch hatte der FC Sevilla die Europa League gewonnen und auch die Cham­pions League-Tro­phäe wird in das Land des Welt- und Euro­pa­meis­ters gehen, weil Real und Atle­tico am 24. Mai in Lis­sabon eine Madrider Stadt­meis­ter­schaft aus­spielen. Spa­nien ist die Königin Europas“, schrieb die Sport­zei­tung As“ unter der Woche. Abge­sehen von den inter­na­tio­nalen Erfolgen erfüllt vor allem der Umstand, dass die oft als lang­wei­ligste große Liga Europas ver­schrieene Pri­mera Divi­sion in diesem Jahr die span­nendste ist, viele Spa­nier mit Stolz.

Die Spieler von Atle­tico Madrid hätten auf diesen zusätz­li­chen Ner­ven­kitzel gern ver­zichtet. Letzten Sonntag hätte sich die Mann­schaft daheim im Estadio Vicente Cal­deron bereits den Titel sichern können, doch gegen Bernd Schus­ters FC Malaga reichte es mit viel Mühe nur zu einem 1:1. Davor kos­tete ein 0:2 bei UD Levante am Ende womög­lich ent­schei­dende Punkte. Ein Punkt aus den ver­gan­genen zwei Spielen – für Atle­tico kommt dieses Finale in Bar­ce­lona zu einem ungüns­tigen Zeit­punkt. Es scheint, als würde der Mann­schaft von Trainer Diego Simeone am Sai­son­ende etwas die Luft aus­gehen. Auch des­halb sah sich Links­ver­tei­diger Filipe Luis wohl genö­tigt, noch einmal zu betonen: Phy­sisch kann keine Mann­schaft mit uns mit­halten.“ Das lauf­in­ten­sive, kraft­volle Spiel mit der nahezu per­fektem Raum­auf­tei­lung war aller­dings zuletzt nicht mehr in Gänze zu sehen. Der ange­schla­gene Tor­jäger Diego Costa fehlte dazu als Voll­stre­cker. In Bar­ce­lona soll Costa aber spielen. Innen­ver­tei­diger Miranda sagt: Wir kommen auf dem Höhe­punkt ins Camp Nou.“ Wohl­wis­send, das dem nicht so ist.

Zeit der großen Abschiede in Bar­ce­lona

Auch wenn Atle­tico momentan nicht seinen besten Fuß­ball spielt, so spricht das Momentum doch für Simeones Team. Statt Vor­freude auf die mög­liche Titel­ver­tei­di­gung bestimmt Wehmut die Gefühls­lage in Bar­ce­lona. Es ist die Zeit der großen Abschiede. Vor Puyol ver­ab­schie­dete sich der der­zeit ver­letzte, lang­jäh­rige Tor­hüter Victor Valdes unter der Woche mit einem Brief von den Fans. Auch für andere Spieler könnte es das letzte Spiel in azul-grana werden. Dani Alves wird mit Paris St. Ger­main in Ver­bin­dung gebracht, Alexis ten­diert zu Juventus Turin und auch Cesc Fab­regas, Pedro oder Javier Mascherano könnten den Klub ver­lassen. Die Prot­ago­nisten der Guar­diola-Ära ver­schwinden zuse­hends, eine Epoche geht zu Ende.

Der längst fäl­lige Umbruch soll im kom­menden Sommer ange­gangen werden, selbst der Gewinn der Meis­ter­schaft könnte eine an den Ansprü­chen des FC Bar­ce­lona gemessen miss­ra­tene Saison nicht mehr retten. Die Nie­der­lage im Pokal­fi­nale gegen Real Madrid schmerzt, ebenso das frühe Aus in der Cham­pions League. Mit der Titel­ver­tei­di­gung hatten die Spieler schon vor zwei Wochen abge­schlossen. Wir müssen nun nach vorn schauen und im nächsten Jahr vieles besser machen“, hatte Andres Iniesta nach dem 2:2 gegen Getafe gesagt. Da ahnte er noch nicht, dass Atle­tico und Real eben­falls kein Spiel mehr gewinnen sollten und Barça trotz der schwa­chen Resul­tate im Rennen bleiben würde. Es war die Zeit, als durch­si­ckerte, dass Trainer Gerardo Mar­tino den Verein am Sai­son­ende nach nur einem Jahr ver­lässt. Sein Nach­folger wird mit sehr großer Wahr­schein­lich­keit der ehe­ma­lige Barça-Kapitän Luis Enrique, der aktuell noch Celta Vigo trai­niert. Mar­tino wird trotz mög­li­chem Meis­ter­titel gehen müssen. Die Zei­tung El Pais“ hatte berichtet, dass die Spieler sich längst von ihrem Trainer wegen dessen ver­al­teter Methoden abge­wandt haben. Bei einer Trai­nings­form soll ein älterer Spieler Mar­tino ange­fahren haben: Trainer, das ist lächer­lich. So brau­chen wir nir­gends anzu­treten.“

Wir befinden uns in dem wich­tigsten Moment der Klub­ge­schichte“
 
Für Atle­tico spricht außerdem, das man in fünf Spielen in dieser Saison gegen Bar­ce­lona noch unge­schlagen ist. Im April setzten sich die Madri­lenen im Vier­tel­fi­nale der Cham­pions League mit 1:0 und 1:1 durch. Die meisten neu­tralen Fans in Spa­nien würden sich über einen Titel­ge­winn von Atle­tico freuen. Vor zehn Jahren hatte es zuletzt mit Valencia einen anderen Meister als Real Madrid oder Bar­ce­lona gegeben. Die Hege­monie könnte nun von Atle­tico durch­bro­chen werden. Wir befinden uns in dem wich­tigsten Moment der Klub­ge­schichte“, sagt Filipe Luis. Solche Töne waren in den ver­gan­genen Tagen aus Bar­ce­lona nicht zu hören.